Unabhängige Zeitung

Private Tageszeitung

Über neue Verbotsinitiativen und über die Populismus-Welle


  • Die turbulente Zeit bringt charakteristische Initiativen hervor. Der Gouverneur des Verwaltungsgebietes Belgorod, Wjatscheslaw Gladkow, hat bei einer Tagung der Regionalregierung fas Bildungsministerium und die Schulleitungen gebeten, zu erörtern und möglicherweise auch zu entscheiden, was mit den Halbwüchsigen zu machen sei, die die militärische Sonderoperation Russlands in der Ukraine kritisieren. „Wir müssen die Kinder verteidigen, wir müssen die Verfassungsordnung verteidigen sowie die Region und das Land schützen. Daher mein Vorschlag, wenn ein Kind beispielsweise widerrechtliche Handlungen in Bezug auf Militärangehörige, hinsichtlich einer Bewertung der Handlungen des Staates im Rahmen der militärischen Sonderoperation begeht, die Frage nach einer Nichtzulassung des Erhalts einer Ausbildung in staatlichen Hochschulen und Berufsschulen in der Zukunft zu klären“, erklärte der 56jährige Gladkow. Der Gouverneur schlägt solchen Kindern vor, ein Studium in privaten Hochschulen und Colleges aufzunehmen. „Wir sehen doch, wie die Gerichte die Fälle bewerten, wenn Menschen widerrechtliche Handlungen verüben. Die Menschen erhalten lange Haftstrafen. Alles, das Leben wird aufgehalten. Irgendwem scheint es, dass dies ein Quest ist, und alles endet mit einem Unglück“, fügte Gladkow hinzu. Er erklärte, dass er begreife, wie zwiespältig seine Worte aufgenommen werden würden. Er verwies aber auf die „schwere Zeit“. Die Worte wurden wirklich ohne Begeisterung aufgenommen, darunter auch in der Staatsduma. Die Abgeordnete von der Partei „Neue Leute“, Xenia Gorjatschewa, erklärte, dass es die Aufgabe des Staates sei, den jungen Menschen zu helfen, sich Klarheit zu verschaffen, und sie nicht abzuschreiben. Und „die Ausbildung spielt hier eine Schlüsselrolle“. Die Chefin des Duma-Ausschusses für den Schutz der Familie, Nina Ostanina (KPRF), erklärte, dass man gegen die Kinder keine Anschuldigungen vorbringen dürfe: „Die Tatsache, dass unsere Kinder überhaupt nicht verstehen, in was für einer Zeit sie leben, ist unsere Schuld, eine Schuld der Erwachsenen, der Eltern, Pädagogen, des Gouverneurs und der Abgeordneten“. Gouverneur Gladkow ist streng: Er verweist auf die „Bedingungen des Informationskrieges“ und möchte gern, dass die Halbwüchsigen ihre Handlungen nicht mit ihrer Minderjährigkeit rechtfertigen, wobei sei annehmen, dass mit ihnen nichts geschehen wird. Unklar ist, wie man mit seinem Vorschlag umgehen soll und dies unter Berücksichtigung dessen, dass jeder Bürger ein Recht auf eine kostenlose, das heißt eine vom Staat garantierte Berufsschul- und Hochschulausbildung hat. Eine andere Sache ist, dass dies in den letzten zwei Jahren die bei weitem nicht erste Initiative ist, die die Basis-, darunter die von der Verfassung festgeschriebenen Rechte tangiert. In der Zeit der militärischen Sonderoperation erstarkte eine gesetzgeberische Tendenz, die ohnehin im russischen politischen Feld zu spüren ist. Gemeint ist der Verbotscharakter der vorgeschlagenen Initiativen. Die Phantasie und Energie der öffentlichen Sprecher sind auf die Suche nach Bestrafungen für jene ausgerichtet, die sich aus irgendeinem Grunde nicht in die generelle Linie eingefügt haben. Dies wäre ohne einen Zugang zu staatlichen Hebeln nicht möglich gewesen. Keiner setzt auf die Kraft von Argumenten, auf einen überzeugenden Charakter in Diskussionen und einen Sieg des eigenen Standpunktes mit anderen Mitteln außer mit direkten Verboten und Strafmaßnahmen. Unter Berücksichtigung des ohnehin sperrigen Systems von Restriktionen birgt jegliche neue Initiative eine Ladung an Übermäßigkeit in sich. Vor was hat Gouverneur Gladkow unter den Bedingungen des „Informationskrieges“ Angst? Dass ein Halbwüchsiger mit „staatsfeindlichen“ Ansichten in einer staatlichen Hochschule beginnen wird, auf andere Studenten Einfluss zu nehmen und sich mit Propaganda zu befassen? Da wird er eher unter die bereits existierenden Normen inklusive der bereits in das Strafgesetzbuch aufgenommenen fallen. Wenn für solch eine Person – mag er auch jung sein – schon Bestrafungen vorgesehen sind, wozu sie dann vermehren? Eine Übermäßigkeit der auf eine Bestrafung abzielenden Initiativen ist für einen populistischen Diskurs typisch, dessen neue Wellen in der überschaubaren Zukunft scheinbar mit neuer Kraft über uns erfolgen werden. Dies hängt auch mit der Integration von Teilnehmern der militärischen Sonderoperation ins politische Leben, die sich scheinbar an einfache Lösungen unterschiedlicher Fragen und an die verständlichen Unterscheidungen nach den „eigenen“ und den „fremden“ Leuten gewöhnt haben. Die Idee zu bestrafen, findet stets emotionale Anhänger, entspricht den Stimmungen und löst bei denjenigen eine Billigung aus, die schnell und lautstark reagieren. Und sie bringt auch unabhängig davon, ob man sie in ein Gesetz verwandelt oder nicht, Punkte.