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Bei entscheidenden Wahlen in Armenien hat der regierungsnahe Kandidat die Opposition besiegt


In Wagharschapat haben Kommunalwahlen stattgefunden, bei denen die regierende Partei „Zivilvertrag“ einen Sieg erringen konnte. Die Partei von Premierminister Nikol Paschinjan unterstützten 48,5 Prozent der Wähler. Dies reichte aber, um die Mehrheit im Stadtparlament zu erhalten und eigenständig den Bürgermeister zu ernennen. Die Offiziellen bewerteten die Abstimmungsergebnisse so, als hätten sie gleichzeitig die Mehrheit bei gesamtnationalen Parlamentswahlen errungen und eine Absetzung von Katholikos Garegin II. erreicht. Allerdings haben sie auch solche Pläne.

Insgesamt hatten acht Parteien an den Wahlen teilgenommen, von denen sechs mit den Ex-Präsidenten Robert Kotscharjan und Sersch Sargsjan in Verbindung stehen. Jedoch konnten die Sperrklausel (4 Prozent für Parteien und 6 Prozent für Wahlblöcke) nur drei Organisationen überwinden: „Zivilvertrag“ (48,5 Prozent), der Block „Pobeda“ (deutsch: „Sieg“), dem die Parteien „Vorwärts“ und „Daschnakzutjun“ angehören „31,9 Prozent) und die Partei „Mutter Armenien“ (5,4 Prozent). Letzten Endes erhielt die Partei Paschinjans 19 Abgeordnetenmandate von insgesamt 33 und kann problemlos ihr Mitglied Argischti Mechakjan als Bürgermeister von Wagharschapat bestätigen.

Die die Partei „Zivilvertrag“ unterstützenden Medien bezeichneten die Wahlergebnisse als „neues Sardarapat“ (heute: Armavir), womit sie eine Analogie zum Sieg der Armenier über die Armee des Osmanischen Reichs vom 24. bis 26. Mai 1918 aufzeigten. Für solch eine Aufmerksamkeit für den munizipalen Wahlprozess gibt es mehrere zusammenhängende Gründe.

Erstens hatte die Opposition nach dem Erfolg bei den Wahlen in Gjumri geglaubt, dass man die Partei Paschinjans auf legalem Wege besiegen könne, und gehofft, Wagharschapat zu einem Sprungbrett zu den Parlamentswahlen des kommenden Jahres zu verwandeln.

Zweitens befindet sich in dieser Stadt Etschmiadsin, die Residenz des Oberhauptes der Armenischen apostolischen Kirche, Garegin II., dessen Absetzung Paschinjan seit dem Frühjahr zu erreichen sucht.

Die gegen die Kirche gerichtete Kampagne des Premiers findet bei vielen kein Gefallen. Ja, und die Konzentration der Anhänger des Katholikos im Gebiet seines Wohnsitzes müsste größer als sonst noch wo sein. Daher erschienen die Wahlen in Wagharschapat den Oppositionellen als eine passende Möglichkeit, dem Regime einen schmerzhaften Schlag zu versetzen.

Gleichfalls sollte der Opposition der Umstand dienlich sein, dass die Wahlen vor dem Hintergrund eines Korruptionsskandals abgehalten werden mussten. Die bisherige Bürgermeisterin der Stadt, Diana Gasparjan, die die Partei „Zivilvertrag“ repräsentierte, war gezwungen gewesen, freiwillig zurückzutreten, nachdem Medien berichtet hatten, dass sie Verwandten Grundstücke zu reduzierten Preisen verkauft hätte. Infolge dessen wurde gegen sie ein Strafverfahren aufgrund von Geldwäsche und des Missbrauchs dienstlicher Vollmachten eingeleitet.

