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Das nichtmilitärische Sponsoring für Kiew – eine komplizierte Aufgabe für den Westen


Die regelmäßige Finanzierung der nichtmilitärischen Ausgaben der Ukraine ist für deren Geberländer eine schwierigere Aufgabe als die Waffenlieferungen aus den Militärdepots. Minister der Kiewer Regierung haben mehrfach erklärt, dass sie nicht wissen würden, mit welchen Geldern die Renten für zehn Millionen Rentner sowie die Löhne und Gehälter für zwei Millionen Arbeitnehmer aus den Bereichen, die aus dem Staatshaushalt finanziert werden, gezahlt werden können. Weder die Europäische Union noch die USA sind bereit, eine regelmäßige Finanzierung des ukrainischen Etats zu übernehmen. Und daher sind die Sponsoren Kiews bereit, lediglich Projekte für einen künftigen Sonderfonds oder eine Bank für Wiederaufbau zu erörtern. Kommerzielle Kredite kann Kiew nicht bezahlen. Und eine quasi-marktwirtschaftliche Finanzierung sieht bisher nebulös aus. „Wenn kein Mechanismus für einen Verkauf von Reparationsobligationen realisiert, wird Europa die zehn Millionen ukrainischen Pensionäre nicht unterhalten können“, meinen Experten.

Die Bank für den Wiederaufbau der Ukraine ist ein Fonds, der durch Kiew mit Hilfe des Investitionsunternehmens BlackRock und der Bank JPMorgan Chase gebildet wird. Er könne bereits in fünf bi sechs Monaten die Arbeit aufnehmen, berichtete Reuters. „Wir haben Verbindlichkeiten zu mindestens über 500 Millionen Dollar. Ich denke, dass es rund eine Milliarde an Verbindlichkeiten hinsichtlich des stimulierenden Kapitals sein werden“, sagte in der vergangenen Woche Rostislaw Schurma, stellvertretender Leiter des Office von Präsident Wladimir Selenskij, in Davos. In diesem Fall geht es um sogenanntes katalytisches Kapital, unter dem Investitionen verstanden werden, bei denen der Investor ein höheres Risiko übernimmt, vermutet die Nachrichtenagentur. Schurma berichtete, dass von den etwa 280 Projekten, die zum gegenwärtigen Zeitpunkt beim Fonds Anträge gestellt haben, nach Auffassung von BlackRock und JPMorgan 25 bis 30 Projekte geprüft werden könnten.

Seinerseits hatte der Vice Chairman beim Vermögensverwalter BlackRock, Philipp Hildebrand, in der letzten Woche gesagt, dass der Fonds im Laufe des Jahres arbeitsbereit sein könne. Jedoch sei es wichtig, dass für den Fonds Gelder von Entwicklungsbanken oder von den Hauptgeberländern für eine Verringerung des Risikos für die privaten Investitionen gewonnen werden.

„Wir werden bei Bestehen von mindestens flexiblen Verpflichtungen seitens der Geberländer bereit sein“, sagte Hildebrand, wobei er unterstrich, dass man die Mobilisierung von Anlagen von BlackRock, die vor allem aus Rentenfonds bestehen, die Risiken bis auf das Niveau der Länder verringern müsse, die zur Organisation für Wirtschaftszusammenarbeit und Entwicklung (OECD) gehören. „Diese Gelder können nicht in Unternehmen mit einem sehr hohen Risikograd investiert werden“, präzisierte er.

Doch der Erhalt auch dieser einen Milliarde Dollar kann auch fraglich werden. Die US-Sonderbeauftragte für die wirtschaftliche Erholung der Ukraine, Penny Pritzker, erklärte, dass immer noch viele Fragen darüber bleiben würden, „was heute möglich ist und was bestimmt in der Zukunft möglich sein wird“. Dabei unterstrich sie, dass es laut Aussagen von Vertretern von JPMorgan und BlackRock Interesse für einen Fonds zum Wiederaufbau der Ukraine seitens einiger perspektivreicher Investoren gebe, „die bereit sind, sich auf ein größeres Risiko einzulassen als beispielsweise ein gestandener Rentenfonds“. „Und natürlich gibt es individuelle Investoren, die sehr interessiert sind“, teilte P. Pritzker mit.

Zuvor hatte die ukrainische Finanzministerin Julia Swiridenko gewarnt, dass Kiew die Auszahlung von Löhnen und Gehältern für 500.000 Staatsangestellte und 1,4 Millionen Lehrer, aber auch der Renten für zehn Millionen Pensionäre aufschieben müsse. Swiridenko bekundete die Hoffnung, dass die EU ein neues Paket finanzieller Hilfe für die Ukraine im Februar billigen und Mittel bis Ende März bereitstellen werde. Dennoch werde dies dennoch unzureichend sein, wie sie betonte.

Laut Angaben der westlichen Presse sei im Haushalt der Ukraine für das Jahr 2024 ein Defizit von 41 Milliarden Dollar vorgesehen, das durch die finanzielle Unterstützung des Westens überbrückt werden soll.

