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Die Krise der aserbaidschanisch-armenischen Beziehungen ist für Russland gefährlich


Ungeachtet der Beendigung der aktiven Kampfhandlungen in Bergkarabach bleibt die Lage im Südkaukasus weiterhin eine angespannte. Armenien erklärt, dass Aserbaidschan Truppen an der Grenze zusammenziehe. Und Aserbaidschan wirft Armenien regelmäßige Provokationen an der Grenze vor. Die Führungen Armeniens und der nichtanerkannten Republik Bergkarabach halten die Schließung des Latschin-Korridors, der Jerewan und Stepanakert verbindet, für das Haupthindernis auf dem Weg zu einer friedlichen Beilegung des Konflikts. Als Gegenargument verwendet Baku die These, wonach das offizielle Jerewan eine freiwillige „Demilitarisierung“ von Bergkarabach ablehne.

Das Bergkarabach-Problem ist schon mehr als ein Jahrzehnt alt. Doch die Konfliktseiten demonstrierten keine Bereitschaft zu Kompromissen, wobei sie auf militärische Stärke als das optimalste Instrument für eine Lösung der Widersprüche setzten. Eingeschaltet haben sich äußere Akteure, deren Anstrengungen von Zeit zu Zeit erlaubten, den Konflikt auf Eis zu legen, aber nicht zu seiner Lösung beizutragen. Gegenwärtig haben Russland, die USA, die EU, die Türkei und der Iran keine gemeinsame Formel für eine geopolitische Konfliktregelung im Südkaukasus, was nur die ohnehin nicht einfache Situation im Süden der Region verschlimmert.

Das Paradoxe besteht darin, dass die Spannungen rund um Bergkarabach ununterbrochen zunehmen – ungeachtet der aktiven militärischen und diplomatischen Bemühungen. Armenische und aserbaidschanische Beamte und Militärs kontaktieren immer intensiver Kollegen aus der Russischen Föderation, aus Frankreich, den USA und der Europäischen Union. Vor Beginn der militärischen Sonderoperation Russlands in der Ukraine waren die Länder des Westens (in erster Linie die USA und Frankreich) bereit gewesen, in Bergkarabach eine bestimmte Führungsrolle Russlands anzuerkennen, um dessen Beziehungen mit der Türkei zu belasten – um Ankara nicht zu erlauben, übermäßig in der Kaukasus-Region Fuß zu fassen.

Das Jahr 2022 hat aber die Situation radikal verändert. Der Westen hat endgültig aufgehört, in Moskau einen Partner im Südkaukasus zu sehen. Derzeit unternimmt er Anstrengungen zur Diskreditierung der Handlungen des offiziellen Kremls entsprechend den folgenden Richtungen – als einen Friedensstifter, als einen Verbündeten Armeniens und als einen Partner Aserbaidschans. Diese Aufgabe wird in vielem dadurch erleichtert, dass Moskau die Anstrengungen in der Ukraine konzentrierte und sich nur in zweiter Linie dem Kaukasus zuwendet.

Bei der Beurteilung der Situation in der Region muss man das sich in ihr herausgebildete Kräfteverhältnis begreifen. Die russischen Offiziellen betrachten die armenische Situation nicht an und für sich, sondern im Kontext der globalen Konfrontation mit dem Westen. Für sie ist in erster Linie wichtig, dass Armenien nicht in die Fußstapfen Georgiens tritt und nicht zu einem Mitglied des „feindlichen Lagers“ wird. Wenn dies geschieht, wird der Südkaukasus zu einem homogenen Raum, den die USA und ihre Verbündeten vollkommen für sich formatieren. Zur gleichen Zeit haben die USA und ihre Verbündeten nicht vor, Armenien mehr als das, was heute Russland gibt, zu geben. Weder die Amerikaner noch die Europäer haben die jüngste Wahl des Präsidenten der selbstproklamierten Republik Bergkarabach anerkannt und planen im Weiteren, deren Unabhängigkeit anzuerkennen. Die USA, Frankreich und die EU bekundeten keine Bereitschaft, ihre Friedenstruppen nach Bergkarabach zu entsenden.

Jerewan befürchtet, dass der Verlust von Bergkarabach zu einem Ausgangspunkt auf dem Weg zu einer Einverleibung des Territoriums von Armenien werde. Das Land hat keine eigenen Kräfte für einen Widerstand dagegen, und von der Russischen Föderation erwartet man mehr, als es „gegenwärtig“ geben kann. Eben daher wenden sich die armenischen Spitzenvertreter panisch mal an die USA, mal an Frankreich, mal an den Iran und an Indien. Gegenwärtig ist es für Moskau extrem wichtig, die Krise in den Beziehungen mit Jerewan zu überwinden, die zweifellos Paris und Washington auszunutzen versuchen. Warum ist diese Aufgabe vor allem für Russland wichtig? Ohne einen Dialog, der den illusorischen Charakter der Vorschläge der Vereinigten Staaten und Frankreichs und die Wichtigkeit einer Bewahrung der Positionen Russlands im Südkaukasus aufzeigt, wird man nicht umhinkommen. Für die Russische Föderation wird ein Akzeptieren der Situation ohne das Führen aktiver Handlungen ein Zurückfahren ihrer Präsenz nicht nur in Armenien bedeuten, sondern auch generell im Kaukasus. Aber gerade solch ein Szenario würde den USA, Frankreich und anderen NATO-Ländern in vollem Maße passen.