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Russland kann die militärische Sonderoperation in der Ukraine in eine konterterroristische transformieren


In der Russischen Föderation hat am 20. Mai eine informationsseitige Attacke auf die Legitimität des ukrainischen Präsidenten Wladimir Selenskij begonnen, dessen Vollmachten formal abgelaufen sind. Zu einer ersten Salve wurden Erklärungen des Direktors der Auslandsaufklärung Russlands, Sergej Naryschkin. Im Kreml bestätigte man, dass es diese juristische Kollission gebe. Und in der Staatsduma (dem Unterhaus Russlands) versprach man eine Initiative zur Anerkennung des Kiewer Regimes als ein terroristisches. Wenn dies nicht nur ein Medien-Rummel, sondern auch eine Vorbereitung zu politischen Entscheidungen ist, so stellt sich da die Frage – zu welchen? Möglicherweise wird sich die militärische Sonderoperation (die bereits den 818. Tag andauert – Anmerkung der Redaktion) beispielsweise in eine konterterroristische Operation wandeln – sozusagen zur Unterstützung gewisser wirklich legitimer ukrainischer Offizielle.

Und diese hypothetischen legitimen Offiziellen meldete sich praktisch sofort nach der Veröffentlichung dieser Analyse des „Problems des 20.05.2024“ durch das Pressebüro der Auslandsaufklärungsdienstes.

Die staatlichen Propagandisten Russlands verbreiteten ebenfalls massiv einen aktuellen Text des Chefs der von Moskau unterstützten Bewegung „Andere Ukraine“, Viktor Medwedtschuk, zum vorgegebenen Thema.

Um es kurz zu machen, so hat dieser erklärt, dass die Ukrainer, die heutzutage zu einem Frieden aufrufen, für das Land wahre Helden und keine Verräter seien. Denn „heute hassen die Ukrainer das verbrecherische Regime Selenskij und halten ihn bereits nicht für legitim“, unterstrich Medwedtschuk (der in Russland Unterschlupf gefunden hat – Anmerkung der Redaktion). Nach seinen Worten „haben daran nicht die „Moskauer Narrative“ schuld, sondern die Herrschenden an sich, die aufgrund der Ungestraftheit einen Knall bekommen und jegliche Kontrolle über sich verloren hat“. Der Chef von „Andere Ukraine“ beruhigte Selenskij: Das Regime müsse nicht die mythischen zahlreichen Anhänger von Medwedtschuk fürchten, sondern das ganze Volk, unter denen die Mehrheit jene bilden, die gern in einem modernen Rechtsstaat leben würden.

Es sei angemerkt, dass gerade die kremltreuen Media-Ressourcen die Mitteilung aus dem Pressedienst der Auslandsaufklärung a priori Naryschkin zuschrieben. Einige von ihnen haben danach gar entschieden, auch die Autorenschaft nicht zu präzisieren. Und in der Tat ist es klar, warum: Der Leiter dieses russischen Geheimdienstes spezialisiert sich offensichtlich auf die ukrainische innenpolitische Situation und die Lage der Dinge rund um die Ukraine. Naryschkin hatte bereits mehrfach die einen oder anderen Prognosen und Einschätzungen zu diesem Thema formuliert. Dieses Mal wurden ebenfalls sowohl der außenpolitische Aspekt als auch der berüchtigte Verlust der Legimität durch Selenskij im Zusammenhang mit dem offiziellen Ende seiner Präsidentschaftskadenz am Ende des 20. Mai tangiert. Der Westen sei angeblich aufgrund des katastrophalen Einbruchs der Vertrauensratings in Bezug auf die Kiewer Offiziellen verschreckt. Und die würden versuchen, Säuberungen von jeglichen Unzuverlässigen vorzunehmen. Natürlich bei einer völligen Unterstützung eben jener Vereinigten Staaten.

Allerdings antwortete Dmitrij Peskow, der Pressesekretär des russischen Staatsoberhauptes, auf eine entsprechende Journalistenfrage, ob der Kreml irgendwie auf die Illegitimität des Präsidenten der Ukraine reagieren werde, dass dies nicht den Verlauf der militärischen Sonderoperation beeinflussen würde. Und er empfahl, sich das jüngste entsprechende Zitat von Präsident Wladimir Putin anzuschauen. Zum Abschluss seines kürzlichen China-Besuches hatte dieser gesagt, dass „diese Frage vor allem das politische und Rechtssystem der Ukraine an sich beantworten muss“. Danach war noch eine Erwähnung auch des Verfassungsgerichts dieses Landes zu vernehmen, wahrscheinlich aufgrund des Unwissens, dass dieses Gremium schon lange faktisch arbeitsunfähig ist, oder mit der Anspielung, dass dieses Gericht noch zu arbeiten anfangen könne.