Einen Teil des Haushaltsdefizits könnte Kiew wahrscheinlich auch durch die Gewinnung von Mitteln durch die sogenannten Reparationsobligationen überbrücken. Wie die Nachrichtenagentur Reuters meldete, könnte die Ukraine theoretisch bis zu 300 Milliarden Dollar durch solche Wertpapiere erhalten. Kiew könnte diese „Wertpapiere“ mit den Zusagen von Zahlungen an die Käufer zu Lasten künftiger Reparationen verkaufen. Die Käufer der neuen ukrainischen „Obligationen“ erhalten keine Rechte bezüglich der eingefrorenen Vermögen der Zentralbank der Russischen Föderation, die „zur wahrscheinlichsten Geldquelle für eine Kompensierung des Schadens“ werden. Wie Reuters schreibt, könne man für die Auszahlung sowohl der Hauptsumme der Obligationen als auch der Coupons die Zinsen nutzen, die hinsichtlich der eingefrorenen Reserven berechnet werden. Dabei räumt die Agentur ein, dass die Länder der Europäischen Union und die USA zuerst zustimmen müssten, diese ukrainischen „Wertpapiere“ zu erwerben. Hier aber kann es aber Schwierigkeiten geben. Schließlich werden die Obligationen solch riskante sein, dass die Investoren einen soliden Bonus fordern werden. Somit werde Kiew nichts erhalten, was kompletten 300 Milliarden Dollar ähnelt.

Die Reparationsobligationen sind nicht die einzige innovative Idee, damit Kiew neue Hilfe der Geberländer erhalten kann. Die westlichen Länder erörtern weiterhin die Möglichkeit einer Konfiszierung von auf Eis gelegten russischen Vermögen. Hierbei gibt es jedoch bisher keine einheitliche Auffassung. Anfang Januar wurde jedoch gemeldet, dass die Administration von US-Präsident Joseph Biden das Gesetz unterstütze, das erlaube, auf Eis gelegte russische Vermögenswerte zu konfiszieren. Das Weiße Haus begrüßt „vom Prinzip her“ solch eine Initiative. „Der Gesetzentwurf gewährt den Behörden Vollmachten, die für eine Beschlagnahmung russischer souveräner Vermögen im Interesse der Ukraine notwendig sind“, hieß es in einer Notiz des Nationalen Sicherheitsrates der USA für den Senatsausschuss für internationale Beziehungen.

Betont wird, dass das Weiße Haus diesen Schritt mit den Verbündeten in der G7 abstimmen möchte, besonders in Europa, wo sich auf Eis gelegte russische Vermögenswerte über eine Summe von 200 Milliarden Dollar befinden. Probleme bestehen auch mit der Bereitstellung von 50 Milliarden Euro aus dem Haushalt der Europäischen Union für Kiew. Zumal Kiew für einen Übergang zum Regime einer eigenständigen Finanzierung des eigenen Etats noch sehr weit entfernt ist.

Die Wirtschaft des Landes beendete das Jahr 2023 mit einem Wachstum von 4,6 Prozent nach einem Rückgang um 29 Prozent im Jahr zuvor, wird in dem neuen Bericht der UNO „Internationale Wirtschaftsperspektiven im Jahr 2024“ betont. Dabei war der Umfang der Agrarproduktion geringer als vor Beginn des Konfliktes. Und der Export von Getreide aus den ukrainischen Schwarzmeer-Häfen bleibt nach dem Ausstieg Russlands aus dem Getreide-Deal ein problematischer. (Ganz zu schweigen davon, dass Russland mehrfach die entsprechende Infrastruktur in den Häfen beschoss und beschädigte. – Anmerkung der Redaktion) In diesem Jahr erwarten die UNO-Wirtschaftsexperten eine erhebliche Kluft zwischen den prognostizierten Einnahmen und Ausgaben des ukrainischen Etats.

Entsprechend den Ergebnissen des Jahres 2023 belief sich das Haushaltsdefizit der Ukraine auf rund 35 Milliarden Dollar. Durch die Emission von Obligationen einer innerstaatlichen Anleihe bekam das Land im vergangenen Jahr beinahe 15 Milliarden Dollar, was zweimal mehr als im Jahr zuvor war, teilte Andrej Pyschnyj, der Chef der Nationalbank der Ukraine, mit. Zum Vergleich: Entsprechend den Ergebnissen des Jahres 2022 wurde der Etat der Ukraine mit einem Defizit von 24 Milliarden Dollar abgeschlossen.

Dabei hat die EU seit dem Jahr 2022 für die Unterstützung der Ukraine 85 Milliarden Euro bereitgestellt, wie im vergangenen Jahr EU-Außenbeauftragte Josep Borrell mitteilte. Die Unterstützung seitens der Vereinigten Staaten machte mehr als 100 Milliarden Dollar aus.

Die Führung der Ukraine verliert nicht die Hoffnung, dass letztlich die Deutschen und Franzosen die ukrainischen Rentner und sozial schwachen Bürger unter ihre Fittiche nehmen, nimmt der Politologe Oleg Malzew an. „Man muss aber den Stimmungen jener Bürger der europäischen Länder Gehör schenken, die müde geworden sind und die Ukraine nicht aushalten wollen. Solch eine Position gewinnt an Popularität. Obgleich sie auch der Politik der Führung mehrerer europäischer Länder widerspricht. Die Ressourcen der europäischen Länder sind jedoch nicht grenzenlos. Und sie werden wohl die Ukraine aushalten können“, urteilt er.

„Wenn der Mechanismus für den Verkauf von Reparationsobligationen nicht realisiert wird, wird Europa die zehn Millionen ukrainischen Pensionäre nicht unterhalten können. Folglich ist die Situation für die Ukrainer einer ausweglosen nahe“, meint Dozent Denis Perepeliza vom Lehrstuhl für internationale Finanzmärkte der Russischen Plechanow-Wirtschaftsuniversität.

Post Scriptum

Das Wall Street Journal berichtete derweil unter Berufung auf ukrainische Beamten und Wirtschaftsexperten, dass Kiew bereits mit dem Gedanken spiele, schmerzhafte Wirtschaftsmaßnahmen zu ergreifen und die Gelddruckmaschinen in Gang zu setzen. Als Grund wird dabei der Pessimismus genannt, der sich angesichts dessen breitmache, dass die USA und die EU in den nächsten Monaten nur unzureichend finanzielle Hilfe leisten werden.