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Das russische Parlament zieht eine Bilanz des Afghanistan-Besuchs von Schoigu


Russlands Senatoren und Abgeordnete haben auf den Afghanistan-Besuch des Sekretärs des russischen Sicherheitsrates, Sergej Schoigu, mit der Initiative hinsichtlich der Möglichkeit reagiert, zeitweilig das Verbot für jene Organisationen in Russland auszusetzen, die sich anfangs terroristisch betätigten und später bereits nicht. Afghanische Medien meldeten, dass Schoigu angeblich einen baldigen Ausschluss der Bewegung „Taliban“ (die in der Russischen Föderation als eine terroristische anerkannt und verboten wurde) aus dem entsprechenden Verzeichnis bestätigt habe. Offiziell bringt keiner beide Ereignisse in einen Zusammenhang, doch Zufälligkeiten sind hier wenig wahrscheinlich. Dabei gibt es bisher keine Anzeichen für gesetzgeberische Hauruck-Aktionen. Es gibt aber im Gegenteil eine eingelegte Pause. Möglicherweise hängt dies sowohl mit dem Verlauf der Gespräche mit den Taliban-Vertretern als auch mit den Meinungsverschiedenheiten unter den russischen Offiziellen zusammen.
Unter den Änderungen „für einzelne Gesetzesakte der Russischen Föderation“ stehen die Unterschriften von sieben Senatoren und fünf Abgeordneten der Staatsduma. Die Namen des Ausschussvorsitzenden des Föderationrstaes für Staatsaufbau, Andrej Klischas (Kremlpartei „Einiges Russland“) oder des Vorsitzenden des Staatsduma-Ausschuss für Sicherheit, Wassilij Piskarjow (Kremlpartei „Einiges Russland“ weisen scheinbar darauf hin, dass das Parlament diese Initiative ohne Probleme und Verzögerungen bestätigen müsste. Jedoch ist bisher keinerlei Vorankommen dieser Gesetzesvorlage auszumachen, mehr noch: In deren Hinsicht wurde im Verlauf eines halben Tages überhaupt eine offenkundige mediale Pause eingelegt.
Im Verlauf dieser Zeit konnte man beispielsweise mit Erstaunen beobachten, dass Senator Klischas nicht – wie gewohnt – die Gesellschaft operativ über seine neue Idee via des eigenen Telegram-Kanals informierte. Das Dokument tauchte in der Datenbank der Staatsduma bereits am Abend des 25. Novembers auf, doch die Mitteilung über den Vorschlag solch einer wichtigen Korrektur der Antiterror-Gesetzgebung kam erst Mitte des folgenden Tages. Piskarjow hatte ganz und gar nicht dieses Beispiel eines kollektiven Hervorbringens eines Gesetzes erwähnt.
Dabei hatten buchstäblich nur ein wenig früher als der Senator am 26. November auch die Nachrichtenagenturen auf die Gesetzesvorlage reagiert. Ja, und da waren bereits Andeutungen dahingehend zu vernehmen, dass die Initiative der Parlamentarier irgendwie mit dem gerade erfolgten Afghanistan-Besuch Schoigus und dessen Gespräche mit der Regierung dieser Islamischen Republik zusammenhänge könne.
Es sei daran erinnert, dass der Sekretär des Sicherheitsrates der Russischen Föderation, der keine geringe russische Delegation geleitet hatte, am 25. November Gespräche mit Afghanistans 1. Vizepremier Abdul Ghani Baradar Akhund und einer Reihe von anderen Vizepremiers führte. Offizielle Kommentare hinsichtlich des Besuchs erfolgten bereits am Montag, aber nicht von russischer, sondern von afghanischer Seite. Die Internetseite des russischen Sicherheitsrates ignorierte den gesamten Dienstag weiterhin diese Reise Schoigus. Details der Gespräche wurden natürlich nicht publiziert. Es gab allgemeine Worte über eine Verstärkung der politischen Beziehungen und der wirtschaftlichen Zusammenarbeit beider Länder. Und gerade lediglich das „afghanische Nachrichten-Internetportal Alemarah meldete, dass der Sekretär des Sicherheitsrates der Russischen Föderation, Sergej Schoigu, bei der Begegnung mit einer Delegation Afghanistans von Plänen gesprochen hatte, die „Taliban“-Bewegung (die sich aufgrund der terroristischen Tätigkeit unter UNO-Sanktionen befindet) aus der schwarzen Liste auszuschließen“. Dies ist ein vollständiges Zitat aus einer Meldung der russischen staatlichen Nachrichtenagentur RIA Novosti, die – wie zu sehen ist — darauf verweist, dass die Taliban in Russland aufgrund einer terroristischen Tätigkeit verboten sind.
