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Lukaschenko spaltet die Reihen der Opposition


Am Donnerstag traf sich Alexander Lukaschenko mit Leitern der Wahlkommissionen der GUS-Länder und berichtete ihnen, dass die elektoralen Kampagnen zu einem Schlachtfeld geworden seien. Derweil scheint der Präsident ebenfalls anzufangen, diese Kämpfe bereits unmittelbar auf dem Feld der Opposition zu gewinnen. Die Freilassung einer dritten Gruppe Begnadigter innerhalb von etwa einem Monat löst aktive Diskussionen im Lager der Politemigranten aus. Sie hat noch mehr die Aufgabe des Amtes der Zuständigen für sozialen Fragen des Vereinten Übergangskabinetts durch die bekannte Menschenrechtlerin Olga Gorbunowa zugespitzt. Sie warf den einstigen Kollegen die Unfähigkeit vor, den Gefangenen in Belarus zu helfen, und gestand ein, dass sie der Aufrichtigkeit der Absichten von Lukaschenko, „eine Seite (in der Geschichte des Landes – Anmerkung der Redaktion) umzuschlagen“, glaube. Alexander Lukaschenko hatte sich am 19. September mit Spitzenvertretern der Wahlkommissionen der GUS-Länder getroffen. Weißrusslands Präsident äußerte sich gegenüber den Spezialisten für Wahlprozeduren über seine Sicht auf das, welchen Normen und Prinzipien sie entsprechen müssten. Lukaschenko betonte: „Man muss auch die internationalen Erfahrungen studieren. Wir werden dort wohl kaum etwas abkupfern. Sicherlich haben wir alles bereits studiert und haben für uns zu Hause die entsprechenden Entscheidungen getroffen. Wichtig ist, eigene Standards auszuarbeiten. Und der Hauptstandard, an den wir uns alle stets halten, dies ist nicht das, wie man uns irgendwelche Prinzipien „entsprechend den Auffassungen“ seitens der OSZE oder noch irgendwelcher (anderer) Organisationen aufzuzwingen sucht, sondern das, inwieweit unsere Gesetze und Durchführungsbestimmungen der Verfassung entsprechen und inwieweit die Wahlen der Gesetzgebung, die in unseren Ländern verabschiedet wurde, entsprechen. Dies ist das Wichtigste“. Ausgehend von diesem Grundsatz ist sich der Präsident bisher nicht sicher, ob er bei den Wahlen ausländische Beobachter brauche. Es versteht sich, dass man die Vertreter aus der GUS als teure Gäste empfangen wird. Hinsichtlich der übrigen aber ist die Frage eine offene. „Heute denken wir darüber nach, was mit den sogenannten ausländischen Beobachtern tun, da wir wissen: Ihr Kommen, dies sind vorab vorbereitete Dokumente, die sie später bekanntgeben und unterschreiben werden“, erklärte der Präsident. Er sei aber bereit, sich diesbezüglich die Meinungen der Spezialisten anzuhören. „Wir denken, dass wir uns mit ihnen beraten werden, unter anderem mit den Vertretern der Russischen Föderation, da dies unser nächstes verbündete Land ist, wie wir in dieser Situation vorgehen sollten. Wir hätten es natürlich gern, dass sie sich umschauen und von der Meinung enttäuscht sein werden, mit der sie zu uns kommen. Wir können es aber nicht zulassen, dass sie erneut mit ihren Talmuden kommen und eine entsprechende Erklärung abgeben, die bereits vorab vorbereitet wurde oder die nicht von ihnen aufgeschrieben worden ist“, unterstrich Lukaschenko. Das Staatsoberhaupt gestand ein, dass, als in den GUS-Ländern gerade erst die Wahlorgane gebildet wurden, sich keiner auch nur vorstellen konnte, dass ihr Verantwortungsbereich praktisch zu einem Schlachtfeld wird. „Gott sei Dank kämpfen sie nicht oft überall allein, dennoch haben sie sich genug damit herumzuschlagen“, artikulierte der Präsident sein Mitgefühl. Derweil strahlte am Donnerstagabend der staatliche Fernsehkanal „Belarus-1“ den Film „Eine mörderische Verschwörung. Das