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Über den tragischen Fall von Roman Starowoit und das Schweigen der Herrschenden


Die Todesumstände des ehemaligen Verkehrsministers Roman Starowoit werden nicht klarer. Oben wird gesagt: Die Ermittlung geht dem nach. Da es um einen Beamten auf höchster Ebene geht, wird die Ermittlung sicher sehr leise und nicht öffentlich nachforschen. Es ist bekannt, dass Starowoit sich selbst getötet hat, aber nicht, warum. Im Internet, in den Telegram-Kanälen kann man sogar verschiedene Versionen lesen, wann das genau passiert ist. Der Selbstmord wurde bekannt, nachdem man Starowoit von seinem Posten abgesetzt hatte. Noch vor der tragische Nachricht hatte der Pressesekretär des russischen Präsidenten Dmitrij Peskow auf entsprechende Journalistenfragen mitgeteilt, dass die Entlassung nicht mit einem Vertrauensverlust zusammenhänge, andernfalls hätte es solch eine Formulierung in dem Erlass von Wladimir Putin gegeben. Peskow hatte man gefragt, ob man Starowoit aufgrund der Probleme in den russischen Flughäfen, zahlreichen Verspätungen und Flugannullierungen hätte entlassen können. Die Journalisten hatte gleichfalls die mögliche Verbindung der Entlassung mit den Korruptionsgeschichten im Verwaltungsgebiet Kursk interessiert, in dem man unter dem Verdacht von Unterschlagungen bei der Errichtung von Befestigungsanlagen den Ex-Gouverneur und früheren Berater von Starowoit, Alexej Smirnow, festgenommen hatte. Starowoit hatte selbst von 2019 bis einschließlich 2024 das Verwaltungsgebiet geleitet. Peskow erklärte, dass er nichts zum Gesagten hinzuzufügen habe. Natürlich kann man die mutmaßlichen Gründe der Ministerentlassung Spekulation nennen. Aber Spekulationen tauchen immer dann und immer deshalb auf, wenn der Machtapparat seine Entscheidungen nicht erklärt. Zweifellos fehlen dafür Impulse des Systems, es gibt keine völlig offene auf Wettbewerb basierende politische Landschaft, in der die herrschende Elite befürchten müsste, das Mandat zur Führung des Landes zu verlieren. Die Exekutive gibt keinen Kommentar zur Entlassung des Leiters einer wichtigen Behörde, deren Entscheidung alle Bürger betrifft (die Verkehrsprobleme der letzten Tage sind Beweis dafür). Die Legislative stellt der Exekutiven keine Fragen, sondern bestätigte am 8. Juli nur einstimmig Andrej Nikitin zum Verkehrsminister (war bis dahin einer der Stellvertreter von Starowoit – Anmerkung der Redaktion). Das System arbeitet weiter. Kann angenommen werden, dass der Selbstmord von Starowoit und seine Entlassung autonome Ereignisse, die nicht miteinander zusammenhängen, sind? Zulassen kann man alles, Zufälle kommen vor. Nur in diesem Fall scheinen sie eine extrem wenig wahrscheinliche Version zu sein. Die Entlassung des Ministers aufgrund der Probleme des Transportsystems wäre eine normale politische Reaktion gewesen. Ja, die amtierenden Offiziellen stehen unter keinem Druck von Konkurrenten, doch das Rating und der Vertrauenskredit der Gesellschaft sind für sie wichtig, die Zahlen bei den Wahlen sind bedeutsam. Wenn aber Menschen mehr als einen Tag in einem Flughafen verbringen oder mit alternativen Transportmitteln nicht aus einer Stadt in eine andere gelangen können, droht dies, unnötige Spannungen bei den Wählern auszulösen, die man Intrigen der Feinde oder ausländischen Agenten nicht zuschreiben kann. In jeglichem Land hätte man den zuständigen Minister entlassen können. Und selbst die Verdachtsmomente hinsichtlich einer Beteiligung des Ex-Ministers an den Kursker (Korruptions-) Geschichten hätten als ein legitimer Anlass für eine Absetzung dienen können, denn die Herrschenden hüten ihr Ansehen. Normal ist auch das, dass irgendwelche Fakten nach der Ernennung einer Person für ein Staatsamt bekannt werden. Wichtig ist die Fähigkeit zu reagieren, diese Reaktion zu demonstrieren sowie eine verständliche Kette von Ursachen und Folgen zu offerieren und nicht die Illusion zu wecken, dass ein hohes Amt nur ein tadelsfreier Mensch erhalten kann, der selbst nach einer Entlassung das Vertrauen bewahrt. Die Obrigkeit hat es vom Wesen her vorgezogen zu schweigen, indem sie auf die öffentlich vorgetragenen adäquaten Versionen nicht reagierte. Selbst „geprüfte“ Telegram-Kanäle und Medien haben keinen Zugang zu genauen Informationen erhalten. Der Effekt eines solchen Schweigens ist das Auftauchen neuer, nun schon Verschwörungstheorien rund um die Entlassung und den Suizid Starowoits. Das ist schon ein Narrativ, das schwer zu kontrollieren ist, auch von oben her. Es ist ebenfalls schwer zu sagen, welches Signal die Geschichte mit dem Ex-Minister und das faktische Schweigen des Machtapparats dazu anderen Beamten gibt, die einen hohen Posten ausüben oder haben wollen.