Über Minsk begann eine neue Gefahr durch Sanktionen zu schweben, die als Querschläger auch Russland treffen können. US-Außenminister Michael Pompeo hat in der vergangenen Woche ein Sanktionsszenario in Bezug auf Minsk nicht ausgeschlossen. Außerdem werden die Folgen der Präsidentschaftswahlen in Weißrussland und die Antwort der Europäischen Union inkl. einer möglichen Wiederaufnahme der Sanktionen bei einem informellen Treffen der EU-Außenminister am 27. und 28. August in Berlin erörtert, wurde in der letzten Woche mitgeteilt. Analytiker der internationalen Ratingagentur S&P integrieren bereits in ihre Prognosen die Risiken neuer Sanktionen und die Wahrscheinlichkeit dessen, dass sich die Konfrontation zwischen den Herrschenden und der Opposition in Weißrussland als eine langandauernde erweisen kann.
Der Internationale Währungsfonds erwartet, dass der Wirtschaftsrückgang Weißrusslands in diesem Jahr 6 Prozent ausmachen werde. Und unter Berücksichtigung dessen, dass über 90 Prozent der Auslandsschulden in US-Dollar nominiert sind, sind gleichfalls ein Kollaps der nationalen Währung und ein Default möglich – „besonders bei der Notwendigkeit, bis Ende des laufenden Jahres 2,5 Milliarden US-Dollar zu den Bonds zu zahlen“, berichtet Reuters. „In den Portfolios solcher großen Investitionsunternehmen wie Ashmore, JP Morgan Asset Management, Fidelity, Goldman Sachs Asset Management und Franklin Templeton sind laut Angaben von Refinitiv weißrussische Staatsschulden“, präzisierte die Nachrichtenagentur.
In Weißrussland „können sich die Ereignisse von 2010 wiederholen, als die Europäische Union bereits Sanktionen gegen Minsk verhängt hatte, was zu einem Verbot von Auslandsanleihen führte“, erinnern Experten des analytischen Internetkanals Macro Markets Inside. „Die souveränen Emissionen Weißrusslands reagieren dementsprechend, indem sie mehrere Tage in Folge zurückgehen“, präzisierten die Analytiker in der vergangenen Woche.
„Um die Devisenschulden zurückzuzahlen, muss Weißrussland Anleihen aufnehmen. Wenn aber Sanktionen folgen, wird der Kreis der möglichen Gläubiger sich auf ein Minimum verringern“, erläuterten Experten gegenüber der „NG“. Mit Stand vom Juli 2020 erreichte die staatliche Auslandsverschuldung der Republik 18 Milliarden US-Dollar, wobei daraus die Schulden gegenüber Russland sich fast den acht Milliarden US-Dollar nähern. Dabei löst jetzt die rechtzeitige Tilgung dieser Schulden durch die Republik Zweifel aus.
Die Schlüsselfragen auch der russischen Tagesordnung sind: Auf welche finanzielle und Reputationsverluste ist Moskau im Falle eines Abbruchs oder — im Gegenteil – im Falle einer Bewahrung der Unionsbeziehungen sich einzulassen bereit? Letztere haben ja im Verlauf der letzten Jahre aufgehört, wolkenlose zu sein. Wird dies eine Bewahrung der Beziehungen mit dem offiziellen Minsk sein oder wird es einen Abbruch der Beziehungen in dem Falle, dass Alexander Lukaschenko abtritt, geben? Was für eine Unterstützung wird Moskau zu gewähren bereit sein? Wem und im Gegenzug für was?
Am Wochenende wurde bekannt, dass am Samstag „auf Initiative der weißrussischen Seite“ ein Telefonat von Wladimir Putin mit Alexander Lukaschenko stattgefunden hatte. „Vereinbart wurde die Fortsetzung der regelmäßigen Kontakte auf unterschiedlichen Ebenen, und bestätigt wurde die Absicht zur Festigung der Unionsbeziehungen“, meldete der Kreml-Pressedienst. Die einen Beobachter haben aber darin die Bereitschaft Moskaus zu helfen ausgemacht. Andere waren der Auffassung, dass die Länder tatsächlich vorerst feilschen würden. Am Sonntag gab es noch ein Telefongespräch beider Präsidenten. „Von russischer Seite wurde die Bereitschaft bestätigt, die erforderliche Unterstützung bei der Lösung der entstandenen Probleme auf der Grundlage der Prinzipien des Vertrags über die Bildung des Unionsstaates, aber auch im Bedarfsfalle über die Organisation des kollektiven Sicherheitsvertrages zu gewähren“, erläuterte man im Kreml.
In zwei Monaten hören die laufenden nationalen Projekte (in der Fassung von 2018) formal zu existieren auf. Die sollen neue Projekte ersetzen, die dazu bestimmt sind, das Erreichen der korrigierten Entwicklungsziele, von denen es nun nicht neun, sondern fünf geben wird, jetzt nicht bis zum Jahr 2024, sondern bis zum Jahr 2030 zu gewährleisten. Der Rechnungshof aber analysiert vorerst weiter, wie die auslaufenden und in die Tage kommenden nationalen Projekte finanziert werden. In der vergangenen Woche teilten die Auditoren mit, dass die Etatausgaben für die nationalen Projekte im Verlauf von sieben Monaten dieses Jahres nur zu 44 Prozent von den geplanten getätigt worden seien.
Die Korrektur der nationalen Projekte erfolgt vor dem Hintergrund äußerst besorgniserregender Perspektiven für den föderalen Haushalt, der in diesem Jahr bereits weniger Exporteinnahmen erhält. Die Ausfuhr von Rohöl brach wertmäßig im ersten Halbjahr auf das Jahr hochgerechnet um etwa 35 Prozent ein, und die von Erdgas – um mehr als 50 Prozent, ergibt sich aus den Daten, die der Föderale Zolldienst zu Beginn der letzten Woche veröffentlichte.
Was für einen Rückgang der Einnahmen der russische Etat in der Zukunft erwartet, bleibt nur zu erahnen. Schließlich kann die Staatskasse nicht nur weniger Exporteinnahmen vermelden, sondern auch weniger Inlandssteuereinnahmen. Einige Epidemiologen räumen ein, dass die Wellen der COVID-19-Erkrankungen zu alljährlichen werden könnten. Und Quarantäne-Einschränkungen werde man bis zum Jahr 2025 und sogar auch in den darauffolgenden Jahren verhängen müssen. Darüber schreibt das britische Wissenschaftsmagazin „Nature“, wobei es unter anderem auf die Meinung von Forschern aus dem Harvard-Team verweist. „Viele Vakzine bilden eine Immunität für Jahrzehnte, zum Beispiel die Masern- und Poliomyelitis-Impfstoffe. Andere verlieren mit der Zeit ihre Wirkung wie die Keuchhusten- oder Grippe-Vakzine“, erläutern die Wissenschaftler. Und die ganze Frage besteht nun darin, für wie lange wird die COVID-19-Vakzine eine Immunität gewährleisten.