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Russland und Indien werden ins Jahr 2030 schauen


Ungeachtet der sich gehäuften Versuche der USA, die russisch-indischen Verbindungen zu untergraben, arbeiten Moskau und Delhi an einer Erweiterung der Zusammenarbeit im Vorfeld des Indien-Besuchs von Wladimir Putin, der laut Angaben des Kremls vom Freitag am 4. und 5. Dezember stattfinden wird. Das neue, das bereits 23. bilaterale Treffen der Spitzenvertreter Russlands und Indiens soll den besonders privilegierten Status der 25jährigen strategischen Partnerschaft der beiden Länder bestätigen.

Es sei daran erinnert, dass Moskau und Delhi während des Staatsbesuchs von Putin in Indien im Jahr 2000 eine Deklaration über die strategische Partnerschaft zwischen beiden Ländern unterzeichneten. Dieses Dokument wurde zur Grundlage für regelmäßige Gipfeltreffen und die Entwicklung von Mechanismen für die Zusammenarbeit hinsichtlich einer ganzen Reihe von Richtungen – der politischen, wirtschaftlichen, militärtechnischen, wissenschaftlichen, kulturellen u. a. Im Jahr 2010 wurde der Status der Beziehungen bis zu einer besonders privilegierten strategischen Partnerschaft angehoben. „Russland und Indien unterhalten über Jahrzehnte besondere Beziehungen – freundschaftliche, vertrauensvolle. Dies ist das Fundament für die Entwicklung unserer Beziehungen in der Zukunft“, sagte Russlands Präsident bei einem Treffen mit Indiens Premierminister Narendra Modi am Rande des Summits der Shanghai-Organisation für Zusammenarbeit in der chinesischen Stadt Tianjin im August dieses Jahres.

Die Partnerschaft der Russischen Föderation und Indiens hat mehrfach Prüfungen durchlaufen und unterliegt insgesamt keinen konjunkturellen Schwankungen. Und der regelmäßige Charakter der Gipfeltreffen belegt das Streben der Spitzenvertreter beider Länder, mit jedem neuen Zusammenkommen der Zusammenarbeit einen zusätzlichen Impuls zu verleihen und einen Uhrenvergleich hinsichtlich der internationalen Problematik vorzunehmen.

Im Vorfeld des Besuchs von Putin hat Indien offiziell zwei neue Generalkonsulate in Russland – in Kasan und in Jekaterinburg – eröffnet. An der feierlichen Eröffnungszeremonie hatte Indiens Außenminister Subrahmanyam Jaishankar, der sich zu einem Besuch in Russland aufgehalten hatte, teilgenommen. „Ich bin sicher, dass mit der Eröffnung der zwei neuen Konsulate die russisch-indischen Beziehungen noch mehr erstarken, und dies markiert bestimmt eine neue Phase in unseren Beziehungen“, erklärte der Minister. Nach seinen Worten lebe in Russland eine große indische Diaspora einschließlich mehr als 30.000 Studenten, von denen sich 7.000 im Wirkungsbereich des neuen Konsulats in Kasan und 3.000 in dem von Jekaterinburg befinden.

Die Vereinbarung über die Einrichtung der neuen indischen Konsulate in der Russischen Föderation war im Verlauf des Besuchs unseres Landes von Premier Modi im vergangenen Jahr erzielt worden. Zu einem Ergebnis jenes Summits wurde die gemeinsame Erklärung „Russland-Indien: eine feste und sich erweiternde Partnerschaft“. Den zuständigen Institutionen war der Auftrag erteilt worden, ein Programm für die Entwicklung der strategischen Richtungen der russisch-indischen Wirtschaftskooperation für den Zeitraum bis zum Jahr 2030 (das sogenannte Programm-2030) vorzubereiten und abzustimmen. In dem hat ein breites Spektrum von Themen eine Verankerung erfahren, zu denen aktiv gearbeitet wird – von der Logistik und dem Zahlungsverkehr bis zu Fragen der Migration und Arbeitskräfteressourcen.

