Der emeritierte Präsident des bekannten deutschen Wirtschaftsinstituts Ifo, Hans-Werner Sinn, hat sich kritisch über die Klima-Politik der gegenwärtigen bundesdeutschen Regierung geäußert. Das Wesen seiner Beanstandungen besteht darin, dass die deutsche „Ampel“-Koalition im Alleingang nicht mit den Klima-Problemen in der Welt fertig werde, da sie einen globalen Charakter tragen würden. Wie Sinn gegenüber der BILD erklärte, könne „der CO2-Ausstoß bei Öl, Kohle etc. nur reduziert werden, wenn alle oder fast alle mitmachen, denn was wir nicht verbrauchen, verbrauchen sonst andere“, meint der 75jährige Forscher.
Die logische Kette sei, wie Sinn meint, solch eine: Wenn Deutschland künftig weniger Öl kaufe, werde sein Preis aufgrund eines Überschusses auf dem Weltmarkt sinken, und es würden andere Länder beginnen, dieses in noch größeren Mengen einkaufen und verbrauchen. Im Ergebnis könnten sich möglicherweise die Emissionen an Treibhausgasen in Deutschland an sich auch verringern, im gesamten planetaren Maßstab würden sie aber zunehmen. Die Atmosphäre aller Länder der Welt ist aber eine, und es ist physisch unmöglich, irgendwelche Abgrenzungen zwischen den Staaten zu schaffen. Das Gleiche kann man auch beobachten, wenn von Technologien die Rede ist. Die Länder, die keine fortgeschrittenen Technologien zur Reduzierung der Emissionen von Treibhausgasen einsetzen, fügen dem ganzen Planeten einen Schaden zu. Folglich leiden auch die Länder, die sie nutzen.
In der Europäischen Union sind bereits zehn Pakete antirussischer Sanktionen verabschiedet worden, ein elftes Paket ist abgestimmt worden, und ausgearbeitet wird ein 12. Sanktionspaket. In allen antirussischen Sanktionszusammenstellungen ist eine wichtige Komponente eine Ausgrenzung von modernen Technologien, darunter von kohlenstoffarmen. Beispielsweise hat das Verlassen des russischen Marktes durch die westlichen Herstellerfirmen von Windkraftanlagen die Regierung Russlands gezwungen, sich mit der Suche von Herstellern derartiger Technik für die sogenannte grüße Energie in befreundeten Ländern zu befassen. Laut Angaben russischer Experten müssten aber mindestens einige Jahre ins Land gehen, bis die Antisanktionsmaßnahmen ein Ergebnis bringen werden. Es ist klar, dass sich in dieser Zeit die Inbetriebnahme neuer Kapazitäten für eine alternative Stromerzeugung verlangsamen wird. Und Russland wird in diesem Bereich hinter den internationalen Tendenzen zurückbleiben. Zu einer Folge des Versuchs einer Isolierung solch eines großen Landes kann eine Zunahme des Gesamtumfangs von Treibhausgasen in der Erdatmosphäre werden.
Russland unternimmt den Versuch, nicht aus dieser aktualisierten Agenda herauszufallen, ruft auf, die internationale Zusammenarbeit in Fragen der Ökologie zu verstärken und die Sanktionen aufzuheben, die die kohlenstoffarmen Technologien und Erzeugnisse, die für die Energiewende nötig sind, tangieren. Moskau hofft gleichfalls, neue Kanäle für eine Zusammenarbeit zu ökologischen Themen mit neutralen Ländern zu schaffen. Unter den Bedingungen, unter denen Russlands Zugang zu grünen Technologien und zu einer Finanzierung stark erschwert ist, sind jedoch die Erfolgschancen für solche Initiativen gering.
Zumal der andauernde Konflikt in der Ukraine die internationale Umweltschutz-Agenda nicht in den Schatten, sondern ihr Aussehen verändert hat, indem neue Probleme auf dem Energiemarkt ausgelöst wurden. Und er hat veranlasst, auf neue Art und Weise den Übergang zu einer Energieerzeugung auf der Grundlage erneuerbarer Quellen anzusehen. Dies haben die letzten großen Konferenzen der UNO gezeigt, das November-Klima-Forum in Sharm el-Sheikh (COP17) und die Dezember-Konferenz zur biologischen Vielfalt in Montreal (COP15). Und das unter den Bedingungen der militärischen Konfrontation des Westens und Russlands begonnene Wachstum des Militär-Industrie-Komplexes wird, wie erwartet wird, die Klimasituation auf dem Planeten verschlechtern.
Die westlichen Politiker müssen früher oder später zum Begreifen jener Tatsache kommen, dass es unmöglich ist, Russland auch bei der Lösung des Problems der Treibhausgas-Emissionen zu ignorieren, da es hinsichtlich deren Umfangs weltweit das fünfte Land ist. Schließlich besteht das Wesen der globalen Klimapolitik darin, eine Beteiligung aller Staaten an ihr zu gewährleisten – unabhängig davon, was für ein politisches Regime im jeweiligen konkreten Land existiert, und auch davon, ob in ihm die Menschenrechte eingehalten werden oder nicht.