Am 22. Juni hatte am Rande der 53. Tagung des UN-Rates für Menschenrechtsfragen in Genf eine internationale Konferenz stattgefunden, in deren Verlauf das Außenministerium der Russischen Föderation seinen Bericht „Über die Situation um die Menschenrechte in einzelnen Ländern“ präsentierte. Im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit des Dokuments steht die Lage der russischen Diaspora in unterschiedlichen Ländern der Welt. Darin wird betont: Die Ereignisse von 2022 haben gezeigt, dass doppelzüngige Herangehensweisen durch den Westen mit dem Ziel angewandt wurden, einen möglichst großen Schaden zuzufügen. Und jetzt bereits auch „Russland und der russischen Welt eine strategische Niederlage“. Insgesamt wurden über 40 Länder analysiert. Es kommt jedoch nicht Deutschland vor, obgleich es in dem Bericht, der im vergangenen Jahr veröffentlicht worden war, es auftauchte.
Ich habe mir die Frage gestellt, inwieweit ist es um die Situation mit den Rechten der Russischsprachigen in Deutschland besser als in den im Bericht genannten Ländern bestellt, da das von Sergej Lawrow geleitete Außenministerium leider beschlossen hatte, die dort bestehenden Verletzungen zu umgehen.
Unter anderem machen die Manipulationen mit den Bankkonten viele Russischsprachige praktisch zu schutzlosen vor der Willkür auf dem Territorium der Bundesrepublik Deutschland. Schließlich erweist sich ein Mensch ohne ein Konto in einer deutschen Bank praktisch als ein hilfloser.
Üblicherweise beginnen die Probleme damit, dass in einem Laden die Geldkarte nicht funktioniert. Die Versuche, das Problem per Telefon zu klären (in Deutschland gibt es ja Hotlines für eine Verbindung der Kunden mit den Banken), führen dazu, dass man den Fragesteller darüber in Kenntnis setzt, dass das mit der Geldkarte verbundene Konto angeblich nicht existiere. Bei dem Versuch, sich in der Bank für eine Konsultation anzumelden (denn so einfach wie in Russland wird man sich mit Ihnen in der Bank nicht unterhalten), informiert man, dass die Antwort auf die interessierende Frage auf dem Postweg zugestellt werde. Und auf die kann man Wochen warten. Der einzige logische Ausweg bei einem Nichtvorhandensein eines Kontos ist, die Sachen zu packen und ein Ticket in die Heimat zu erwerben. Ich persönlich habe bei Diskussionen in den sozialen Netzwerken solche Ratschläge von deutschen Gesprächspartnern bekommen, obgleich es meinerseits keinerlei vehementen Wunsch gibt, die Position der Ukraine zu verteidigen: „Koffer, Bahnhof, Russland“.
Als typisch für das Begreifen des antirussischen Wesens vieler deutscher Intellektueller würde ich meine Diskussion in den sozialen Netzwerken mit Olaf Kühl, dem langjährigen Osteuropareferenten der Regierenden Bürgermeister von Berlin (von 1996 bis einschließlich 2021) bezeichnen. Er positioniert sich als Russland-Experte und schreibt Bücher über den „russischen Imperialismus“. In seinem letzten Buch „Z: Kurze Geschichte Russlands, von seinem Ende her gesehen“ (im Frühjahr bei Rowohlt erschienen – Anmerkung der Redaktion) wird unter anderem behauptet, dass es „imperiale Wesenszüge“ selbst bei den liberalsten Bürgern Russlands gebe. Von daher ist es auch bis zur Schlussfolgerung, dass diese Nation schon durch nichts zu bessern sei, sozusagen nur noch ein Katzensprung.
Die deutschen Nachrichtenagenturen und Medien machen keinen Hehl daraus, dass die Ereignisse in der Ukraine Konsequenzen für die russischsprachige Community haben. Der Hörfunksender Südwestfunk hatte zu diesem Thema eine Untersuchung durchgeführt. Es stellte sich heraus, dass Meldungen über erste Übergriffe gegen Russischsprachige aufgetaucht sind. Registriert wurden gewaltsame Aktionen sowohl gegen russische Läden, die sich vorerst nur mit eingeschlagenen Auslagen herumschlagen, als auch gegen Autos mit russischen Nummernschildern. Auf der Internetseite der Botschaft der Russischen Föderation in Berlin werden gleichfalls Mitteilungen über systematische Beleidigungen gepostet. Es wird angeraten, sich im Falle von Verfolgungen in Bezug auf Russischsprachige an die Botschaft zu wenden.
