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Weißrusslands Wirtschaft demonstriert gute Werte, ihre Perspektiven sind jedoch besorgniserregend


Das weißrussische Statistikamt Belstat hat Daten über die Arbeit des Handels und die Gastronomie im Zeitraum Januar-Oktober dieses Jahres veröffentlicht. Der Einzelhandel erreichte 107,6 Prozent im Vergleich zum analogen Zeitraum des vergangenen Jahres. Und das geplante Wachstum des BIP von 3,8 Prozent für dieses Jahr erreicht man früher, bereits nach zehn Monaten. Regierungsvertreter informieren mit Stolz über diese Ergebnisse. Experten erklären jedoch, dass die Wirtschaft die Grenzen für ein Wachstum erreicht hätte. Und im nächsten Jahr erwarte die Republik Belarus in der besten Variante eine Stagnation.

Weißrusslands Wirtschaft demonstriert begeisternde Werte. Belstat legte Daten über die Arbeit des Handels und die Gastronomie für den Zeitraum Januar-Oktober dieses Jahres vor. Wie berichtet wird, machte der Umsatz im Einzelhandel in diesem Zeitraum 62 Milliarden Rubel oder 107,6 Prozent in vergleichbaren Preisen gegenüber dem analogen Zeitraum des vergangenen Jahres aus. Der Tagesumsatz im Einzelhandel machte seit Jahresbeginn 22,10 Rubel pro Kopf der Bevölkerung aus (20 Rubel im analogen Zeitraum des vergangenen Jahres). Und der Großhandelsumsatz belief sich gar auf 113,2 Prozent in vergleichbaren Preise gegenüber dem Zeitraum Januar-Oktober des Jahres 2022.

Mehr noch, Wirtschaftsminister Alexander Tscherwjakow erklärt, dass das Land mit einem Vorsprung das für dieses Jahr geplante Niveau des BIP erreicht hätte.

„Seit Beginn des Jahres realisieren wir den als Ziel vorgesehenen Plan, und jene Entscheidungen, die die Regierung zur Aktivierung der Arbeit der Wirtschaftssektoren getroffen hat, bringen ihre Ergebnisse. Schon heute sind die vorläufigen Ergebnisse für zehn Monate bekannt. Mit einem Vorsprung haben wir einen Stand des BIP erreicht, der der Planaufgabe für das Jahr – 103,8 Prozent – entspricht“, erklärte der Minister.

Und er gab das Geheimnis des Erfolgs preis. „Getan wurde dies durch eine Mobilisierung der Reserven in den Wirtschaftssektoren – in der Industrie und Landwirtschaft. Reserven gibt es auch im Handel und im Bauwesen. Heute werden praktisch alle Sektoren wiederhergestellt. Wir haben vollkommen die Verluste auf den Auslandsmärkten wettgemacht. Wir haben ein ausreichend gutes Tempo für das Ansteigen der Löhne und Gehälter, der Einkommen der Bevölkerung und eine gute Inflationsrate“.

Der stellvertretende Wirtschaftsminister Andrej Kartun präzisierte seinerseits, dass die Hauptantriebskraft für das Wachstum die Industrie bleibe. Ihr Beitrag zum Ansteigen des BIP liege bei mehr als 60 Prozent. „Der Hauptbeitrag im Oktober wurde im Maschinenbau, bei der Herstellung von Haushaltstechnik und PKWs sowie in der Leichtindustrie erzielt“, konstatierte der Vizeminister.

Dieser Tage informierte über Erfolge auch Weißrusslands Finanzminister Jurij Seliwerstow. „Innerhalb von neun Monaten erreichte die Realisierung des Haushalts der Republik etwa 77 Prozent, die der regionalen – ca. 73 Prozent. Das Plus des konsolidierten Haushalts liegt bei etwa 1,5 Milliarden Rubel. Dieser Trend hält an. Wir denken, dass wir den Jahresplan hinsichtlich der Einnahmen des Haushalts der Republik im November vorzeitig erfüllen wollen. Was die lokalen angeht, so liegen sie im Bereich der geplanten Zahlen. Bis zum Jahresende wird alles Geplante erfüllt werden. Hinsichtlich der Jahresbilanz haben wir ein Defizit geplant. Ich denke aber, dass wir im Bereich von Null liegen werden“, betonte der Minister.

Das Internetportal für Wirtschaftsanalysen „Die Weißrussen und der Markt“ betont, dass die Regierung auf etwas stolz sein könne. Tatsächlich gelinge es ihr nicht so oft, ihre Pläne zu verwirklichen. Für das kommende Jahr sei die Einstellung gleichfalls eine optimistische. Wie die Experten jedoch hervorheben, bestehe das Problem darin, dass das Wirtschaftswachstum dieses Jahres ein wiederherstellendes nach dem drastischen Einbruch des vergangenen Jahres gewesen sei. Und Reserven für ein weiteres Wachstum seien schon nicht mehr auszumachen.

