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Scholz bringt Business-Partner nach Zentralasien


Deutschlands Bundeskanzler Olaf Scholz unternimmt seine erste Reise nach Zentralasien, wird vom 15. bis einschließlich 17. September Usbekistan und Kasachstan besuchen sowie am zweiten Treffen im Format „Z5 + 1“ bzw. „Z5 + Deutschland“ teilnehmen. Nach Aussagen des Sprechers der Bundesregierung, Steffen Hebestreit, werde es bei Gesprächen um eine Erweiterung der Zusammenarbeit mit Usbekistan und Kasachstan – entscheidenden Partnern Deutschlands in der Region – gehen. „Wir streben nach einer Vertiefung der Kooperation mit ihnen, besonders in den Bereichen Wissenschaft, Wirtschaft, Energiewirtschaft, Kommunikation und Rohstoffe“, sagte Hebestreit. Den Kanzler wird eine große und hochrangige Wirtschaftsdelegation begleiten.

Berlin hatte vor einem Jahr den ersten Gipfel „Zentralasien – Deutschland“ durchgeführt (am 29. September 2023 mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier – Anmerkung der Redaktion), in dessen Ergebnis ein Abkommen über eine strategische regionale Partnerschaft abgeschlossen wurde. Daher wird der anstehende Besuch von Olaf Scholz in der Region der Realisierung gemeinsamer Vorhaben gewidmet sein. Während des Berliner Gipfeltreffens waren Schlüsselbereich für die Zusammenarbeit bestimmt worden – die Wirtschaft, Energetik und Naturressourcen. Eines der Hauptziele der Bundesrepublik besteht in der „Erhöhung der Stabilität der zentralasiatischen Staaten gegenüber Krisen“, sagen deutsche Experten.

Das neue Format „Zentralasien + Deutschland“ überschneidet sich mit einem anderen – „Zentralasien – Europa“ -, dessen Autor gleichfalls die BRD ist. Nach Aussagen der EU-Sonderbeauftragten für Zentralasien, Terhi Hakala, sei die EU in der Region stark präsent und beabsichtige, dort die Arbeit zu verstärken. „Unser Ziel besteht darin, sowohl die Entwicklung des Wohlstands dieser Länder als auch die Stabilität zu fördern. In den nächsten 30 Jahren planen wir, die Arbeit sowohl in Turkmenistan als auch in den zentralasiatischen Partnerländern zum Wohle dieser Länder und der EU fortzusetzen“, sagte Hakala auf der Konferenz „Turkmenistan und die EU: 30 Jahre Zusammenarbeit“, die im Mai dieses Jahres in Aschgabat stattgefunden hatte.

Zumal heute eine erhöhte Aufmerksamkeit der EU für Turkmenistan zu konstatieren ist. Aschgabat steht kurz vor einem Export seines Gases in die EU. Das Schema dafür wird so aussehen: Das Gas wird in den Iran gepumpt, und danach durch SWAP-Operationen in die Türkei und weiter nach Europa, wobei dies unter einem turkmenischen Markennamen erfolgen soll. Nach Aussagen des Vorsitzenden der Halk Maslahaty (Oberhaus des turkmenischen Parlaments), Gurbanguly Berdimuhamedow, plane Aschgabat, bis zu 40 Milliarden Kubikmeter im Jahr zu exportieren. Dies erklärte der nationale Leader Turkmenistans bei einem Treffen mit dem neuen iranischen Präsidenten Massud Peseschkian Ende August in Teheran.

Ein anderes großes Vorhaben, das sowohl von Deutschland als auch insgesamt von der EU betreut wird, ist die Transkaspische internationale Transportroute (TITR), die auch als Mittlerer Korridor bekannt ist, Europa und Zentralasien verbinden und zu einer Alternative für die Seetransporte über die Bab al-Mandab-Meeresstraße werden soll. Diese Route ist jedoch aufgrund des multimodalen Charakters schwieriger und teurer.

