In der einheimischen Industrie erfolgt ein Rückgang der Investitionen, und die Produktion befindet sich insgesamt „in einem Grenzzustand zwischen Stagnation und Rückgang“, informieren unabhängige Wirtschaftsexperten. Das russischen Industrie- und Handelsministerium gesteht offiziell eine Rezession nur in einigen Industriebranchen ein. Einer der wenigen wachsenden Sektoren in der Russischen Föderation sind die Herstellung und der Export von Düngemitteln. Im Durchschnitt befindet sich die Rentabilität der Industrieproduktion in Russland unterhalb des Stands der aktuellen Zinssätze für Kredite.
Die russische Industrie balanciert insgesamt zwischen einer Stagnation und einem Rückgang. Im September dieses Jahres ging unter Berücksichtigung der saisonbedingten und kalendarischen Faktoren die Fertigung im Vergleich zum vorangegangenen Monat um ein Prozent nach einem Wachstum um 0,6 Prozent im August zurück, teilten Experten des Zentrums für makroökonomische Analyse und ein kurzfristiges Prognostizieren mit. Dabei hat sich laut den Ergebnissen der vorangegangenen drei Monate der Umfang der Industrieproduktion praktisch nicht verändert.
Der Umfang der Industrieproduktion im September war etwas größer als der des gefloppten ersten Quartals dieses Jahres. Doch war er spürbar geringer als die Spitzenwerte des Mais (minus 2,4 Prozent) und des vergangenen Dezembers (minus 3,6 Prozent), ermittelten die Experten.
Der Index der Industrieproduktion geht im Vergleich zum entsprechenden Zeitraum des letzten Jahres und hinsichtlich aller Sektoren stabil zurück, vorerst aber bleibt er in einem schwach positiven Bereich: September – plus 0,3 Prozent nach 0,5 Prozent im August und 0,7 Prozent im Juli. Die Experten betonen aber, dass der Produktionsindex hinsichtlich des gleichen Zeitraums des Vorjahres ein verspäteter Indikator sei, der die Bilanz der Industrie für die letzten zwölf Monate, aber nicht die aktuelle Geschwindigkeit des Rückgangs der Produktion wiedergibt. Dennoch wird der Produktionsindex im Vergleich zum entsprechenden Zeitraum des vergangenen Jahres unter Abzug der Branchen mit einer dominierenden Präsenz von Rüstungsfertigungsstätten mit minus 1,1 Prozent beziffert, und in den zivilen verarbeitenden Branchen (unter Ausklammerung der Erdölverarbeitung ) mit minus 1,82 Prozent. Die Berechnungen des Zentrums für makroökonomische Analyse und ein kurzfristiges Prognostizieren (ZMAKP) können sich von den Ausgangsdaten des russischen Statistikamts Rosstat, in denen keine Korrekturen aufgrund des Saisoncharakters und des Kalenderfaktors vorgenommen wurden, unterscheiden.
Im zweiten Quartal des laufenden Jahres hielt der Rückgang der Rentabilität in der Industrie an. Der aktuelle Stand der Rentabilität hat praktisch mit den rekordverdächtigen geringen Werten der COVID-Zeiten gleichgezogen. Die Kluft zwischen Rentabilität und den Zinssätzen von Krediten hat einen absoluten Rekord erreicht. „Solch eine Situation nimmt offenkundig der Investitionsaktivität die Stimuli, was die potenzielle Fertigung in der Perspektive verringert, mittelfristig eine Erweiterung des Angebots einschränkt und somit bei ähnlichen Umständen eine erhöhte Inflationsrate in der Zukunft fördert“, betonte die Experten des ZMAKP. Dass die extrem teuren Kredite zu keinem Wachstum der Produktion, sondern zu deren Rückgang führen, haben einheimische Wirtschaftsfachleute schon mehrfach mitgeteilt. Die Belastung durch die Zinszahlungen in Bezug auf bisherige Kredite auf die aktuellen Einnahmen der Unternehmen nimmt rasch zu, und mit Stand des dritten Quartals des laufenden Jahres hat sie ein historisches Maximum fixiert und erreichte 39 Prozent.
