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Die USA haben sich ausgedacht, wie man Armenien für 60 Jahre an sich binden kann 6


Armeniens Regierung hat ein Unternehmen für die Errichtung eines AKW in der Republik gegründet. Seine Mitarbeiter sollen unter anderem Angebote auf dem Markt prüfen und das beste Projekt auswählen. Für die Realisierung des gestellten Ziels sind dem Unternehmen anderthalb-zwei Jahre Zeit und ein Jahresetat von etwas mehr als zwei Millionen Dollar zur Verfügung gestellt worden. Im Weiterem wird das Unternehmen für die gesamte Dokumentation verantwortlich sein, die für den Bau des Kernkraftwerkes erforderlich ist.

Gegenwärtig funktioniert in Armenien ein AKW in der Stadt Mezamor. Es sollte im Jahr 2017 stillgelegt werden, doch die Betriebsdauer wird ständig verlängert. Das Funktionieren dieses Kraftwerks hängt vom russischen Staatskonzern „Rosatom“ ab. Im Dezember vergangenen Jahres unterzeichnete die Regierung Armeniens mit dem russischen Staatsunternehmen ein Abkommen über die Modernisierung und Rekonstruktion des AKW mit einem Wertumfang von 65 Millionen Dollar, um es bis zum Jahr 2036 in einem betriebsfähigen Zustand zu halten. Danach muss es außer Betrieb genommen werden.

Das AKW in Mezamor deckt rund 30 Prozent des Energiebedarfs von Armenien und erlaubt dem Land sogar, einen Teil des erzeugten Stroms nach Georgien und in den Iran zu exportieren. Derweil fordern Aserbaidschan und die Türkei, das Objekt abzuschalten, wobei sie auf Gefahren für die Sicherheit hinweisen. Außerdem hatte im Jahr 2018 der stellvertretende Leiter der Abteilung „Östliche Partnerschaft“ im Auswärtigen Dienst der EU, Dirk Lorenz, erklärt, dass es unmöglich sei, das armenische AKW so sehr zu verbessern, dass es zu einem sicheren wird.

Es sei daran erinnert, dass sein erster Reaktor 1976 angefahren wurde, den zweiten schloss man 1980 ans Netz. Das verheerende Erdbeben von 1988 in Spitak hatte das Kraftwerk nicht beschädigt, doch nach der Tschernobyl-Katastrophe von 1986 beschlossen die sowjetischen Offiziellen, es doch stillzulegen. Zu Beginn der 1990er spielte dies eine wichtige Rolle bei der sozial-ökonomischen Katastrophe der Republik. Im Zusammenhang mit dem ersten Bergkarabach-Krieg hatten die aserbaidschanischen Offiziellen aufgehört, Gas nach Armenien zu liefern. Es kam zu einer humanitären Krise, die eine Vielzahl von Armenier veranlasste, die Heimat zu verlassen. In den ersten Jahren nach dem Zusammenbruch der UdSSR verlor der erste Reaktorblock seine Funktionstüchtigkeit. Aber 1995 vermochte Jerewan doch den zweiten Reaktor anzufahren, der mit einer Leistung von 93 Prozent seiner ursprünglichen Möglichkeiten arbeitet und in der Lage ist, maximal 1240 Megawatt im Jahr zu erzeugen.

Die Behörden prüfen Angebote für die Errichtung eines neuen AKW aus China, Russland, Südkorea, Frankreich und den USA. Dabei macht man sich in der Republik darüber Sorgen, wie leistungsstark das neue Kraftwerk sein kann. So können die Amerikaner ein Kraftwerk entsprechend dem Modulprinzip mit einer Leistung von bis zu 300 Megawatt im Jahr errichten. In Jerewan betont man freilich, dass es sicherer als ein gewöhnlicher Kernreaktor sein könne. Seinerseits hat „Rosatom“ vorgeschlagen, ein Kernkraftwerk mit jeglicher Leistung von 50 bis 1000 Megawatt zu errichten, wobei einzelne Blöcke mit einer Leistung von jeweils 50 Megawatt genutzt werden.