Übrigens, Schoigu selbst „hatte den Journalisten zu den Ergebnissen des Besuchs“ Vieles erzählt, aber nur nicht von der angeblich von ihm abgegebenen Erklärung. Und die Medienvertreter, die ihn bei der Reise begleitet hatten, hatten es sicherlich einfach nicht geschafft, um Bestätigungen zu bitten. Derweil ist die Gesetzesvorlage der Gruppe von Senatoren und Abgeordneten in der Staatsduma weiterhin ohne eine Bewegung geblieben. Sie ist nicht einmal an den zuständigen Ausschuss überwiesen worden. Solche Verzögerungen passieren, wenn die Staatsduma in die Ferien geht oder zumindest eine Arbeitswoche in den Regionen zubringt. Derzeit herrscht jedoch an der Ochotny Ryad (Straße im Herzen Moskaus, in der sich das russische Unterhaus befindet – Anmerkung der Redaktion) richtiger Hochbetrieb. Und all dies sind Anzeichen dafür, dass diese erstaunliche Gesetzesvorlage zumindest eilfertig aufs Neue durchdacht und überarbeitet, wenn nicht gar umgeschrieben wird, wenn es nicht überhaupt für einige Zeit auf die lange Bank geschoben wird. Allerdings ist es durchaus möglich, dass es so auch ursprünglich konzipiert worden war. Da zum Beispiel die Gespräche mit den Taliban bereits in ein Stadium gelangt sind, in dem man sich nicht auf Andeutungen und Anspielungen beschränken kann. Das heißt, dass man nicht einfach etwas versprechen, sondern auch zeigen muss.
Es sei angemerkt, dass man von der Perspektive eines Ausschlusses der „Taliban“ aus der Liste der in Russland verbotenen terroristischen Organisationen in den Machtstrukturen schon lange spricht, und dies auch in den höchsten Führungsriegen. Im Oktober beispielsweise hatten sich diesbezüglich auch der Direktor des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB, Alexander Bortnikow, geäußert, der betonte, dass die entsprechenden Prozesse kurz vor einem Abschluss stehen würden, und der Afghanistan-Sonderbeauftragte des russischen Präsidenten, Zamir Kabulow, der überhaupt erläuterte, dass auf höchster Ebene die Entscheidung bereits gefällt worden sei. Und der Präsident der Russischen Föderation, Wladimir Putin, hatte im Sommer dieses Jahres direkt gesagt, dass Russland „mit der Taliban-Regierung Beziehungen gestalten muss, und insgesamt haben wir da Kontakte“. Der Entwurf des dafür notwendigen Gesetzesaktes ist jedoch allem nach zu urteilen mit einer gehörigen Hast vorbereitet worden.
Von daher kann man ihn auch als einen erstaunlichen ansehen. Die Änderungen für die Ordnungsrechtsprozessordnung, die prozessuale Feinheiten für die Entscheidung festschreiben, wonach Terroristen den Status einfach guter Jungs erhalten, befinden sich unter einer Gesamtüberschrift, obgleich dies für entsprechende Kodexe nicht üblich ist. Es gibt auch kein Gutachten der Regierung der Russischen Föderation. Und das Wichtigste – keine Bewertung vom Obersten Gericht der Russischen Föderation. Und dies, obwohl alles gerade auf dem Gerichtsweg entsprechend einem Antrag der Staatsanwaltschaft erfolgt – und bei einer obligatorischen Beteiligung des FSB als dritte Person. Dabei sehen die neuen Normen, die implementiert werden sollen, selbst aus der Sicht der russischen Sprache nicht bestens aus.
Noch interessanter ist der Grundgedanke, der in dem Gesetz verankert werden soll. „Das Verbot der Tätigkeit einer Organisation, die in das föderale Gesamtverzeichnis der Organisationen aufgenommen wurde, darunter ausländische und internationale Organisationen, die entsprechend der Gesetzgebung der Russischen Föderation als terroristische anerkannt worden sind, kann zeitweilig ausgesetzt werden … bei Vorhandensein von realen Angaben darüber, dass solch eine Organisation nach ihrer Aufnahme in das ausgewiesene Verzeichnis die Vornahme der Tätigkeit, die auf eine Propagierung, Rechtfertigung und Unterstützung von Terrorismus ausgerichtet ist, eingestellt hat“. Oder aber aufgehört hat, schwere und besonders schwere Verbrechen zu verüben, die durch die Paragrafen 205–206, 208, 211, 220, 221, 277–280, 282.1–282.3, 360 und 361 des Strafgesetzbuches der Russischen Föderation vorgesehen sind. Augenscheinlich, weil sie aufgrund der Aufnahme in das russische Verzeichnis Trübsal zu blasen begonnen oder möglicherweise Angst bekommen hat. Übrigens, in der eigentlichen Ordnungsrechtsprozessordnung ist das Prinzip eines Umschalters verankert worden, da sowohl die Aussetzung des Verbotes als auch die Aufhebung solch einer Entscheidung entsprechend ein und derselben Prozedur erfolgen werden.
Wahrscheinlich ist es den Taliban im Großen und Ganzen auch aus der Sicht einer Verstärkung der Wirtschaftsbeziehungen mit der Russischen Föderation egal, ob sie in irgendwelchen Verbotsverzeichnissen sind oder nicht. Obgleich es für eine moralische Genugtuung und für ein größeres internationales Ansehen besser ist, aus dem Verzeichnis von Terroristen gestrichen zu sein. Russland mit seinem gegenwärtigen internationalen Ansehen wird eine derartige Anerkennung der Taliban auch nicht stark schaden. Jedoch kann der merkwürdige politische Rhythmus „ein Schritt vorwärts und ein Drehen auf der Stelle“ indirekt auf das Bestehen alternativer Positionen unter den russischen Offiziellen hinweisen. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass beispielsweise ein Teil der Vertreter der bewaffneten und Rechtsschutzorgane gegen die Taliban ist. Oder – einmal angenommen – irgendwelche außenpolitischen Beamten eine durchaus wahrscheinliche Abkühlung der Beziehungen mit einigen GUS-Ländern befürchten.