Moskau beabsichtigt, die Ausgaben für die Unterhaltung der Gruppierung von Friedenstruppen in der Zone des Bergkarabach-Konfliktes zu optimieren. Geprüft wird die Frage nach einer Nutzung des einzigen Flugplatzes in Karabach unweit von Stepanakert im Interesse der Russischen Föderation. Er ist fast 30 Jahre lang nicht genutzt worden und befindet sich bei der Stadt Chodschali, wo zu Zeiten der UdSSR Aserbaidschaner gelebt hatten. Doch im Februar 1992 kam es zu tragischen Ereignissen, in deren Verlauf Zivilisten getötet wurden. Die Stadt ist entsprechend der Vereinbarungen Moskaus, Bakus und Jerewans vom 10. November bisher nicht an Aserbaidschan zurückgegeben worden. Dort kann die Russische Föderation einen neuen Stützpunkt einrichten.
Medien meldeten, dass „die Behörden von Karabach russischen Militärtransportflugzeugen die Erlaubnis gaben, den Chodschali-Flugplatz für die Absicherung der Gruppierung von Friedenstruppen zu nutzen“.
Diese Erklärungen entsprechen jedoch wohl kaum der Wirklichkeit. Solch eine Erlaubnis kann Stepanakert nicht geben, da der Status von Bergkarabach nicht bestimmt ist. De jure ist dies Territorium Aserbaidschans. Und Baku hat diesbezüglich bisher keinerlei offizielle Erklärungen abgegeben. Doch der Flugplatz in Chodschali, der sich nur ganze zehn Kilometer nordöstlich von der Karabach-Hauptstadt Stepanakert (Chankendi) befindet, kann zu einem wichtigen Knotenpunkt für Transportflugzeuge werden, der die Region nicht nur mit den benachbarten Kreisen Armeniens und Aserbaidschans verbindet.
Wie der Militärexperte Oberst d. R. Wladimir Popow meint, werde der Flugplatz in Chodschali möglicherweise die Rolle eines Bollwerks der fast 2000 Mann zählenden russischen Friedenstruppen in der Konfliktzone spielen, deren Versorgung ausschließlich aus Russland erfolge. „Die Versorgung ist bisher für die Russische Föderation sehr aufwendig. Wenn die Militärtransportflugzeuge der Luft- und Kosmos-Streitkräfte Russlands, die die 15. friedensstiftende Brigade versorgen, auf dem Flugplatz unweit von Stepanakert landen werden, wird der Transport des militärischen Frachtgutes auf dem Luftweg ökonomischer“, betont Popow. Er lenkte das Augenmerk darauf, dass die russischen Militärtransportflugzeuge derzeit in Jerewan landen und dort entladen werden. Und dann aber werden die Güter noch über 320 Kilometer mit Kraftfahrzeugen nach Bergkarabach gebracht. „Wenn man diese Frachtgüter auf dem Luftweg direkt nach Stepanakert befördern würde, wäre dies eine optimale Variante“, meint Popow.
Kann man den Chodschali-Flugplatz als einen „gewissen Militärstützpunkt“ vom Typ dessen, den Russland in Syrien hat, ansehen? Auf den ersten Blick besteht eine Ähnlichkeit. Auf dem Chodschali-Flugplatz haben die russischen Streitkräfte in der vergangenen Woche ein spezielles mobiles Hospital eingerichtet, das dem ähnelt, das gegenwärtig in Hmeimim arbeitet. Dort, wie auch auf dem Luftwaffenstützpunkt in Syrien, gibt es Platz für die Errichtung von Hangars, Lagern und anderen Objekten der Logistik-Infrastruktur. Aber die Fragen im Zusammenhang mit der Entwicklung eines Stützpunktes muss Moskau de jure nicht mit Jerewan abstimmen, sondern mit Baku. Und solche Handlungen werden allem nach zu urteilen unternommen.
