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Kirgisien will Zentralasien zwingen, für Wasser zu zahlen


Kirgisien will Zentralasien zwingen, für Wasser zu zahlen Usbekistans Präsident wird in Bischkek das Problem der Wasserressourcen erörtern Viktoria Panfilowa Im Verlauf des anstehenden Bischkek-Besuchs von Usbekistans Präsidenten Shavkat Mirziyoyev werden zum Hauptthema der Gespräche Fragen der gemeinsamen Wassernutzung. Wasser wird zu einer der Hauptressourcen der Region, da in Kirgisien ab dem kommenden Jahr ein neuer Wasserkodex in Kraft treten wird. Laut diesem wird Bischkek eine Bezahlung für die Wasserressourcen für alle Verbraucher – die in- und die ausländischen – einführen. Dies verwandelt Wasser in eine Ware wie Erdöl, Gas und Elektroenergie und bedeutet, dass das derzeitige Prinzip „Wasser als Gegenleistung für Strom“ zu wirken aufhört. Die Entscheidung Bischkeks kann zu einer Revision der regionalen Beziehungen führen. Das Problem der Aufteilung der Wasserressourcen ist seit Jahrzehnten ein wunder Punkt für Zentralasien, der Spannungen auslöst. Bereits in den 90er Jahren hatten die damaligen Präsidenten Kasachstans, Usbekistans und Kirgisiens – Nursultan Nasarbajew, Islam Karimow und Askar Akajew – bei der Erörterung der Idee der Schaffung eines zentralasiatischen Bündnisses die Möglichkeit diskutiert, ein Wasser- und Energiekonsortium für eine gerechte Aufteilung des Wassers zu bilden. Jedoch war es den Staatsoberhäuptern der drei Länder ungeachtet der edlen Absichten nicht gelungen, sich über die Schaffung solch eines Mechanismus zu einigen. Somit bleibt diese Frage nach wie vor für die regionale Integration eine aktuelle. Ein Regierungsabkommen zwischen Kasachstan, Kirgisien und Usbekistan über die Nutzung der hydroenergetischen Ressourcen im Naryn-Syrdarja-Becken war bereits im März 1998 unterzeichnet worden. Tadschikistan trat ihm ein Jahr später bei. In den nachfolgenden Jahren wurden regelmäßig Ergänzungen und Veränderungen ihm vorgenommen. Dies löste aber nicht das Problem, da in den nationalen Gesetzen dieser Länder Wasser als eine Ressource ausgewiesen wird, die dem Staat gehört. Schon damals hatte das sowjetische Systeme für eine unentgeltliche Wassernutzung, das auf dem Barter-Austausch „Wasser im Sommer – Strom im Winter“ beruhte, seine Anfälligkeit demonstriert. Die Situation hielten internationale Dokumente unter Kontrolle, die festgelegt hatten, das Problem der Wassernutzung gemeinsam zu lösen. Ein neues Protokoll über die Regulierung der hydroenergetischen Balance in der Region bis zum Jahr 2026 unterzeichnete am 7. September Kasachstan, Kirgisien und Usbekistan, wie der Pressedienst des Energieministeriums Kasachstans meldete. Das Dokument schreibt Pflichten der Seiten zur Gewährleistung eines Ableitens von Wasser aus dem Toktogul-Stausee im Gegenzug für Stromlieferungen aus Kasachstan und Usbekistan für Kirgisien fest. Außerdem wurden Bedingungen für einen Transit von Elektroenergie aus Russland nach Kirgisien durch das Energiesystem Kasachstans abgestimmt. „Kasachstan erfüllt seine Pflichten und rechnet mit einem analogen Vorgehen seitens der Partner. Dies ist die Grundlage für die Stabilität der Energiesysteme und der Wasserversorgung für die gesamte Region“, erklärte Kasachstans Energieminister Jerlan Akkenschenow. Doch ab dem kommenden Jahr wird sich die Situation grundlegend verändern. In Kirgisien ist am 1. Juli 2025 ein neuer Wasser-Kodex verabschiedet worden, der ab dem 1. Januar 2026 die Einführung einer Bezahlung des Wassers für alle Verbraucher – sowohl der in- als auch der ausländischen – vorsieht. In Kirgisien ist die Frage nach einem Verkauf von Wasser an die Nachbarn vor recht langer Zeit auf die Tagesordnung gekommen (siehe „NG“ vom 04.10.2018). Experten sind der Auffassung, dass das existierende System für Kompensationen auf dem Gebiet der Hydro- und Energieressourcen unvollkommen sei: Die Länder der Oberläufe der Flüsse Amudarja und Syrdarja – Kirgisien und