Georgiens Opposition hat es abgelehnt, die Ergebnisse der am 31. Oktober stattgefundenen Parlamentswahlen anzuerkennen, und den Beginn unbefristeter Proteste verkündet. In den Abendstunden des Sonntags war der zentrale Rustaweli-Prospekt von Tbilissi entsprechend einer langen Tradition abgesperrt worden. Und mehrere Tausend Menschen waren wie gewohnt auf dem kleinen Platz am Parlament zusammengekommen. Der bei den Wahlen siegenden Regierungspartei „Georgischer Traum“ steht nun eine schwierigere Aufgabe bevor – den Sieg und dementsprechend die Macht zu halten. Die Opposition ihrerseits hat begonnen, vom „weißrussischen Szenario“ zu sprechen.
Laut den vorläufigen Angaben, die von der Zentralen Wahlkommission Georgiens zum Zeitpunkt des Redaktionsschlusses veröffentlicht wurden, haben neun politische Subjekte den Einzug ins Parlament der 10. Legislaturperiode geschafft. Die regierende Partei „Georgischer Traum“ erhielt 49,32 Prozent der Stimmen oder rund 60 Mandate. Die fehlenden 16 Mandate, um allein die Regierung bilden zu können, rechnete die Partei über die Direktwahlbezirke, von denen es 30 gab, zu erhalten.
Die Wahlen an sich verliefen am vergangenen Samstag in einer angespannten Situation. Man kann aber nicht sagen, dass die Situation eine außerordentliche war. Einige Schlägereien und Handgreiflichkeiten an Wahllokalen, rund zehn Festgenommene – dies sind bei weitem nicht die kritischsten Vorkommnisse, die es in den elektoralen Prozessen Georgiens gegeben hat. Die etwa gleichartigen Ergebnisse von mehreren parallel durchgeführten Exit-Polls erlaubten, folgendes Bild zu erstellen: Es siegt „Georgischer Traum“. Auf dem zweiten Platz liegt die „Vereinigte Nationale Bewegung“, die rund 20 Prozent auf sich vereinigte. Und weiter folgen noch sieben Parteien, die auf mehr als 1 Prozent, die Sperrklausel, gekommen sind.
Aber mit dem Auftauchen von Georgiens Ex-Präsident Michail Saakaschwili in den Abendsendungen eines der oppositionellen TV-Kanäle wurde klar, dass es kein ruhiges Leben geben wird. Der sich in der Ukraine aufhaltende Saakaschwili sagte, dass er wisse, was gerade in den Wahllokalen geschehe und dass die Opposition einen vernichtenden Sieg errungen hätte. „Ich rufe direkt jetzt Bidsina Iwanischwili auf, die Niederlage anzuerkennen, andernfalls verliert er alles, was er hat!“ erklärte kategorisch der ehemalige Präsident. Iwanischwili aber feierte mit seinem Team, ohne die vorläufigen Ergebnisse der Zentralen Wahlkommission abzuwarten und sich nur auf die Daten der Exit-Polls stützend, den Wahlsieg auf einer Bühne unweit des Partei-Offices mit einem Feuerwerk und kurzen Auftritt, in dem er den Anhängern dankte.
Bereits am Sonntag, als die Zentrale Wahlkommission die vorläufigen Ergebnisse bekanntgab, die sich insgesamt nicht stark von den Exit-Polls unterschieden, kamen die Führer der Oppositionsparteien im Hauptquartier der Georgischen Arbeiterpartei zwecks Bestimmung der weiteren Aktionen zusammen. Allem nach zu urteilen ist es ihnen nicht gelungen, zu einer einheitlichen Meinung zu gelangen. Die einen schlagen vor, auf die erhaltenen Mandate zu verzichten. Andere plädieren für eine Fortsetzung des Kampfes gegen die Partei „Georgischer Traum“ in den Mauern des Parlaments. Und dritte sind für eine Annullierung der Ergebnisse der stattgefundenen Wahlen und die Abhaltung neuer. Dafür waren sich alle bereitwillig über die Notwendigkeit einig, eine Protestaktion durchzuführen.
Die Wortmeldungen von der Tribüne am Parlament nachzuerzählen, hat wohl kaum einen Sinn. Da gab es nichts von dem, was hier seit Mitte der 1990er Jahre nicht erklungen war. Georgien gelingt es in keiner Weise, aus dem verhexten Kreis der Meetings, der Streitigkeiten zwischen den Parteien und des politischen Hasses auszubrechen. Beobachter halten aber die Wahlen ungeachtet der fixierten Verstöße für stattgefundene und legitime. „Derer gab es nicht wenige. Sie haben aber keine kritische Rolle gespielt. Wie der Vertreter der Partei „Georgischer Traum“ Mamuka Mdinaradse sagte, sei die Reaktion der Opposition voraussagbar gewesen. „Georgischer Traum hat bereits 76 Mandate erhalten. Damit die Wahlergebnisse anerkannt werden und das Parlament der zehnten Legislaturperiode die Arbeit aufnimmt, ist bei der ersten Sitzung das Bestehen einer einfachen Mehrheit erforderlich, das heißt von 75 Abgeordneten“, erklärte Mdinaradse.