In Brüssel ist am Donnerstag der EU-Rat für internationale Angelegenheiten zusammengetreten. Die Außenminister der Europäischen Union erörterten ein 12. Paket antirussischer Sanktionen sowie Maßnahmen zur Einflussnahme auf die Länder, die der Russischen Föderation helfen, die Restriktionen zu umgehen. Mit den „Helfern Russlands“, wie man sie in der westlichen Presse bezeichnet, befassten sich auch die USA. Betroffen sind in erster Linie – nimmt man einmal die GUS-Staaten – Kirgisien und Weißrussland.
Am Mittwoch hatte eine Tagung des Ausschusses der Ständigen Vertreter der EU-Mitgliedstaaten (COREPER) stattgefunden. Laut Angaben der polnischen Nachrichtenagentur PAP sei dort der Entwurf des 12. Pakets vorgestellt worden. Die Erörterung auf der Ebene der Ständigen Vertreter ist üblicherweise eine entscheidende und erfolgt wenige Tage vor der Billigung der Sanktionen durch die Außenamtschefs. Eine Reduzierung der Distanz zwischen beiden Stadien für die Annahme eines Pakets ist möglicherweise damit zu erklären, dass es in ihm nichts prinzipiell Neues geben wird. Doch das Brüsseler Treffen der EU-Außenminister wurde nicht zum Tag einer Annahme des angekündigten Sanktionspakets.
Wie früher Vertreter der EU eingestandenen hatten, seien alle möglichen Sanktionen gegen Russland bereits verabschiedet worden. Die bereits erwähnte Agentur PAP behauptete unter Berufung auf ihre Quellen, dass in dem neuen Sanktionspaket lediglich eine Erweiterung der Liste der Personen wichtig sein werde, die mit Sanktionen belegt werden würden. Konkret – „Personen, die an den russischen Desinformationskampagnen beteiligt sind“.
Jetzt wird augenscheinlich die Aufmerksamkeit des Westens darauf konzentriert werden, damit die früher verhängten Sanktionen strikt eingehalten werden. Am Mittwoch hatte die Euro-Kommission EU-Diplomaten den Entwurf eines siebenten Sanktionspaketes gegen Weißrussland übergeben. Darin – so die Zeitung „Politico“ – würde es neben Beschränkungen für den Verkauf militärischer Erzeugnisse Verbote für einen Export von Flugzeug-Ersatzteilen in das Land geben. Der Grund bestehe angeblich darin, dass Weißrussland die russische Flugzeugbau-Industrie versorge. Es wird erwartet, dass diese Sanktionen durch die Ständigen Vertreter der EU-Mitgliedsstaaten in der kommenden Woche verabschiedet werden – vermutlich am 26. Juli.
Bemerkenswert ist der frappierende Zeitintervall zwischen dem sechsten und dem siebenten Paket. Die letzten EU-Sanktionen gegen Weißrussland sind vor mehr als einem Jahr in Kraft getreten. Zum Vergleich: Das 11. Paket antirussischer Sanktionen wurde am 23. Juni auf den Weg gebracht. Bleibt lediglich anzunehmen, was mehr die Entscheidung der Europäischen Union, doch den Sanktionsdruck auf Minsk wiederaufzunehmen, beeinflusste – die Verlegung von Einheiten der Söldnerfirma „Wagner“ nach Weißrussland oder die generelle Absicht des Westens, den Druck auf den Kreml und die „Helfer Russlands“ zu verstärken. Für die letzte Annahme sprechen Informationen der „Washington Post“.
Unter Berufung auf seine Quelle behauptete die Zeitung, dass die Administration von Joseph Biden vorhabe, Sanktionen gegen Kirgisien zu verhängen. Unternehmen aus diesem mittelasiatischen Land lasten die USA die Lieferung von Anlagen und Ausrüstungen nach Russland ab, die in der Rüstungsindustrie eingesetzt werden. Und insbesondere Elektronik. Laut Angaben der „Washington Post“ werde die schwarze Liste der kirgisischen Unternehmen bereits in dieser Woche fertig sein. Und am Donnerstag sind in der Tat einige kirgisische Firmen mit Sanktionen durch die Vereinigten Staaten belegt worden.
Es muss angemerkt werden, dass sich der Westen bisher von einer klaren Logik leiten lässt: Beanstandungen werden nur gegen jene Handelspartner der Russischen Föderation vorgebracht, die nach Meinung der USA und deren Verbündeten der Armee oder dem Militär-Industrie-Komplex Russlands helfen würden. Von anderen Ländern war es bisher genug, dass sie versichern, dass sie das Sanktionsregime nicht verletzen würden. Die Türkei hatte beispielsweise bekanntgegeben, dass sie ab 1. März den Transit von Sanktionswaren nach Russland einstelle. Im Ergebnis dessen ist das Land nicht unter sekundäre Sanktionen der USA geraten. Überhaupt hatte es der Westen bisher vorgezogen, nicht ganze Staaten wegen einer engen Zusammenarbeit mit der Russischen Föderation zu bestrafen.
„Ein Teil derartiger Sanktionen gibt es bereits. Ein markantes Beispiel ist der Erdölexport. Wenn russisches Erdöl zu einem Preis unterhalb der festgelegten Grenze verkauft wird, können gegen den Käufer Sanktionen verhängt werden. Aber die Frage steht und fällt natürlich im Zusammenhang mit konkreten Aspekten. Zum Beispiel ist der größte Käufer russischen Erdöls Indien, ein Land, mit dem Washington maximal enge Beziehungen zu organisieren anstrebt“, betonte Alexander Tewdoi-Burmuli, Dozent des Lehrstuhls für Integrationsprozesse an der Moskauer Diplomatenhochschule MGIMO, in einem Gespräch mit der „NG“.
Der Experte betonte, dass das Gerede von einer strengeren Kontrolle der Versuche für ein Umgehen der Sanktionen gegen Russland schon seit langem erfolge. Die praktische Anwendung von Restriktionen hänge davon ab, welche Waren konkret in den „undurchsichtigen Schemas“ auftauchen.
„Beispielsweise verfolgt man eindeutig einen Reexport von Mikrochips mit Sanktionen. Ich denke aber, dass hinsichtlich der Türkei der Überzeugungsarbeit und keinem Druck der Vorrang eingeräumt wird. Zumal der Westen mit ihr eine gemeinsame Sprache finden kann. Die Türkei ist über das Aussteigen der Russischen Föderation aus dem Getreide-Deal ungehalten. Und daher wird es für die USA einfacher werden, deren Meinung hinsichtlich der Sanktionsfrage zu ändern“, nimmt Tewdoi-Burmuli an.