Dmitrij Kruk, wissenschaftlicher Oberassistent des Forschungszentrums BEROC, erklärte auf der Internetseite „Die Weißrussen und der Markt“: „Derzeit ist das Produktionsvolumen, das die weißrussische Wirtschaft generiert, der Obergrenze sehr nahe. Wenn alles etwa so bleibt, wie gegenwärtig, so wird die Wirkung des wiederherstellenden Wachstums allmählich nachlassen. Weiter werden wir an der Obergrenze bleiben und eine Stagnation erleben“.

Unabhängige Experten betonen, dass ein weiteres Wachstum der weißrussischen Wirtschaft durch die Produktionsmöglichkeiten und das Potenzial der Absatzmärkte eingeschränkt werde. In der letzten Zeit ist in Weißrussland ein Mangel an Arbeitskräften und Produktionskapazitäten zu beobachten. Die Preise für den weißrussischen Export befinden sich im Sinkflug. Wobei die weißrussischen Waren auf dem russischen Markt durch die Konkurrenten aus China und Indien allmählich bedrängt werden.

Besonders drastisch wird in Weißrussland das Problem des Personalmangels. Internetressourcen informieren, dass beispielsweise das Minsker Traktorenwerk bereit sei, für jeden für die Produktion gewonnenen Beschäftigten zu bezahlen. In einer Internet-Anzeige, die durch das Unternehmen veröffentlicht wurde, heißt es: „Nachdem die neuen Mitarbeiter drei Monate ohne Verstöße gegen die Arbeits- und Produktionsdisziplin gearbeitet haben, erhalten Sie 500 Rubel. Für jeden“.

Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist der Personalmangel im Minsker Traktorenwerk ein noch nie dagewesener. Das Unternehmen braucht 2505 Facharbeiter. Die Praxis der Auszahlung von Vergütungen für die Gewinnung neuer Mitarbeiter ist kein Einzelfall. Angewandt wird sie zum Beispiel auch im Minsker Werk für Zugmaschinen.

Ausgehend von den oben ausgewiesenen Problemen könne nach Einschätzung des Forschungszentrums BEROC das Wirtschaftswachstum im kommenden Jahr 0 bis 1 Prozent ausmachen. Das Basis-Szenario sieht ein Wachstum des BIP um 1,2 Prozent vor. Und dies ist eine sehr optimistische Prognose. Sie wird nur aufgehen, wenn sich keinerlei neue Schwierigkeiten ergeben.

Derweil können für ein Scheitern solch eines Szenarios der weitere Preisverfall für Kalidünger, der Rückgang der Preise für Erdölprodukte sowie Störungen in den Logistik-Ketten, die praktisch alle mit Russland zusammenhängen, wirken. Dementsprechend befindet sich insgesamt die Wirtschaft Weißrusslands in einer völligen Abhängigkeit vom Zustand der russischen. „Die beste Variante ist eine Rückkehr zur Stagnation. Aber selbst dies ist nicht garantiert. Das Spektrum der Risiken und Gefahren ist so groß, dass man sich dieser Stagnation nicht sicher sein kann“, resümiert der Analytiker Dmitrij Kruk.

Im Übrigen scheint es, dass diese Risiken auch Alexander Lukaschenko begreift und nach Möglichkeiten sucht, sie zu umgehen. Daher haben die wirtschaftliche Erfolgsbotschaften ihn dazu veranlasst, eine überraschende Personalentscheidung zu treffen. Am 20. November gab der Präsident bekannt, dass er Wirtschaftsminister Alexander Tscherwjakow von seiner Funktion entbinde und zum Botschafter in China ernenne. Lukaschenko unterstrich, dass dieses Land neben Russland zu den wichtigsten Partnern gehöre. „Man hilft uns sowohl mit Spitzentechnologien als auch in finanzieller Hinsicht“. Das Staatsoberhaupt betonte, dass die Erfahrungen von Alexander Tscherwjakow erlauben würden, die Beziehungen mit China auf ein höheres Niveau zu bringen.

Bei der Kommentierung seiner Ernennung erklärte Tscherwjakow, dass das Staatsoberhaupt Aufgaben zur Beseitigung von Barrieren und zur Erhöhung des weißrussisch-chinesischen Warenaustauschs gestellt habe. „Dies ist der erste Block, der mit der Wirtschaft zusammenhängt“, sagte Tscherwjakow. „Der Präsident hat drei solcher Blöcke umrissen – den Handels- und Wirtschafts-, den politischen und den humanitären (Block). Hinsichtlich dieser drei Blöcke sind bestimmte Aufgaben gestellt worden. Aber der Dreh- und Angelpunkt ist die Wirtschaft. Die Anstrengungen werden in erster Linie darauf ausgerichtet, damit sich unsere Wirtschaftskontakte erweitern und vertiefen“.