Bemerkenswert ist, dass das gegenwärtige AKW nicht die einzige Energiequelle in Armenien ist. Doch ein Großteil der armenischen Stromerzeugung wird in der einen oder anderen Weise durch Moskau kontrolliert. Unter anderem gehört der aus Sowjetzeiten stammende Komplex aus sieben Wasserkraftwerken, der als Sewan-Rasdan-Kaskade bekannt ist, der in Russland ansässigen Unternehmensgruppe „Taschir“, bei dem es sich um ein Konglomerat unter der Kontrolle des russischen Milliardärs armenischer Herkunft Samwel Karapetjan handelt. Ungeachtet des schlechten Zustands dieser alternden Kraftwerke, wie berichtet wird, erzeugen sie nach wie vor rund zehn Prozent der Elektroenergie Armeniens.

„Taschir“ besitzt gleichfalls das nationale Stromversorgungsunternehmen „Elektrische Netze Armeniens“, aber auch das Rasdaner Wärmekraftwerk mit einer Leistung von ca. 400 Megawatt im Jahr. Dabei arbeitet dieses Kraftwerk auf der Basis von Erdgas, das durch GAZPROM nach Armenien geliefert wird. Der russische Gaskonzern besitzt auch das Gasversorgungsnetz Armeniens inkl. der Pipeline, die bis in den Iran verläuft.

Es gibt aber auch zwei deutliche Ausnahmen: die Vorotan-Kaskade von Wasserkraftwerken im südlichsten Verwaltungsgebiet Armeniens, in der Region Sjunik, und das Jerewaner Wärmekraftwerk, das im Jahr 2021 in Betrieb genommen wurde. Das erste Objekt gehört letztlich dem US-amerikanischen Investitionsunternehmen KKR und das zweite – Armenien.

Grant Mikaeljan, wissenschaftlicher Mitarbeiter des Kaukasus-Instituts, erklärte der „NG“, dass dank „Rosatom“ und der Europäischen Union das Risiko einer Havarie im AKW Mezamor mit einem Störfall in 50.000 Jahren eingeschätzt werde, doch der verbliebene Reaktorblock sei dennoch moralisch und physisch stark veraltet. Nach 2036 werde man ihn endgültig abschalten.

„Armenien möchte nicht ohne ein AKW bleiben. Dabei geht es unter anderem um den Wunsch, den politischen Status des Landes nicht zu ruinieren. Was die Stromerzeugung angeht, so braucht die Republik jetzt nicht so viel Strom, wie Mezamor liefert. In der Zukunft kann sich jedoch vor dem Hintergrund der Zunahme der Anzahl von E-Autos und der Entwicklung des Computer-Bereichs, des Verzichts auf fossile Energiequellen usw. die Situation verändern“, betonte Mikaeljan.

Nach Aussagen des Experten galt ursprünglich das Angebot von „Rosatom“ aus der Sicht des Preises, der Technologien und des Umfangs der Stromerzeugung als attraktivstes, jetzt aber würden die armenischen Offiziellen zur amerikanischen Variante tendieren. Was immer auch passieren möge, das neue Kraftwerk wird an der Stelle des sowjetischen entstehen.

„Davon, welches Land das AKW errichten wird, wird abhängen, mit wem Jerewan etwa bis zum Jahr 2080 verbunden sein wird. Die Sache steht und fällt dabei aber nicht nur im Zusammenhang mit der Errichtung des Kraftwerks. An dieses muss Uran geliefert werden, wobei es zwischen russischem und amerikanischem einige Unterschiede gibt. Allerdings hat Armenien gegenwärtig kein Geld für den Bau. Und es ist unklar, woher es dieses nehmen will. Vorerst haben wir es eher mit politischen Gesprächen, denn mit finanziell untersetzten technischen Lösungen und Entscheidungen zu tun“, resümierte Mikaeljan.