Und während bereits 2014 laut einer Befragung des Instituts für Demoskopie in Allensbach jeder zweite Deutsche aufgrund der russischen Politik in Bezug auf die Ukraine (gemeint war da der Krim-Anschluss) die Auffassung vertrat, dass Moskau „eine Gefahr darstellt“, so sind heutzutage 80 Prozent der Bundesbürger der Annahme, dass Russland den Frieden auf dem Planeten bedrohe. Vor antirussischen Stimmungen warnte auch Reem Alabali-Radovan, die in Moskau geborene Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration, aber auch für Antirassismus. In einem Interview für Medien der Funke-Gruppe wies sie auf die Angst hin, auf den Straßen Russisch zu sprechen.
Am 22. Juni vergangenen Jahres wurde in Deutschland der Verein VADAR zur Abwehr der Diskriminierung und der Ausgrenzung Russlanddeutscher sowie russischsprachiger Mitbürger in Deutschland, die ca. sechs Millionen Menschen zählen, gegründet. In einem Statement des Vereins wird erklärt, dass nach dem 24. Februar 2022 in Deutschland dank Politiker und der Presse antirussische Stimmungen aufzukommen begannen. Dies habe dazu geführt, dass man angefangen habe, aus Russland kommende Menschen durchweg als Feinde anzusehen. Beobachtet würden Fälle einer feindseligen Haltung, physischer Gewalt sowie Versuche einer Isolierung Russischsprachiger. Vertretern der Kunst verbiete man, in der Öffentlichkeit aufzutreten, Arbeitsverträge würden gelöst werden. Fensterscheiben in Häusern von Russischsprachigen würden zerschlagen werden. Und ihre Kinder würden in den Schulen verfolgt werden. Ulrich Oehme, der VADAR-Vorsitzende und einstiger AfD-Bundestagsabgeordneter, berichtete auf dem Internetportal des Vereins über die Geschichte von Alina Lipp, die aufgrund ihrer prorussischen Haltung durch die bundesdeutschen Behörden verfolgt wurde und wird (u. a. auf der Grundlage eines Haftbefehls) und deren Gelder auf Bankkonten blockiert wurden. Dank der Hilfe von VADAR hat ein Gericht in Lüneburg die Schritte der Behörden als eine „Verfolgung aufgrund politischer Motive“ charakterisiert.
Unter den deutschen Politikern verteidigt nur Eugen Schmidt aus der Bundestagsfraktion der Partei „Alternative für Deutschland“ offiziell als Parteibeauftragter die Rechte der Russlanddeutschen. Dafür erhielt er in einigen bundesdeutschen Medien das Etikett „russischer Propagandist“.
Warum ist aber bei der im russischen Außenministerium sicherlich bekannten negativen Situation, die die Lage der Russischsprachigen betrifft, Deutschland nicht auf die Liste der Länder gesetzt worden, wo deren Rechte verletzt werden?
Augenscheinlich sicherlich, weil es in den erwähnten Ländern im Unterschied zu Deutschland keine offiziell registrierten Organisationen und konkrete Politiker gibt, die die Rechte der Russischsprachigen verteidigen. Außerdem sind die Auftritte sowohl von Bundesaußenministerin Annalena Baerbock als auch des CDU-Parteivorsitzenden Friedrich Merz bekannt, die aufgerufen haben, die negative Haltung gegenüber den Handlungen Russlands in der internationalen Arena in Bezug auf die Russischsprachigen auf dem Territorium Deutschlands zu demonstrieren. Die Offiziellen der Bundesrepublik halten die internationalen Verträge hinsichtlich der Denkmäler und Gedenkstätten für während des Krieges sowjetische Gefallene ein. Schließlich agieren aber, wenn auch mit wesentlichen Einschränkungen, auf dem Territorium Deutschlands gesellschaftliche Organisation vom Typ des „Russischen Hauses“. Anfang Juni wurde gerade im Berliner „Russischen Haus“ ein Film gezeigt, der durch meinen ehemaligen Arbeitskollegen aus der „Komsomolskaja Prawda“, Sergej Butkow gedreht worden war. Folgendes schrieb er über diesen in den sozialen Netzwerken: „Ja, und da hat es auch eine erfolgreiche Premiere in Deutschland gegeben. Der Film „Ein ideales Museum. Die Rückkehr der Renaissance“ ist das Ergebnis einer kollektiven Arbeit Gleichgesinnter. Zuerst Voraufführungen in der Russisch-Deutschen Außenhandelskammer und der Residenz von Deutschlands Botschafter in Moskau. Nun Berlin. Ein bemerkenswertes Publikum des Deutsch-Russischen Forums“.