Vor dem Hintergrund der weiteren Erfüllung der Aufgaben in der Zone der militärischen Sonderoperation wird Russland augenscheinlich seine Sicherheit in der gesamten westlichen strategischen Richtung gewährleisten müssen. Präsident Wladimir Putin betonte in seiner Ansprache bei der Hauptparade der Seekriegsflotte in Petersburg am Sonntag, dass die Russische Föderation symmetrisch auf die Entfaltung und Stationierung amerikanischer Mittel- und Kurzstreckenraketen in Europa und anderen Regionen der Welt reagieren werde. „Heute befindet sich die Entwicklung einer Reihe solcher Systeme bei uns in der abschließenden Phase“, sagte der Kremlchef.
Über Pläne zur Stationierung amerikanischer Raketen großer Reichweite auf dem Territorium Deutschlands im Jahr 2026 hatten Berlin und Washington beim jüngsten NATO-Jubiläumsgipfel in den USA informiert. Die Ernsthaftigkeit solcher Pläne bestätigte wenig später Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius, der überdies erklärte, dass Deutschland selbst derartige weitreichende Komplexe entwickeln werde. Und augenscheinlich hatte das russische Staatsoberhaupt nicht zufällig erklärt, dass im Falle eines Auftauchens solcher Mittel- und Kurzstreckenraketen in Deutschland oder anderen Ländern Moskau das einseitige Moratorium für die Stationierung derartiger Mittel auf dem eigenen Territorium aufgebe, was auch für eine „Erweiterung der Möglichkeiten der Küstentruppen unserer Seekriegsflotte“ gilt. Putin erinnerte daran, dass die USA zuvor im Verlauf von Manövern bereits eine Verlegung von Raketenkomplexen von ihrem Territorium nach Dänemark und auf die Philippinen trainiert hätten. „Solch eine Situation erinnern an die Ereignisse aus den Zeiten des Kalten Krieges, die mit der Stationierung amerikanischer Pershing-Mittelstreckenraketen in Europa zusammenhingen“, sagte er.
„Über die Möglichkeit eines Aussetzens des Moratoriums für das Wirken des INF-Vertrages und eine symmetrische Antwort darauf für die USA und anderen NATO-Länder hat Moskau mehrfach gesprochen“, sagte der „NG“ der Militärexperte und Generalleutnant im Ruhestand Jurij Netkatschjow. Erstmals aber habe Wladimir Putin erklärt, dass an solch einem Prozess Küsten- (das heißt Landstreit-) Kräfte der Seekriegsflotte teilnehmen würden. Und in ihrem Bestand sind m. E. entsprechende Truppenteile und Verbände, die zum Beispiel mit den Küsten-Raketenkomplexen „Bastion“ bewaffnet sind. Laut offenen Angaben sind diese Komplexe im Jahr 2010 in die Bewaffnung aufgenommen worden und in der Lage, mit der Anti-Schiffsrakete P-800 „Onyx“/„Jahont“ (deutsch: „Rubin“) Ziele in einer Entfernung von bis zu 800 Kilometern zu vernichten. Die Küsten-Raketenkomplexe existieren in einer mobilen Variante und sind auf dem Festland bereits unter Gefechtsbedingungen in Syrien und in der Ukraine eingesetzt worden. Dabei können die „Bastion“-Komplexe mit der hochpräzisen perspektivreichen Hyperschall-Anti-Schiffsrakete „Zirkon“ ausgerüstet werden, die vor etwas mehr als einem Jahr in die Bewaffnung aufgenommen wurde. „Ihre Reichweite beträgt mehr als 1000 Kilometer, und die Geschwindigkeit – bis zu neun Mach (mehr als 11.000 Kilometer in der Stunde). Das heißt, vom Territorium der Ostseeküste der Russischen Föderation bis zu den meisten Objekten in Europa, wo die amerikanischen Kurz- und Mittelstreckenraketen stationiert werden, können diese Raketen in weniger als zehn Minuten fliegen“, erklärte der General.