So können laut Informationen der indischen Zeitung „The Economic Times“ im Verlauf des anstehenden Gipfeltreffens die Seiten ein Abkommen über die Mobilität von Arbeitskräften unterzeichnen, dass eine Erhöhung der Zahl der Bürger Indiens fördern soll, die in Russland arbeiten. Die Arbeitsmigranten bzw. Gastarbeiter aus den Ländern, die ein Visum benötigen, darunter aus Indien, kommen entsprechend einem System von Quoten nach Russland. Und gegenwärtig beträgt die Quote für Bürger Indiens etwa 72.000. Sie arbeiten vor allem im Bauwesen und in der Textilindustrie. Quellen des Blattes, die mit der Situation vertraut sind, betonen jedoch, dass die Nachfrage nach qualifizierten Arbeitern und Spezialisten aus Indien ebenfalls im Maschinenbau und in der Elektronik-Industrie Russlands zunehme.

Russland und Indien erschließen neue hochtechnologische Nischen, die die Realisierung der von Putin und Modi gestellten Aufgabe – eine qualitativ hochwertige Diversifizierung der Handels- und Wirtschafts- sowie der Investitionsbeziehungen zu sichern und den gegenseitigen Handel bis zum Jahr 2030 auf einen Stand von bis zu 100 Milliarden Dollar zu bringen — gewährleisten sollen.

Der im Verlauf von Jahrzehnten traditionelle Warenaustausch zwischen unseren Ländern, der einen Umfang von vier bis acht Milliarden Dollar ausmacht, hat seit dem Jahr 2022 drastisch zugenommen. Laut Angaben des russischen Ministeriums für Wirtschaftsentwicklung hat er in den letzten fünf Jahren um das 7fache zugenommen und erreichte im laufenden Jahr bisher einen Rekord von 70 Milliarden Dollar.

Zu einem Impuls für die drastische Zunahme des Handels wurden die russischen Erdöllieferungen nach Indien, deren Anteil am Gesamtimport von Delhi 35 bis 40 Prozent zu erreichen begann. Nach Ausbruch des bewaffneten Konflikts in der Ukraine verwandelte sich Indien zu einem der größten Käufer russischen Erdöls, womit „Moskau ein Rettungsring zugeworfen wurde“, schreibt das Hongkonger Blatt „Asia Times“. Delhi erhöhte den Import von Erdöl aus der Russischen Föderation von 100.000 Barrel am Tag zu Beginn des Jahres 2022 bis fast 1,8 Millionen Barrel am Tag in diesem Jahr, das heißt um das 7fache.

Die Attraktivität des russischen Erdöls für Indien liegt auf der Hand. Es ist um zehn bis zwanzig Dollar billiger als die internationalen Spitzenmarken, was Delhi erlaubt, jedes Quartal riesige Geldmittel zu sparen und stabile Brenn- und Kraftstoffpreise im Land zu sichern. Mehr noch, Indien wurde nicht nur zum größten Importeur russischen Erdöls, sondern auch dessen Verarbeiter, wobei die gewonnenen Erdölprodukte in Länder der Europäischen Union geliefert und ansehnliche Gewinne erzielt werden.

Die umfangreichen russischen Öllieferungen nach Indien lösten äußersten Unmut der Vereinigten Staaten aus, die von Indien verlangten, die Öl-Einkäufe aus Russland zu beenden. Um auf Indien Druck auszuüben, verhängte Präsident Donald Trump im August Strafzölle in einer Höhe von 50 Prozent für den gesamten indischen Import in den USA, was zu einem der höchsten Werte in dessen Tarifkrieg gegen beinahe die ganze Welt wurde. Trump begründete die Anhebung der Zölle damit, dass Indien weiterhin russisches Erdöl beziehe, und bezeichnete den Konflikt Russlands mit der Ukraine als einen „Krieg von Indiens Premierminister Narendra Modi“.

Der offizielle Sprecher des indischen Außenministeriums, Randhir Jaiswal, bezeichnete den fast einem Verbot gleichenden amerikanischen Tarif als einen „ungerechten und nicht gerechtfertigten“.

