Der nicht aufhörende Konflikt in Bergkarabach hat offen und scharf die Frage nach der Zulässigkeit einer Internationalisierung der Kampfhandlungen aufgeworfen. Diesem Problem hat sogar die russische Führung Augenmerk geschenkt, indem sie auf Anzeichen einer sogenannten „Syrisierung“ der gegenwärtigen Zuspitzung unter anderem durch kurdische Kämpfer, die in vielen Ländern als ungesetzliche angesehen werden, hinwies. Jedoch als ein weitaus größeres kann sich das damit verbundene Problem der Involvierung der sich im Ausland befindlichen Landsleute erweisen, die, wie die Praxis zeigt, nichtregulären Einheiten angehören. Solche Freiwilligen werden unter anderem auch in Russland angeworben.
Dass in die Region von Bergkarabach Männer mit Pässen absolut anderer Länder kommen, darunter aus Russland und den USA, haben große russischsprachige Medien bereits berichtet. Nach ihren Beobachtungen bilden den Hauptteil dieses Zustroms armenische „Freiwillige“, die nicht den Versuch unternehmen, weder das Ziel ihres Eintreffens noch das Land, von woher sie gekommen sind, zu verheimlichen. Vor nicht allzu langer Zeit veröffentlichten die BBC und die Moskauer „Novaya Gazeta“ Aufzeichnungen von Gesprächen mit einigen dieser Angekommenen, die offen die Bereitschaft signalisierten, gegen die aserbaidschanischen Kräfte zu kämpfen. Die Situation veranlasst zu Parallelen mit den Ereignissen der 1990er Jahre. Bekannt ist das Beispiel des in Armenien als Nationalheld anerkannten aktiven Teilnehmer des Bergkarabach-Konflikts und Mitglieds der Organisation ASALA Monte Melkonian, der umfangreiche Erfahrungen aus dem Krieg auf dem Territorium Libanons besessen hatte.
Ziemlich illustrativ für die Situation um die Freiwilligen in Karabach scheint die Arbeit der in Jerewan registrierten gesellschaftlichen militärpolitischen Organisation VOMA (http://www.voma.center) zu sein, deren Zielgruppe, wie auf der offiziellen Internetseite betont wird, „nur Armenier und die armenische Diaspora“ seien. Das russischsprachige Portal dieses Zentrums stellt einen großangelegten Appell an die im Ausland lebenden Bürger Armeniens zur Teilnahme an Freiwilligen-Bataillonen dar, die, wie aus den auf der Seite veröffentlichten Informationen folgt, auch in die Konfliktzone verlegt werden können. „Die Völker hatten, haben und werden ein Schicksal haben, das sie verdient haben“, heißt es auf der Startseite der Organisation VOMA. „Ein mutiges und patriotisches, das heißt ein starkes – so ist ein Volk, das einer Unabhängigkeit würdig ist. Keiner außer dir, lehrt die Geschichte, kann deine Lage zum Besseren verändern“.
Wie man verstehen kann, betreibt VOMA unter anderem auf dem Territorium Russlands eine Anwerbung. Dies belegt ihr Wirken im russischsprachigen Segment der sozialen Netzwerke. Zu einem der letzten Projekte der „gesellschaftlichen Organisation“ wurde die Bildung eines Gebirgsjäger-Bataillons, bei dem es sich, wie auf der Internetseite ausgewiesen wird, um eine Einheit gut ausgebildeter Reservisten handelt. Nach Abschluss aller Trainingslehrgänge werde das Bataillon unter der Führung von Armeniens Verteidigungsministerium „in die Kampfhandlungen auf den festgelegten Territorien“ integriert, schreiben die Organisatoren. Jedoch ist, was als am interessantesten erscheint, der Zugang dorthin unter anderem für russische Staatsbürger offen. „Für die Armenier aus der Russischen Föderation werden Charterflüge aus Moskau nach Jerewan organisiert“, heißt es in der VOMA-Community des russischen Netzwerkes „Vkontakte“. „Wir sind bereit, den Flug in eine Richtung teilweise oder in vollem Umfang zu bezahlen“. In der Mitteilung wird unterstrichen, dass „die Teilnahme an Schnellkursen zur militärischen Ausbildung und die weitere Mitgliedschaft in dem Freiwilligen-Bataillon kostenlos sind“.
Wenn man sich die Videos von VOMA auf YouTube genauer anschaut, wird klar, dass der Abschluss der Ausbildung eines Teils des Gebirgsjäger-Bataillons Anfang September erfolgte, akkurat zu den jüngsten Ereignissen im Gebiet von Bergkarabach. Übrigens, Flüge aus Moskau nach Jerewan mit „menschlichen Ressourcen“ erfolgen nach wie vor. Einer der letzten wurde, wie die VOMA-Seite in den sozialen Netzwerken zeigt, wurde aus der russischen Hauptstadt am 9, Oktober organisiert. In den Anforderungen werden eine militärische Spezialisierung (bei Vorhandensein), eine „gute physische Form“ und Armeediensterfahrungen (wünschenswert) ausgewiesen. Die Organisation verpflichtet sich, selbst die gesamte militärische Ausrüstung bereitzustellen. Videoaufnahmen von den Trainings belegen, dass VOMA ganz bestimmt keine finanziellen Probleme hat. Übrigens, während Baku geneigt ist, dies einer direkten Hilfe seitens Jerewans zuzuschreiben, lässt die Internetseite der Organisation keine Zweifel daran, dass der Großteil der Finanzen Spenden ausmachen können, unter anderem aus dem Ausland. Dafür ist auf dem Internetportal eine separate Vorlage gepostet worden – für „Nichtgleichgültige“.
Natürlich ist dies lediglich eines der Beispiele für eine Anwerbung, die vor dem Hintergrund der Zuspitzung der Situation im Südkaukasus erfolgt. Gerade dieses zeigt jedoch, wie Besitzer eines russischen Passes ruhig und ungehindert eine militärische Ausbildung absolvieren und in die Zone des bewaffneten Konfliktes geraten können. Zumal im Zusammenhang mit den letzten Ereignissen derartige Appelle an die Landsleute sowohl der Vorsitzende des Verbands der Armenier Russlands Ara Abramian als auch der Hauptbevollmächtigte für Angelegenheiten der Diaspora Armeniens Zareh Sinanian gerichtet haben. Das Problem dabei besteht nur darin, dass gemäß Artikel 208 des russischen Strafgesetzbuches solch ein „Freiwilligendienst“ im Ausland mit einem Freiheitsentzug von bis zu 15 Jahren bestraft wird. Selbst wenn man einräumt, dass sich die nach Abschluss der Kampfhandlungen zurückgekehrten Vertreter der irregulären Verbände im Land des ständigen Wohnsitzes ruhig verhalten werden, bleibt die Frage: Wie steht es dann aber mit der Achtung der russischen Gesetzgebung? Bisher bleibt diese Frage ohne eine Antwort.