Ungeachtet dessen hat die Opposition verloren. Die Paschinjan-Gegner behaupten, dass zu einem der Gründe die Vereinigung von Wagharschapat mit der anderen Gemeine Khoi kurz vor den Wahlen geworden war. Zur gleichen Zeit hebt dies nicht die Tatsache auf, dass es die Gegner von Paschinjan nicht verstanden hatten, sich zu vereinigen. Und die Unterstützung der meisten ihrer Organisationen befand sich auf dem Niveau des statistischen Fehlers.

„Es muss betont werden, dass die Wahlen vor dem Hintergrund beispielloser Repressalien gegen die Opposition und eines massenhaften Einsatzes administrativer Ressourcen seitens der Herrschenden stattfanden. Aber selbst ungeachtet dessen hat die Partei „Zivilvertrag“ ihre Ergebnisse im Vergleich zu 2021 wesentlich verschlechtert. Wenn man Wagharschapat an sich nimmt, so hat die regierende Partei dort faktisch verloren. Den eigentlichen Sieg brachte ihr die Gemeinde Khoj, die man kurzfristig vor den Wahlen mit Wagharschapat vereinte“, berichtete der Leiter des Analytischen Zentrums für strategische Studien und Initiativen, Aik Khalatjan, der „NG“.

Zur gleichen Zeit hätten die Wahlen aus der Sicht des Experten den Erfolg jener Kräfte bestätigt, hinter denen Ex-Präsident Robert Kotscharjan steht. Unter Berücksichtigung dessen, dass die Partei des in Ungnade gefallenen Oligarchen Samwel Karapetjan vorhat, an den Parlamentswahlen im Juni kommenden Jahres teilzunehmen, würden die Chancen der Opposition für einen Sieg größer sein, meint Khalatjan.

„Dabei müssen die Paschinjan-Gegner an den Fehlern arbeiten. In erster Linie muss man sich darüber Gedanken machen, dass die Teilnahme einer Vielzahl oppositioneller Kräfte zu einer Aufsplitterung der Stimmen führt. Im Ergebnis dessen werden die meisten Oppositionsorganisationen nicht die Sperrklausel überwinden. Gleichfalls muss die Arbeit im Bereich der Informationstätigkeit mit den Bürgern wesentlich verbessert werden“, resümierte der Experte.

Wie dem auch immer sein mag: In der Partei „Zivilvertrag“ verhehlt man nicht die Freude. Gleich nach Schließung der Wahllokale kam die gesamte Spitze der Regierungspartei inklusive des Parlamentschefs Alen Simonjan und des Leiters des Apparats des Premierministers, Araik Arutjunjan, nach Wagharschapat. Sie nahmen an einem Festumzug durch die nächtliche Stadt teil.

„Sie haben den Kandidaten von „Zivilvertrag“, Argischti Mechakjan, gewählt und damit bestätigt, dass ein friedliches, prosperierendes und demokratisches Armenien die beste Form ist, das Andenken an unsere Märtyrer zu verewigen… Sie haben der Strategie von „Zivilvertrag“ zur Stärkung unserer Staatlichkeit, Unabhängigkeit, Souveränität und Freiheit eine gewaltige Unterstützung erwiesen. Durch ihre Wahl haben Sie dem Prozess der Befreiung unseres Allerheiligsten, dem Mütterlichen Thron des Heiligen Etschmiadsin, von Ktritsch Nersissian (Garegin II. – „NG“) einen wichtigen Impuls gegeben“, erklärte Paschinjan gegenüber den Einwohnern von Wagharschapat.

Derweil besuchte die stellvertretende Leiterin des US-Außenministeriums für politische Fragen, Allison Hooker, Jerewan. Sie erörterte unter anderem mit der Regierung Armeniens weitere Schritte zur Realisierung des Projekts „Trump-Weg“ (TRIPP). Bekanntlich rechnet Paschinjan damit, die Bauarbeiten dafür in der zweiten Hälfte des kommenden Jahres zu beginnen, d. h. nach den Parlamentswahlen. Seinerseits erklärte Aserbaidschans Präsident Ilham Alijew, dass die Bauarbeiten auf dem Territorium seines Landes sich bereits dem Ende nähern würden.