Ziel – Lukaschenko“ aus, der belegen sollte, dass die Arbeit des weißrussischen Präsidenten mit einer Gefahr ganz und gar nicht potenzieller Kampfhandlungen verbunden sei. Die Teilnehmer der aufgedeckten Verschwörung verbüßen gegenwärtig eine Strafe und berichten von einem gescheiterten Attentatsversuch. Einer von ihnen, Jurij Senkowitsch, der im September des Jahres 2022 zu elf Jahren Freiheitsentzug verurteilt worden war, erklärte in dem Film, dass er und seine Komplizen im Jahr 2021 geplant hätten, „den Hubschrauber des Staatsoberhauptes entweder beim Start oder bei der Landung aus einem großkalibrigen Maschinengewehr abzuschießen“. (Sogar das russische Staatsfernsehen berichtete am Freitag ausführlich über diesen „Dokumentarfilm“. – Anmerkung der Redaktion) Natürlich können solche wohl kaum mit einer Begnadigung rechnen. Aber Oppositionelle, die aufgrund gewaltloser Handlungen verurteilt wurden, kommen weiterhin vorzeitig auf freien Fuß. Am 16. August hatte Alexander Lukaschenko einen Erlass über die Begnadigung von 30 Personen unterschrieben, die aufgrund von Straftaten im Zusammenhang mit Protesten verurteilt wurden. Am 4.September folgte ein weiterer Begnadigungserlass für 30 Inhaftierte. Und am 16. September wurden schließlich durch seinen Erlass noch einmal 37 Personen begnadigt. Bei der Kommentierung dieser Entscheidungen wandte sich Lukaschenko direkt an die Oppositionsführer: „Nun, wenn sie sich freuen würden, wenn sie sich zumindest bedanken würden. Nein, sie sorgen sich darum, um sich selbst und dort im Ausland zu beweisen, dass sie einen gewaltigen Beitrag geleistet und den „Diktator gezwungen“ haben, derartige Entscheidungen zu treffen. Erstens kann mich keiner nötigen. Dies ist ausgeschlossen. Oft sage ich Journalisten und anderen: Sie kennen mich gut. Ich habe nie auf Anweisung und unter Druck eine Entscheidung getroffen“. Und es ist recht bezeichnend, dass diese, seine Worte einige angesehene Vertreter der Opposition vernehmen. Dieser Tage hat das Vereinigte Übergangskabinett von Swetlana Tichanowskaja die bekannte Menschenrechtlerin Olga Gorbunowa, die in ihm das Amt für soziale Fragen bekleidete, verlassen. In ihrem Kommentar für eine der Oppositionsressourcen im Internet kommentierte sie so ihren Schritt: „Es gibt zweifellos viele Gründe, die mein Gehen bestimmten. Und einer von ihnen ist die ideologische, die politische Uneinigkeit“. Und sie erläuterte: „Ich habe schon einfach keine Zeit und Kräfte für ein Überzeugen und für ein Überreden. Ich spreche nicht über die Kabinettskollegen, sondern spreche insgesamt über die demokratische Bewegung, über die sehr unterschiedlichen Partner innerhalb der Bewegung. Ich habe keine Zeit und Kräfte für ein Überzeugen hinsichtlich des Wertes des Menschenlebens, hinsichtlich dessen, dass ein Begnadigen ein wichtiger und richtiger Schritt ist, auf den sich das offizielle Minsk eingelassen hat. Dies ist ein Signal“. Und sie zitierte sogar Lukaschenko: „Die letzten Erklärungen sind seltene. Sie kommen aber darüber, dass die Beachtung wichtig ist, eine Dankbarkeit. „Keiner hat Danke gesagt“. Wir verstehen, dass sich in Minsk Prozesse vollziehen, die mit inneren Angelegenheiten vor den Wahlen zusammenhängen, mit äußeren (Angelegenheiten). Die Interessen des offiziellen Minsk sind verständlich und bekannt. Das sind die Fragen der Sanktionen, der Isolation. Das Regime spricht schon lange davon, dass es die (gegenwärtige) Seite umschlagen will. Und dabei heucheln sie nicht. Man kann schwerlich von einer Unfähigkeit, sich zu einigen, sprechen, wenn zumindest bei einer Seite ein klares Verständnis diesen Prozess vorliegt“.