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Der Kampf gegen sogenannte ausländische Agenten wird zu einer legitimen Pflicht


Mitte September wird die Staatsduma (das russische Unterhaus) ihre Tagungen wiederaufnehmen. Davor wird sie aber die Prioritäten für die gesetzgeberische Arbeit bestimmen. Eine der angekündigten ist die Ausdehnung des Kampfes gegen die sogenannten ausländischen Agenten. Hier ist bereits schwierig, sich neue ernsthafte Restriktionen auszudenken, möglich ist aber eine punktuelle Verschärfung der Mechanismen für eine staatliche Kontrolle, da gegenwärtig das Gesetz lediglich die generelle Pflicht deklariert, den ausländischen Agenten entgegenzuwirken. Eine Beteiligung an dieser Sache kann scheinbar zu einer gewissen Bestätigung der Loyalität gegenüber den Herrschenden werden, wonach sich das Land auch nicht mehr sehr weit von großen Kampagnen zur Entlarvung von Volksfeinden wiederfinden wird.

Die Ankündigung über eine Verstärkung des Kampfes gegen ausländische Agenten erfolgte aus dem Munde des Vorsitzenden des Staatsduma-Ausschusses für Sicherheitsfragen, Wassilij Piskarjow (Kremlpartei „Einiges Russland“). Er leitet eine Sonderkommission zur Untersuchung von Tatsachen einer ausländischen Einmischung in die inneren Angelegenheiten der Russischen Föderation. Wahrscheinlich sind seine öffentlichen Erklärungen sowohl von der Führung des Unterhauses als auch durch Vertreter der Sicherheits- und Rechtsschutzorgane abgesegnet worden.

Nach Aussagen von Piskarjow gebe es im Portfolio des Ausschusses für Gesetzesvorlagen beispielsweise die Initiative, „ein Verbot für die Verbreitung von Werbung auf Informationsressourcen unerwünschter Organisationen und auf anderen verbotenen destruktiven Ressourcen zu verhängen“. Zur Sache der Verteidigung der Souveränität des Landes gehören natürlich auch die Vorschläge zur Vervollkommnung der „Gesetzgebung über ausländische Agenten, um deren Einmischung in unsere inneren Angelegenheiten zu minimieren“. Der Abgeordnete berichtete auch über das Existieren anderer Gesetzesideen des entsprechenden Kontextes.

Details zu den neuen Restriktionen für ausländische Agenten hat Piskarjow nicht genannt. Es ist nicht ausgeschlossen, dass er auch selbst nicht genau weder um ihre mögliche Ausrichtung noch über deren voraussichtlichen Umfang weiß. Dies ist im Übrigen auch nur so, weil die Änderungen mit dem Präsidialamt und den Rechtsschutzstrukturen noch abzustimmen sind. Die Sache ist die, dass im Gesetz „Über die Kontrolle der Tätigkeit von Personen, die sich unter ausländischem Einfluss befinden“ schon nicht mehr so viel Platz geblieben ist, um neue Verbote zu verhängen.

Es sei daran erinnert, dass dieser gewisse Kodex über ausländische Agenten vor zwei Jahren verabschiedet wurde. Er ersetzte die separat existierenden unterschiedlichen Rechtsnormen, die in einer Vielzahl von Rechtsakten verankert worden waren. Damals erfolgte auch eine Aufgabe der Konstruktion „Person, die die Funktionen eines ausländischen Agenten wahrnimmt“, wobei sozusagen auf einen gewissen zeitweiligen Charakter dieses Status angespielt wurde. Erweitert wurde gleichfalls die Logik, auf deren Grundlage das entsprechende Register des Justizministeriums geschaffen wurde. Die Herangehensweise bzw. die Argumentation „ausländische Gelder für eine politische Tätigkeit“ ersetzte man durch den Begriff „ausländischer Einfluss“, der ja nicht nur in Form von Finanzen, sondern auch durch jegliche Unterstützung, aber auch bei einem gemeinsamen Kommunizieren erfolgen kann.

Und die Tätigkeit eines ausländischen Agenten kann dabei überhaupt jegliche sein, obgleich das Schwergewicht auf die informationsseitige Komponente gelegt wurde. Aber selbst für jene Arten einer Tätigkeit, die im Gesetz eigentlich nicht direkt als solche ausgewiesen wurden, die nicht unter dieses fallen – zum Beispiel eine wissenschaftliche, kulturelle, humanitäre und viele andere -, kann man dennoch den Status eines ausländischen Agenten erhalten. Wenn die Offiziellen meinen, dass die vom Aussehen her unschuldigen Handlungen den „nationalen Interessen der Russischen Föderation“, den Grundlagen der öffentlichen Rechtsordnung und anderen Werte, die durch die Verfassung verteidigt werden“, widersprechen.

Im vergangenen Mai wurde bekanntlich für die ausländischen Agenten das endgültige Verbot für eine Teilnahme an Wahlen (als Kandidat) und das Bekleiden staatlicher Ämter verhängt, was, wie es schien, das Bild von einem vollkommenen Scherbengericht vollendete. Jetzt aber hat sich augenscheinlich das Verständnis ergeben, dass nicht alles verriegelt und abgeschottet wurde. Und man kann eine Erweiterung der verbotenen Bereiche erwarten – sagen wir einem die Bereich Bildung und Erziehung, aber wahrscheinlich auch der Medienbereich. Das heißt, man kann keine eindeutige Anweisung für die Medien, ausländische Agenten selbst mit einer durch das Gesetz vorgesehen Markierung nicht zu erwähnen, ausschließen. Wahrscheinlicher scheint jedoch eine andere Richtung zu sein, die mit einer Änderung für das Basisgesetz aus dem vergangenen Jahr zusammenhängt.

Damals hatte das russische Justizministerium die Vollmacht erhalten, eine staatliche Kontrolle nicht der Tätigkeit ausländischer Agenten, sondern der Einhaltung des entsprechenden Gesetzes durch alle natürlichen und Rechtspersonen auf dem Landesterritorium – unabhängig von ihrer Staatsbürgerschaft und Jurisdiktion – vorzunehmen. Das weist direkt Punkt 5 des Artikels 1 dieses Gesetzes aus. In ihm an sich gibt es aber vorerst keine Pflicht für alle und für jeden, eine unablässige Arbeit zur Ermittlung potenzieller ausländischer Agenten durchzuführen. Fixiert wurde lediglich die Forderung, deren ungesetzliche Tätigkeit nicht zu fördern. Derweil ist das wahrscheinliche Auftauchen strengerer Normen keine Phantasie, sondern eine Interpretierung einer jüngsten Pressemitteilung zum 5jährigen Bestehen der Duma-Kommission zur Bekämpfung einer äußeren Einmischung. Dort ist beispielsweise von einer „punktuellen Feinabstimmung der Gesetzgebung über ausländische Agenten, darunter zu Fragen einer staatlichen Kontrolle ihrer Einhaltung“ die Rede. Natürlich muss man sich da noch die Ergebnisse dieses Tunings anschauen. Es scheint aber, dass die Staatsduma doch den Weg für Massenkampagnen zur Entlarvung von Volksfeinden freimachen wird, die es in unserer Geschichte schon gegeben hat.

Scheint jedoch eine