„Zirkon“-Raketen befinden sich auf den Fregatten „Admiral Golowko“ und „Admiral Gorschkow“ (befindet sich gegenwärtig in Havanna). Mit „Zirkon“-Raketen bestückt sind gleichfalls einige Atom-U-Boote des Projekts 885M „Jasen-M“. „Mit Hilfe der Hyperschallraketen sind sie in der Lage, Drohungen Paroli zu bieten, die mit der Entwicklung, Herstellung und Stationierung amerikanischer Mittel- und Kurzstreckenraketen verbunden sind“, meint Netkatschjow. Er schloss den Einsatz dieser Waffen in der Zone der militärischen Sonderoperation Russlands in der Ukraine nicht aus.
„Unter den perspektivreichen russischen Entwicklungen auf dem Gebiet der Mittel- und Kurzstreckenraketen wurde im Westen ebenfalls der modernisierte operativ-taktische Raketenkomplex „Iskander-M“ genannt“, erinnerte der Experte. Seine hochpräzise Rakete vom Typ 9M729 sei in der Lage, wie offizielle Vertreter der USA erklärten, über 500 Kilometer weit zu fliegen. Es ist nicht ausgeschlossen, dass gerade diese Rakete in das Verzeichnis der gegenwärtig zu entwickelnden Waffen, die den Kriterien von Mittel- und Kurzstreckenraketen entsprechen sollen und von denen Wladimir Putin bei der Parade am Tag der Seestreitkräfte (am vergangenen Sonntag) gesprochen hatte, aufgenommen wurde. Der Experte verwies auf die hohen Parameter der Vernichtungsfaktoren der Raketen-Modifikationen für die „Iskander-M“, die in der Zone der militärischen Sonderoperation eingesetzt werden. „Am 26. Juli vernichteten die Streitkräfte der Russischen Föderation mit einem „Iskander“-Schlag in Werkhallen des Kramatorsker Maschinenbaubetriebes feindliche Startanlagen für reaktive Raketenwerfer des Typs M142 „HIMARS“, für „Grad“-Raketen und Munition für diese. Am 25. Juli – rund 50 ausländische Ausbilder an einem Dislozierungspunkt für Söldner in Dergatschi des Verwaltungsgebietes Charkow. Am 25. Juli wurden mit „Iskander-M“-Raketen Abteilungen des Panzerwerkes von Charkow getroffen. Und am 23. Juli – ein US-amerikanisches System HIMARS im Verwaltungsgebiet Nikolajew. Diese Startanlage war im Bereich der Siedlung Nowopetrowka disloziert gewesen, von wo aus von ukrainischen Militärs gestartete Raketen sowohl bis zum Verwaltungsgebiet Cherson als auch bis zur Krim fliegen konnten“, teilte Netkatschjow mit (wobei er sich auf Meldungen des russischen Verteidigungsministeriums berief, die nicht aus anderen Quellen bestätigt wurden – Anmerkung der Redaktion).
Laut Meldungen des russischen Verteidigungsministeriums und Statements unabhängiger ausländischer Experten nach zu urteilen hat Russland weiterhin die Initiative entlang der gesamten Frontlinie im Bereich der militärischen Sonderoperation in seinen Händen. „The Washington Post“ konstatiert, dass „die Streitkräfte der Russischen Föderation effektiv die Taktik anpassen und erhebliche Erfolge an der Front erzielen. Eine neue Offensive im Verwaltungsgebiet Donezk erfolgt unter den Bedingungen einer Erschöpfung der ukrainischen Streitkräfte, einer drückenden Hitze und einer Unbestimmtheit im Zusammenhang mit den anstehenden Wahlen in den USA“. Dabei meldet die Zeitung „Die Welt“, dass „die russischen Truppen täglich die Streitkräfte der Ukraine bedrängen und in die Tiefe der Ukraine vorrücken“. Wie Russlands Verteidigungsministerium am 28. Juli meldete, hätten die russischen Truppen die Ortschaften Progress und Jewgenowka in der Donezker Volksrepublik eingenommen. Diese Orte befinden sich im Gebiet einer Bahnstrecke unweit des Flusses Woltschja. Die Entfernung von ihnen bis Awdejewka, dass die Streitkräfte der Russischen Föderation bereits im Februar dieses Jahres unter ihre Kontrolle brachten, beträgt rund 25 Kilometer. Somit ist innerhalb von fünf Monaten der Offensive bereits kein taktischer, sondern ein operativer Erfolg der russischen Truppen erzielt worden.