Ungeachtet der Risiken hat Europa zugesagt, in die Entwicklung der TITR über zehn Milliarden Euro zu investieren, aber in Form eines Kredits. Es muss berücksichtigt werden, dass sich die Investitionen in die Infrastruktur nicht sofort rentieren werden. Daher ist eine langfristige Strategie erforderlich, damit der Kredit für die Interessen der gesamten Region wirkt. Ungeachtet der offensichtlichen Schwachstellen ist man in der EU der Auffassung, dass eine Erweiterung des Korridors helfen werde, die Handelsbeziehungen zu forcieren, in erster Linie zwischen Kasachstan und Usbekistan, aber auch andere Länder für das Wirken der TITR zu gewinnen. Doch ihre Märkte für die meisten Waren aus den Ländern Zentralasiens – mit Ausnahme der Energieressourcen – können Deutschland und die anderen Länder des Westens nicht öffnen.

Experten schlagen vor, über die Schaffung eines internationalen Logistik-Konsortiums im Rahmen der TITR nachzudenken, zumal deutsche Firmen über die entsprechenden Erfahrungen verfügen würden. Sie schlagen vor, neben Kasachstan auch die Länder des Südkaukasus und die Türkei in die neue Struktur zu integrieren.

Es sei daran erinnert, dass Kasachstan als einer der ersten Staaten in der Region mit der EU ein Memorandum über eine Zusammenarbeit im Bereich der Lieferungen wichtigster Arten von Rohstoffen – unter anderem von seltenen Erdmetallen – unterzeichnete. Die EU und teilweise die USA suchen nach einer Alternative zu China und zu Russland hinsichtlich der Lieferungen seltener Erdmetalle für den europäischen Markt, denn 70 Prozent ihres Weltmarktes wird durch China kontrolliert, das nicht nur Rohstoffe fördert, sondern auch verarbeitet. „China ist ein Monopolist auf diesem Gebiet“ sagte der „NG“ Dossym Satpajew, Direktor der in Kasachstan beheimateten Gruppe für eine Bewertung von Risiken. „Aus geopolitischer Sicht ist es für Washington und Brüssel wichtig, alternative Lieferungen zu haben, um die Abhängigkeit von China und der Russischen Föderation zu verringern. Solch eine Alternative sehen sie in Zentralasien, Afrika und den Ländern Lateinamerikas. Insgesamt aber sieht die EU Zentralasien als eine Zone ihrer strategischen Interessen, darunter im Bereich der seltenen Erdmetalle“, unterstrich der Experte.

In Usbekistan beabsichtigt Deutschland neun Milliarden Dollar zu investieren. Abkommen wurden bei einem Business-Forum in Berlin unterzeichnet, dass im Rahmen des Deutschland-Besuchs von Präsident Shavkat Mirziyoyev am 2.-3. Mai vergangenen Jahres stattgefunden hatte. Olaf Scholz hatte im Verlauf der Gespräche mit seinem Taschkenter Gast auch Unterstützung für einen Beitritt von Usbekistan zur Welthandelsorganisation und die Unterzeichnung eines Abkommens über eine erweiterte Partnerschaft und Zusammenarbeit mit der Europäischen Union zugesagt. Daher sind — allem nach zu urteilen — wohl keine neuen deutschen Investitionen zu erwarten.

„Der Besuch von Kanzler Scholz in den Ländern Zentralasiens trägt einen „Pendler“-Charakter. Und es ist richtig, ihn als eines der Elemente der gemeinsamen Strategie der USA und der EU, die bereits das dritte Jahr umgesetzt wird, anzusehen. Man kann sich des Summits USA – Zentralasien erinnern, der vor etwa einem Jahr stattfand, und des Gipfels EU – Zentralasien sowie des Besuchs des französischen Präsidenten Macron in den Ländern Asiens und einer Vielzahl anderer Initiativen im Format „5 + 1“ auf verschiedenen Ebenen. All diese Besuche vereint eines: Dies sind Versuche, die Länder der Region zu beeinflussen, um deren Zusammenarbeit mit Russland und der Volksrepublik zu verringern, die mit einer nicht geringen Anzahl von Versprechen dafür begleitet werden“, sagte der „NG“ Alexander Knjasew, Doktor der Geschichtswissenschaften und leitender wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für internationale Studien der Moskauer Diplomaten-Hochschule MGIMO des russischen Außenministeriums. Nach Meinung von Knjasew kann angenommen werden, dass auch im Verlauf des Scholz-Besuches nichts Bahnbrechendes in den Beziehungen zwischen den Ländern Zentralasiens und Deutschland erfolgen werde.