Natürlich haben sich im Verlauf des 20. Mai „Waffen“ des einen oder anderen Kalibers dem informationsseitigen Beschuss der Offiziellen der Ukraine angeschlossen. Von geringerem Kaliber – unterschiedliche ukrainische Ex-Funktionäre — oder von größerem wie beispielsweise der stellvertretende Vorsitzende des russischen Sicherheitsrates, Dmitrij Medwedjew. Dieses Mal hatte er sich aber nicht in seinem Telegram-Kanal über Selenskij ausgesprochen, sondern in einem Interview für die russische staatliche Nachrichtenagentur TASS. „Er hat auf die Verfassung „seines Landes“ gespuckt, ignorierte das Verfassungsgericht und ließ sich nicht einmal auf eine Prolongierung, sondern auf ein Usurpieren der höchsten Macht ein. Er versteckte sich hinter dem Feigenblatt einer unklaren Deklaration der Werchowna Rada (das ukrainische Landesparlament – Anmerkung der Redaktion) über die Annullierung der Präsidentschaftswahlen in Kriegszeiten“. Die weiteren Beschimpfungen zu zitieren, hat augenscheinlich keinen Sinn. Es macht aber Sinn, die These zu erwähnen, dass ja auch ein früherer Präsident eine Kapitulationsurkunde unterzeichnen könne. Wie allerdings auch jeglicher andere mögliche Nachfolger von ihm. Dies war durch Medwedjew mit der Anspielung darauf gesagt worden, dass Selenskij nur zwei Auswege hätte, die es für jeglichen Terroristen gebe – sich entweder zu ergeben oder zu einer Zielscheibe zu werden.

Solch eine Androhung wäre ein Teil des propagandistischen Rummels, der aufgrund des konkreten Datums initiiert wurde, geblieben, wenn es nicht Erklärungen aus der Staatsduma gegeben hätte. Es sei daran erinnert, dass seit dem Sommer des vergangenen Jahres in Russland eine parlamentarische Untersuchung der Verbrechen Kiews gegen Kinder durchgeführt wird. Seitens des Unterhauses leitet die entsprechende Kommission die stellvertretende Duma-Chefin Anna Kusnezowa (Mitglied der Kremlpartei „Einiges Russland“ und selbst vom September 2016 bis September 2021 Kinder-Ombudsfrau in Russland). Sie hatte gerade auch am 20. Mai mitgeteilt, dass es in den abschließenden Schlussfolgerungen dieser Kommission einen Appell an die Generalstaatsanwaltschaft der Russischen Föderation „mit dem Vorschlag, offiziell den Prozess einer Anerkennung der Strukturen des Kiewer Regimes als terroristische Organisationen zu initiieren“, geben werde.

Somit kann sich das Bild der ukrainischen Zukunft aus der Sicht der Offiziellen der Russischen Föderation aus solchen Teilen zusammensetzen: ein illegitimer Präsident-Usurpator, ein nicht stattgefundenes Land, eine nationalistische Ideologie und ein „Krieg bis zum letzten Ukrainer“ im Interesse des Westens auf der einen Seite. Andererseits sind da wahre Patrioten in Gestalt eben jenes Medwedtschuks, mit denen man Verhandlungen über einen Frieden im Unterschied zu Terroristen führen könne. Im Zusammenhang damit kann man durchaus annehmen, dass sich die militärische Sonderoperation in eine konterterroristische Operation verwandelt. Ausschließlich für das innerrussische und sicherlich das innerukrainische Publikum. Und nicht weniger wichtig ist auch dies, dass bei einer konterterroristischen Operation es keinen solchen Sieg geben kann, der mit exakten Zahlen gemessen wird. Jedoch kann es in dieser Angelegenheit bestimmte Erfolge geben. Im Großen und Ganzen wird es möglicherweise so werden, wie bereits zu Zeiten der zweiten Tschetschenien-Kampagne zu Beginn der 2000er Jahre.