In Tadschikistan ist ein Gesetz verabschiedet worden, das das Tragen von Hijabs und Gesichtsschleiern durch Frauen untersagt. Das Oberhaus des Parlaments von Tadschikistan billigte den Gesetzentwurf „Über eine Neuordnung der Traditionen und Riten“. Das Oberhaupt der mittelasiatischen Republik, Emomali Rachmon, unterzeichnete ihn am Donnerstag. Somit tritt das Gesetz in Kraft. Mit der Verabschiedung dieses Gesetzes streben die Offiziellen an, das nach dem Terrorakt im Konzerthaus „Crocus City Hall“ am Stadtrand von Moskau erschütterte Image eines weltlichen Staates zu festigen sowie sich einer Unterstützung Russlands, Chinas und des Westens zu versichern.
Tadschikistans Offizielle hatten vor mehr als zehn Jahren den Kampf gegen Extremismus, Terrorismus und eine Radikalisierung der Gesellschaft begonnen. Damals erfolgte im Land auch eine Neuregistrierung der Moscheen und Medressen, von denen ein Teil als illegal anerkannt und geschlossen wurden. Schon damals hatte dies eine ernsthafte Resonanz ausgelöst.
Gleichzeitig begannen Verbote für das Tragen von Bärten für Männer und von Hijabs für Frauen. Seit 2016 wird Tadschikistan in der „Black List“ der Länder ausgewiesen, die die religiösen Freiheiten verletzen.
Aber bis zum heutigen Tag hatte man darüber, dass ein Dress-Code einzuhalten sei, dass man nicht mit einem Bart oder in Hijabs an öffentlichen Orten auftauchen dürfe, mündlich gewarnt. Über Gesetzesänderungen, die „fremde“ Bekleidung verbieten würden, hatte man im März dieses Jahres angefangen zu reden, nach einem Treffen von Tadschikistans Präsident Emomali Rachmon mit dem Klerus. „Das Nachahmen einer fremden Kultur in der Kleidung, das heißt das Tragen fremder Kleidung mit dem Namen „Gesichtsschleier“ und „Hijab“ ist noch ein aktuelles Problem für unsere Gesellschaft. Eine Entfremdung der Etikette und der Kleidungsrituale – eine kulturelle Entfremdung – untergräbt die Unabhängigkeit der Gedanken, die nationale und kulturelle Eigenständigkeit der Nation“, hatte damals das Staatsoberhaupt erklärt.
Die neue Gesetzesvorlage, die im Bulletin „Sadoi mardum“ veröffentlicht wurde, wurde zum Gegenstand heftiger Diskussionen und löste eine widersprüchliche Reaktion in der Gesellschaft aus. Nach Meinung des tadschikischen Lyrikers und Journalisten Temur Varki seien sich die Offiziellen, indem sie das Gesetz über ein Verbot von Hijabs verabschieden, über die Risiken im Klaren, denen sie sich und die innenpolitische Situation im Land aussetzen. „Die Implementierung des Gesetzes löste eine widersprüchliche Reaktion in der Gesellschaft aus, indem sie in mehrere Lager gespalten wurde. Ein Teil der Bürger, die sich an die islamischen Traditionen halten, fasst das Gesetz als einen Angriff auf ihre Rechte und eine Kränkung der religiösen Gefühle auf. Der weltliche Teil der Gesellschaft kritisiert das Gesetz aus der Sicht einer Verletzung der Menschenrechte und eines Eindringens des Staates in das Privatleben. Es gibt auch aber dritte, die die Handlungen der Offiziellen unterstützen“, betonte Varki in einem Gespräch mit der „NG“. Doch deren Meinung ist eine geschlossene: Das Gesetz verschafft den Offiziellen Hebel für eine Kontrolle in praktisch allen Bereichen des Lebens, von der Auswahl des Vor- und Nachnamens bis zur Durchführung von Hochzeiten und Beisetzungen.
