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Russlands Regionen verkündeten Kampagne gegen Schwangerschaftsabbrüche


Die Verschlechterung der demografischen Situation hat die Erörterung unterschiedlicher Ideen, wie man die Geburtenrate anheben kann, aktiviert. Ins Visier genommen wurden die Schwangerschaftsunterbrechungen in kommerziellen medizinischen Einrichtungen. Hinsichtlich solcher Kliniken gibt es Beanstandungen aufgrund der Einhaltung der Gesetzgebung über diese Prozeduren. In der Regierung hat man faktisch den Übergang von Worten zu Taten sanktioniert. Im vergangenen Juli hatte bei einer Regierungsfragestunde in der Staatsduma (das russische Unterhaus – Anmerkung der Redaktion) der Gesundheitsminister der Russischen Föderation, Michail Muraschko, erklärt: „Es gibt Beanstandungen gegenüber den privaten medizinischen Einrichtungen, die nicht die (sogenannte) Woche der Stille beachten. Daher ist der Vorschlag, die Vornahme von Schwangerschaftsunterbrechungen in privaten Kliniken, nicht grundlos“.

In einigen Regionen hat man bis zum Jahresende begonnen, in der Praxis Restriktionen anzuwenden. In mehreren Subjekten der Russischen Föderation fingen Privatkliniken an, die Gewährung von Leistungen zur Unterbrechung einer Schwangerschaft zu verweigern. Dies erklärte man unter anderem in den Verwaltungsgebieten Tscheljabinsk, Kursk und Lipezk, in Tatarstan und auf der Krim. Regionale Offizielle unterstreichen, dass es um einen freiwilligen Verzicht gehe, aber man billige und fördere solche Entscheidungen.

In der Staatsduma diskutiert man derweil ein vollständiges föderale Verbot für die Durchführung von Schwangerschaftsabbrüchen in Privatkliniken. Die Volksvertreter hatten sich lange selbst angeschickt, solch einen Gesetzentwurf vorzubereiten. Doch ihnen sind die Parlamentarier aus dem Gebietsparlament von Nishnij Nowgorod zuvorgekommen, indem sie im Dezember ein entsprechendes Dokument auf den Tisch legten. Die Offiziellen der Region sind sich sicher, dass solch eine Maßnahme die demografische Situation im Land verbessern und die Anzahl der Fälle von Komplikationen, die sich im Zuge und nach einem Schwangerschaftsabbruch ergeben, verringern werde.

Außerdem hat man in einer Reihe von Regionen – in den Verwaltungsgebieten Twer, Kursk, Kaliningrad und Nowgorod sowie in Mordowien – ordnungsrechtliche Strafen wegen einer Animierung zu Schwangerschaftsabbrüchen eingeführt. Und das föderale Gesundheitsministerium hat – mit einem Aufschub um ein Jahr – den Vertrieb von Präparaten für eine medikamentöse Schwangerschaftsunterbrechung verschärft.

Einige Teilnehmer der Diskussionen machen die angeblich falschen Lebenseinstellungen der Frauen teilweise für die sinkende Geburtenrate verantwortlich. Die demografische Krise erklärt man damit, dass die Frauen die Geburt von Kindern auf die lange Bank schieben würden. Gesundheitsminister Muraschko bezeichnete es als eine verderbliche Praxis, wenn eine Frau davon überzeugt sei, dass sie zuerst eine Ausbildung erhalten, Karriere machen und sich eine materielle Basis sichern müsse. Und nur danach könne man ein Kind zur Welt bringen. Senatorin Margarita Pawlowa gab eine spektakuläre Erklärung ab, wonach man „aufhören muss, die Mädchen auf den Erhalt einer Hochschulausbildung zu orientieren“, denn aufgrund dessen „wird die Funktion des Kinderkriegens versäumt“.

Diese Entscheidungen und Erklärungen stießen auf eine zwiespältige Reaktion. Die Chefin des Oberhauses, des Föderationsrates, Valentina Matwijenko, betonte: „Keinerlei Verbote, Druck, ein Kampagne-Machen und eine Kriminalisierung der Gesetzgebung in diesem Bereich können dieses Problem lösen und werden es auch nicht können. Jetzt muss man die Hitze der Rhetorik verringern“.

Und Wladimir Putin erinnerte am 14. Dezember während seiner Pressekonferenz und Call-In-Show (Bürgerfragestunde – Anmerkung der Redaktion) an die traurigen Folgen der Verbote während der Anti-Alkohol-Kampagne. Die Lösung des demografischen Problems bestehe nach seinen Worten in einem Zuwenden zu den traditionellen Werten, von denen einer eine große Familie ist, und in der materiellen Seite der Frage – in einer Vervollkommnung der Maßnahmen zur Unterstützung der Familien mit Kindern.

Post Scriptum:

Freilich, allein mit materiellen Unterstützungsmaßnahmen für die entsprechenden Familien ist das Problem nicht zu lösen. Notwendig ist eine Entwicklung der Regionen, in denen der Bevölkerungsexodus am stärksten ist – konkret im Fernen Osten und in Sibirien. Auch ist die sogenannte Optimierung des Gesundheitswesens teilweise mehr als kritikwürdig. Und allein ein Setzen auf den Zustrom von Arbeitsmigranten aus anderen GUS-Republiken vermag nicht die demografische Krise zu überwinden. Experten konstatieren, dass er in Russland insgesamt etwas weniger als die Hälfte des natürlichen Bevölkerungsrückgangs kompensieren. Pawel Birjukow, Wirtschaftsexperte von der Gazprombank, ist der Auffassung, dass lediglich ein Drittel des natürlichen Bevölkerungsrückgangs die Arbeitsmigranten wettmachen würden, denn der schwache Rubel mache Russland zusehends uninteressanter für sie. Und ein anderer Aspekt ist, dass vor allem Männer über das Schicksal der Frauen und deren Rolle bei der Überwindung des Bevölkerungsrückgangs entscheiden. Da entsteht der Eindruck, dass die Meinung der Frauen an sich gar nicht erst gefragt wird.