Tadschikistan – erhalten unzureichend die erforderlichen Gelder oder andere Ressourcen als Kompensation für die Gewährleistung der Wassermengen. Kirgisien nutzt beispielsweise vom Gesamtumfang der Wassermengen nur 20 Prozent. Die übrigen gelangen auf die Territorien der Nachbarstaaten. Es bestehen gleichfalls Beanstandungen gegenüber den Ländern an den Unterläufen – an Usbekistan und Kasachstan – aufgrund der unrationellen Wassernutzung. Eine gesonderte Frage steht in Bezug auf Afghanistan, das, wie Igor Schestakow, Direktor des Zentrums für Experten-Initiativen „Oy Ordo“, gegenüber der „NG“ berichtete, einen riesigen Staudamm errichte und große Wassermengen des Flusses Amudarja abzapfe. Dabei seien die Verluste bei der Entnahme des Wassers noch nicht berechnet worden. Glücklicherweise sei es nach Aussagen des Politologen Zentralasien bisher gelungen, große Wasser-Konflikte zu vermeiden. Unter den Bedingungen Zentralasiens, wo die Wasserarterien Staatsgrenzen passieren, erlange jedoch der Verkauf von Wasser eine explosiven Charakter. Kirgisien legalisiere faktisch Wasser als eine Ware, die an die Länder verkauft werden könne, die unterhalb der Flussläufe gelegen sind, an solche wie Kasachstan und Usbekistan. Dabei müsse man berücksichtigen, dass die Industrie und Landwirtschaft dieser Republiken in kritischem Maße von den Wasserlieferungen aus Kirgisien abhängen. Nach seiner Meinung sei das Erreichen eines Konsens zwischen den Ländern Zentralasiens zu den Fragen der Wassernutzung eine notwendige Bedingung für eine erfolge regionale Integration und Schaffung einer zentralasiatischen Union. „Die Wasserfrage wird der Union zugrunde liegen. Andernfalls wird es zu keiner zentralasiatischen Integration kommen“, unterstrich Schestakow. Daher wurde, wie der Experte annimmt, beim jüngsten Bischkek-Besuch von Kasachstans Präsident Qassym-Schomart Tokajew (21.-22. August) dem Thema der Wasserressourcen erhebliche Aufmerksamkeit gewidmet. Der anstehende Kirgisien-Besuch von Usbekistans Präsident Shavkat Mirsiyoyev werde gleichfalls unter dem Vorzeichen der Wasser-Agenda erfolgen. Es sei kein Zufall, dass die Leiterin der Administration des usbekischen Präsidentin, Saida Mirsiyoyeva, in Bischkek weilte, die mit dem kirgisischen Präsidenten Sadyr Dschaparow Fragen der bilateralen Zusammenarbeit und Jugendpolitik erörterte. „Die Wasserfrage ist eine Frage des Friedens und der Stabilität in der Region“, resümierte Schestakow, wobei er unterstrich, dass die Lösung dieses fundamentalen Problems ein Unterpfand für das Wohlergehen und eine stabile Entwicklung von ganz Zentralasien sei. Schestakow betonte gleichfalls, dass die Frage nach der Nutzung der Wasserressourcen in Zentralasien große Aufmerksamkeit seitens der strategischen Partner der Region auslöse. Während die Europäische Union lediglich beginne, ihr Zusammenwirken mit Zentralasien zu gestalten, wobei sie Interesse für die Wasser-Problematik bekundet, so würden sich Russland, die USA und Großbritannien schon lange in diesem Bereich engagieren. „Die ausländischen Partner begreifen: Die Zusammenarbeit bezüglich der Fragen der Wassernutzung wird eine bestimmende Rolle bei deren strategischen Präsenz in der Region spielen. Zentralasien befindet sich gegenwärtig im Fokus der internationalen politischen Aufmerksamkeit. Und die Kontrolle der Wasserressourcen wird zu einem wichtigen Instrument für eine Verstärkung der Positionen und des Einflusses in dieser strategisch bedeutsamen Region“, meint der Politologe. Daneben ist die Frage nach dem Wasser auch stark mit der Innenpolitik verbunden. Kirgisien befindet sich an der Schwelle zu Parlaments- und Präsidentschaftswahlen. Daher werden die künftigen Volksvertreter und Präsidentschaftskandidaten die Frage der Wähler beantworten müssen, wie vorteilhaft das Land seine Wasserressouren realisiert und was für einen Gewinn es dadurch erzielt. Somit erlangt die Wasser-Strategie nicht nur eine wirtschaftliche, sondern auch eine brisante politische Bedeutung.