Der Gesprächspartner der „NG“ lenkte die Aufmerksamkeit auf einen Präzedenzfall, in dem es in einer Familie Frauen gibt, die Hijabs tragen, und jene, die europäische Kleidung bevorzugen. „In der Familie gibt es einen Konsens. Warum kann da der Staat diesen Konsens in der Gesellschaft nicht einhalten?“, fragt sich Temur Varki.
Einen besonderen pikanten Charakter verleiht der Situation die Tatsache, dass es unter den Staatsbeamten und der Parteielite nicht wenige jener gibt, deren Frauen Hijabs tragen. Unklar bleibt, ob sich das Gesetz auf sie erstrecken wird. Es ergibt sich die Frage: Warum hat sich Rachmon gerade jetzt zu diesem Schritt entschlossen?
„Derartige Initiativen hatte es auch früher gegeben, vor mehr als zehn Jahren. Aber damals war die Gesellschaft eine freiere. Daher hatte man die Verabschiedung des Gesetzes aufgeschoben. Heute aber, unter den Bedingungen des sich herausgebildeten harten totalitären Systems, ist es wenig wahrscheinlich, dass die Menschen zu Protesten kommen werden“, meint Varki. „Man kann aber mit Gewissheit sagen, dass die Offiziellen die Nichteinverstandenen verfolgen werden, wie dies bereits in der Geschichte Tadschikistans gewesen war. Verfolgungen und das Bedürfnis werden zur Ursache einer Emigration, darunter einer politischen. Aber der Trick besteht darin, dass sowohl jene, die bleiben, als auch jene, die sich für islamische Länder entscheiden, zu einer leichten Beute radikaler Recruiter (Werber) werden, die sie auf die Handlungen der Offiziellen hinweisen und mit ihren religiösen Gefühlen spielen. Rachman gibt allen Grund: Er initiiert und heizt eine Radikalisierung an, mehrt und verbreitet sie. Er ist in eine Falle geraten und führt uns in einen Abgrund, wobei er gezwungen ist, selbst immer stärker die Daumenschrauben anzuziehen“.
Allerdings ist der Experte der Auffassung, dass eine Verbreitung weltlicher Prinzipien in Tadschikistan durch den Westen unterstützt werde. Und wenn sich die Frage nach der Entscheidung des Staatsoberhauptes ergibt, so wird der Westen natürlich Rachmon oder seinen Protegé mit seinem weltlichen Kurs unterstützen.
„Die Befürchtungen der Staatsbeamten Tadschikistans sind verständlich: „Fremde“ Kleidung, dies sind fremde Gedanken und ein Merkmal religiösen Radikalismus. Aber die Kultur des Islams hat sich nirgendwohin verflüchtigt, sie war stets bei sich zu Hause und lebt entsprechend den Gesetzen, die das Parlament verabschiedet. Zu offiziellen Veranstaltungen in Duschanbe gehen die Frauen ohnehin nicht in Hijabs. Es gibt einen Dress-Code in den Schulen und Hochschulen. In der Kultur des Ostens dominiert aber überhaupt eine Priorität in den religiös-ethischen Traditionen und Grundsätzen, ein Konservatismus. Meiner Ansicht nach würde es mehr Nutzen durch die Erläuterungen geben, warum der Import den Export um ein Mehrfaches übersteigt und warum das Land gezwungen ist, den Verkauf von Gold zu erhöhen, während die Geldüberweisungen der Arbeitsmigranten zurückgehen“, sagte der „NG“ Andrej Sachwatow, Experte für Zentralasien.
Derweil hat die Liga der moslemischen Wissenschaftler laut Meldungen tadschikischer Medien das tadschikische Gesetz verurteilt. Und einige extremistische Geistliche in Afghanistan haben sogar einen „Dschihad“ als Antwort auf das Verbot der Hijabs in der Republik erklärt.