Die Investitionsaktivität nimmt in der Russischen Föderation weiterhin ab. Dem Angebot an Waren für Investitionszwecke nach zu urteilen, ist es verfrüht, von einer Stabilisierung der Investitionen zu sprechen. Das Angebot von Baumaterialien ist in der Russischen Föderation bereits fast bis auf den Stand von 2019 eingebrochen, d. h. bis zu einem Minimum für die letzten Jahre.
Von den hohen Werten für die Investitionsaktivität, die Mitte vergangenen Jahres beobachtet wurden, bis zur Talsohle im Jahr 2022 hat die russische Wirtschaft bereits drei Viertel des Weges zurückgelegt. Bei Wahrung der gegenwärtigen Tendenz wird in wenigen Monaten der Investitionsantirekord der letzten Jahre, der im Jahr 2022 aufgrund des Sanktionskrieges markiert wurde, „egalisiert“, prognostizieren die Experten. „Nur werden dieses Mal nicht die Sanktionen zu einem Schock, sondern die extrem strenge – und in dieser Härte lange – Geld- und Kreditpolitik“, wird in einem ZMAKP-Report betont.
Dass die anormale Politik der Zentralbank der Russischen Föderation jegliche Produktion in Russland zu einer sinnlosen mache, belegt ein Vergleich der aktuellen Rentabilität der Branchen mit dem Investieren ihrer Mittel in föderalen (staatlichen) Anleihen. Wenn der Erwerb staatlicher Schuldverschreibungen größere Einnahmen als die Produktionstätigkeit beschert, so wird eine Fortsetzung der Arbeit der Unternehmen aus wirtschaftlicher Sicht im Rahmen der unter den russischen Offiziellen dominierenden Geldtheorien zu einer sinnlosen.
„Die Gruppe der Branchen, in denen die Rentabilität der staatlichen Schuldverschreibungen über der aktuellen Rentabilität oder ihr praktisch gleichkommt, hat bereits alle Industriesektoren mit Ausnahme des Öl- und Gassektors und der Chemieindustrie erfasst. In einer besonders schwierigen Situation mit dem größten Übersteigen der Rentabilität durch eine risikofreie Rentabilität hinsichtlich der staatlichen Schuldverschreibungen sind die Holzverarbeitung, der Maschinenbau und die Herstellung von Papiererzeugnissen geraten“, wird in dem Bericht des ZMAKP hervorgehoben.
Die Differenz zwischen der aktuellen Rentabilität und der Rentabilität der in staatlichen Schuldverschreibungen angelegten Gelder betrug im Transportmaschinenbau minus 14,6 Prozent und in der Holzverarbeitung minus 20,4 Prozent. Dabei übersteigt im Öl- und Gassektor sowie in der Chemieindustrie die aktuelle Rentabilität bisher noch die Rentabilität der staatlichen Schuldverschreibung um 9,9 Prozent. Solch eine Situation provoziert ein Zurückfahren der Produktion in den meisten Branchen und die Bewahrung eines relativen Wohlergehens in anderen. Diese Tatsache des Beginns einer Rezession wird auch in der russischen Regierung offiziell anerkannt.
Das Schrumpfen der Nachfrage und die hohen Kreditzinsen „haben vom Wesen her den Bereich des Landmaschinenbaus zu einer Rezession geführt“, teilte Anton Alichanow, Russlands Minister für Industrie und Handel, während einer Regierungsfragestunde in der Staatsduma am vergangenen Mittwoch mit. „Ein Freiwerden der Lager unserer Hersteller und Händler erfolgt langsam. Es ist uns zusammen mit dem Landwirtschaftsministerium gelungen, den Rückgang der Verkäufe, der im ersten Halbjahr hinsichtlich einiger Segmente mehr als 50 Prozent ausmachte, zu verlangsamen“, berichtete der Minister den Abgeordneten. Zur gleichen Zeit informierte er auch über ein relatives Wohlergehen des russischen Chemiekomplexes. Nach Aussagen von Alichanow versorge die Chemieindustrie vollkommen die russischen Agrarerzeuger mit allen Arten von Düngemitteln, wobei zwei Drittel ihrer Produktionsmengen exportiert werden würden. Insgesamt hätten laut seinen Angaben die Düngemittel-Hersteller in den letzten zehn Jahren fast zwei Billionen Rubel in ihre Produktion investiert.