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Abchasien hat seinen Präsidenten verjagt


Die Herrschaft von Aslan Bshania in Abchasien endete damit, womit sie auch begonnen hatte – mit Massenprotesten, die zu einem Machtwechsel führten. Nur war er vor vier Jahren Anführer der Opposition, jetzt aber wurde er zu deren Opfer. Für Abchasien ist dies bereits der dritte Umsturz in Folge. Die Grundlage für ihn war im letzten Sommer geschaffen worden, als die Offiziellen Russlands den abchasischen Kollegen die Einstellung der Mitfinanzierung von Löhnen, Gehältern und Solds für Lehrer, Ärzte sowie Mitarbeiter der bewaffneten und Rechtsschutzstrukturen ab 1. September mitteilten. Gleichfalls wurden die Vergünstigungen für den Erwerb von russischem Strom aufgehoben. Um die Hilfe wiederaufzunehmen, forderte Moskau von Suchum, das Abkommen über die Anerkennung und Umsetzung von Gerichts- und Schiedsgerichtsentscheidungen in Bezug von Wirtschaftsfällen zu ratifizieren, das Inkrafttreten des Abkommens zwischen den Regierungen Russlands und Abchasiens über die Verwirklichung von Investitionsvorhaben durch russische Rechtspersonen auf dem Territorium von Abchasien zu gewährleisten sowie die Restriktionen für russische Investoren auf dem Markt kommerzieller Immobilien Abchasiens aufzuheben. Dabei ist zu berücksichtigen, dass in der einstigen georgischen Teilrepublik die Landfrage traditionell sehr akut im Raum steht. Die abchasischen Nationalisten befürchten, dass Ausländer die kleine und arme Republik praktisch für’n Appel und ‘n Ei kaufen, wobei sie die einheimische Bevölkerung zu deren Bediensteten verwandeln. Im Zusammenhang damit treten sie zumindest gegen einen Verkauf von Boden an Nichtstaatsbürger Abchasiens auf. Die inzwischen abgesetzten Offiziellen der Republiken standen vor einer schwierigen Entscheidung. Einerseits hatten sie keine Kräfte, um mit den neuen wirtschaftlichen Realitäten fertig zu werden. Andererseits hatte die Opposition auch früher Moskau eines Antastens der Souveränität von Suchum mit Duldung oder gar Unterstützung von Präsident Bshania bezichtigt und beginnt nun, dies mit verdoppelter Kraft zu tun. Letztlich hat es das 61jährige Staatsoberhaupt dennoch riskiert. Erstens war für Abchasien die russische Hilfe wichtig. Zweitens braucht es ausländische Investitionen, um aus der langjährigen Wirtschaftskrise herauszukommen. In der Opposition begreift man dies, hat aber beschlossen, die Chance auszunutzen, um die Macht zu erlangen. Ein unmittelbarer Anlass ergab sich am 30. Oktober, als Regierungsmitglieder Russlands und Abchasiens ein Investitionsabkommen unterzeichneten. Das abchasische Parlament sollte den Vertrag am 15. November ratifizieren. An diesem Tag begann die Opposition aber einen Sturm auf das Parlamentsgebäude. Die Verteidigung der gesetzgebenden Versammlung brach innerhalb von ein paar Stunden zusammen. Danach besetzten die Rebellierenden die Regierung und das Präsidialamt. Bshania selbst floh in sein Heimatdorf Tamysch. Mehrere Tage lang herrschte in Abchasien faktisch ein Machtvakuum. Später einigten sich aber die Konfliktseiten über Bedingungen für einen Rücktritt des Präsidenten. Bshania übergab die Amtsgeschäfte an Vizepräsident Badra Gunba. Zum amtierenden Premierminister wurde Valerij Bganba. Von 2018 bis einschließlich 2020 hatte er die Regierung geleitet und war im Jahr 2020 zeitweiliges Staatsoberhaupt. Die Wahl des neuen Präsidenten der Republik soll nun am 15. Februar erfolgen. Am 6. Januar wurde die Nominierung der Kandidaten für das Präsidentenamt abgeschlossen. Von den anfangs acht Anwärtern werden wohl letztlich fünf auf den Stimmzetteln stehen. In der Zentralen Wahlkommission werden gegenwärtig die Unterschriftenlisten von Wähler-Initiativgruppen überprüft. Ob dann tatsächlich das amtierende Staatsoberhaupt Badra Gunba, der einstige Handelsvertreter Abchasiens in der Russischen Föderation, Oleg Barziz, der frühere Wirtschaftsminister und Vorsitzende der Oppositionsorganisation „Abchasische Volksbewegung“, Adgur Ardzinba, der Ex-Chef der Kontrollkammer (vergleichbar mit dem Rechnungshof – Anmerkung der Redaktion), Robert Arschba, und das Mitglied des Gründungsrates der „Schwarzmeerbank für Entwicklung“, Adgur Churchumal, offiziell als Kandidaten registriert werden, wird am 16. Januar, dem letzten möglichen Tag für eine offizielle Registrierung, klar werden. Was das Investitionsabkommen angeht, so hat das Parlament am 3. Dezember dessen Ratifizierung scheitern lassen, was in Moskau mit Verärgerung zur Kenntnis genommen wurde. Derweil hat in Abchasien eine Energiekrise begonnen, zumal das Inguri-Wasserkraftwerk aufgrund des geringen Pegelstands nur stark eingeschränkt Strom liefern kann. Die Folge – Stromabschaltungen in der gesamten Republik, die eine Bevölkerung von weniger als 250.000 Einwohnern aufweist. Russland greift unter die Arme und liefert seit dem 23. Dezember als humanitäre Hilfe Strom. Der reicht aber nur bedingt, so dass ab 9. Januar die täglichen Stromabschaltungen nicht mehr vier, sondern sechs Stunden dauern werden. Im Übrigen stellte sich nach dem Sturz von Bshania heraus, dass es im Staatshaushalt kein Geld für die Löhne und Gehälter gibt, die den Beschäftigten aus den durch den Etat finanzierten Bereichen gezahlt werden. Dies hatte man aber in Suchum lange verheimlicht, während sich nun die Übergangsregierung mit diesem Problem herumschlagen muss. Ob diese mangelhafte Arbeit des Bshania-Teams den Ausgang der Wahlen beeinflussen wird, ist schwer zu sagen. Beobachter meinen gar, dass die früheren Herrschenden auf eine Revanche setzen würden.