Und als auch diese Maßnahme keine Wirkung zeigte, verhängte Washington umfangreiche Sanktionen gegen die russischen Ölkonzerne Rosneft und LUKOIL sowie deren 34 Tochterunternehmen, wobei eine Einstellung der Lieferungen russischen Erdöls nach Indien erwartet wurde. Gemäß einer Anordnung des Finanzministeriums sind die USA berechtigt, jegliches ausländische, darunter auch indisches Unternehmen, jegliche Bank und jegliches Versicherungsunternehmen, die nach dem 21. November weiterhin mit den russischen Ölgiganten Geschäfte abwickeln, zu bestrafen. Damit schneiden die Vereinigten Staaten die Widerspenstigen von den amerikanischen Märkten ab und schließen sie aus dem globalen Bankensystem aus.

Es versteht sich, dass dieser Umstand Besorgnis in Indien auslöst, das nicht den Wunsch hegt, die Konfrontation mit den USA zuzuspitzen. Aber es ist auch nicht gewillt, den billigen russischen Ölmarkt (als Bezugsquelle) zu verlieren. Nach Aussagen von Kremlchef Putin werde Indien bei einem Verzicht auf russische Energieträger einen Verlust in einer Höhe von neun bis zehn Milliarden Dollar erleiden.

Es überrascht nicht, dass die indischen staatlichen Ölraffinerien ungeachtet der neuen amerikanischen Sanktionen beabsichtigen, den Erwerb russischen Erdöls fortzusetzen, wenn auch in geringeren Umfängen, meldete die Nachrichtenagentur Bloomberg. So wird von ihnen die Möglichkeit untersucht, Erdöl von weniger großen russischen Tradern zu erwerben, die bisher nicht von den Restriktionen der USA betroffen sind. Und die Zeitung „The New York Times“ vermutet, dass die indischen Unternehmen jetzt gezwungen sein werden, Erdöl in Russland in kleinen Mengen und unter Umgehung offizieller Kanäle zu erwerben.

Unter den entstandenen Umständen muss Indien zwischen dem Risiko, ein Objekt sekundärer US-Sanktionen zu werden, und dem Bestreben, den vorteilhaften Import von Erdöl aus Russland beizubehalten, balancieren. Delhi ist gleichfalls darüber besorgt, dass sich im Zusammenhang mit der drastischen Zunahme der Einkäufe von Erdöl und Erdölprodukten eine riesige Dysbalance im Handel mit Moskau ergeben hat. Schließlich beläuft sich der indische Export in unser Land nur auf etwa vier Milliarden Dollar im Jahr.

Es ist offensichtlich, dass all diese Problemfragen während des Delhi-Besuchs von Putin angesprochen werden. Dort findet Anfang Dezember auch ein russisch-indisches Business-Forum statt, dessen Programm eine Serie von Diskussionen umfasst, die unterschiedlichen Aspekten der bilateralen Zusammenarbeit gewidmet sein werden. Unter den hauptsächlichen Diskussionsthemen sind die über die Möglichkeiten für eine Erweiterung der Präsenz indischer Maschinenbau- und anderer technischer Erzeugnisse auf dem russischen Markt, für eine Erhöhung der Einkäufe indischer Lebensmittel- und pharmazeutischer Waren durch Russland, die Erweiterung der Industriekooperation, die Entwicklung beiderseitiger digitaler Leistungen u. a. Das heißt, der Akzent wird auf neue Bereiche der Zusammenarbeit entsprechend den nationalen Interessen und Anforderungen der Zeit gesetzt.

Zum russisch-indischen Summit wird ein solides Paket von Dokumenten zur Unterzeichnung vorbereitet. Neben den Handels- und Wirtschaftsbeziehungen wird es, wie Diplomaten-Quellen der „NG“ mitteilten, die Bereiche der militärtechnischen, wissenschaftlichen, kulturellen und humanitären Zusammenarbeit sowie die Bereiche Kernenergie und Transportwesen erfassen. Es wird erwartet, dass das 23. Gipfeltreffen zu einer wichtigen Zäsur bei der weiteren Verstärkung der besonders privilegierten strategischen Partnerschaft Russlands und Indiens wird.