Quellen der „NG“ im russischen Verteidigungsministerium teilen mit, dass Moskau augenscheinlich bald eine Erlaubnis zur Nutzung des Flugplatzes in Chodschali bekommen werde. Schließlich ist die aserbaidschanische Führung an einer Effizienz der Friedensmission der Russischen Föderation in der Zone des Bergkarabach-Konfliktes interessiert. Und die hängt in Vielem von der Qualität der logistischen Absicherung der russischen Militärs dort ab. In einer seiner jüngsten Ansprachen hat der aserbaidschanische Staatschef Ilham Alijew erklärt, dass „der Tag kommen wird, an dem die heute in Bergkarabach lebenden Armenier und Aserbaidschaner, die unbedingt dorthin zurückkehren werden, wieder unter den Bedingungen einer guten Nachbarschaft leben werden. Hier gibt es logistische Fragen, Transport-Fragen und die Energiesicherheit. Wir werden all diese Fragen behandeln“. Es sei angemerkt, dass zuvor auf der Grundlage des trilateralen Abkommens von Russland, Aserbaidschan und Armenien über eine Feuereinstellung in der Zone des Bergkarabach-Konfliktes durch Moskau und Baku ein spezielles Protokoll unterzeichnet wurde. Medien berichten, dass dieses Dokument eine Deblockierung der Transportwege zwischen Aserbaidschan und Armenien vorsehe. Und eine Reihe von Experten vertritt die Auffassung, dass es auf der Grundlage dieses Protokolls möglich sei, eine Transportverbindung zwischen beiden Republiken nicht nur auf dem Land-, sondern auch auf dem Luftweg zu organisieren. Es ist nicht ausgeschlossen, dassbei dem am Donnerstag in Baku stattgefundenen Treffen des Kommandierenden der russischen Friedenstruppen in Bergkarabach, Rustam Muradow, mit Aserbaidschans Verteidigungsminister Zakir Hasanov diese Frage angesprochen worden sind. In einer offiziellen Mitteilung des aserbaidschanischen Verteidigungsministeriums heißt es, dass „Fragen der Realisierung der Bestimmungen der gemeinsamen Erklärung der Präsidenten Aserbaidschans und Russlands und Armeniens Premierministers erörtert wurden“.
Derweil gibt es bei der Nutzung des Chodschali-Flugplatzes für die Russische Föderation auch Probleme. Generalleutnant d. R. Jurij Netkatschjow, der aus dienstlichen Gründen mehrfach Bergkarabach besuchte, ist der Auffassung, dass es notwendig sei, um über Chodschali qualitätsgerecht die Gruppierung der russischen Friedenstruppen zu versorgen, dort den Flugplatz zu modernisieren. Jetzt sei er nicht in der Lage, schwere Flugzeuge vom Typ Il-76 der russischen Militärtransportfliegerkräfte abzufertigen, die auch die Hauptmenge der militärischen Transportgüter befördern. „Man muss die Start- und Landepiste modernisieren. Sie ist dort eine asphaltierte. Auf solch einem Belag kann man keine Il-76 landen lassen. Für die Modernisierung der Piste sind mindestens eine Milliarde Rubel (umgerechnet etwa 11,13 Millionen Euro – „NG“) erforderlich. Ob sich Russland darauf einlassen werde, ist unbekannt. Armenien hat kein Geld. Aserbaidschan aber ist an dem Flugplatz unweit von Stepanakert interessiert. Es ist nicht ausgeschlossen, dass es gerade und vielleicht auch die Türkei dafür Gelder investieren werden“, meint der Experte. Nach Auffassung von Netkatschjow sei Aserbaidschan bereit, den Flugplatz von Chodschali unter die Kontrolle der Russischen Föderation „im Gegenzug zur Absicherung der Umsiedlung der aserbaidschanischen Bevölkerung in die Stadt“ zu stellen. „Dies wird schwieriger werden. Aber anders wird es nichts geben“, meint er.
„Die Nische einer ethnokulturellen und möglicherweise einer industriellen türkischstämmigen Besiedlung in Karabach hat sich die Türkei bereits gesichert. Während die Russische Föderation ihre Truppen in die Konfliktzone verlegte, unterzeichnete Ankara schon mit Baku Abkommen über die Einrichtung von ihren Techno-Parks in dieser Region“, betont Netkatschjow. Dabei verweist er auf eine Meldung, wonach die Bakuer Agentur für Innovationen den ersten Schritt in dieser Richtung getan habe, indem sie ein Memorandum mit dem Techno-Park GOSB unterzeichnete, der 130 Technologie-Unternehmen unterstützt, die in einer der größten Industrieregionen der Türkei (in der Provinz Kocaeli) ansässig sind.
Es sei angemerkt, dass man solche Pläne in den politischen Kreisen Aserbaidschans billigt. Der Experte Ilgar Velisade aus Baku ist der Auffassung, dass schon bald „Bedingungen für eine Rückkehr der Menschen (das heißt von Bürgern Aserbaidschans – „NG“) sowohl nach Chodschali als auch nach Chankendi geschaffen werden. Rekonstruiert wird auch die Transportinfrastruktur, die den gebirgigen Teil von Karabach mit den im Tiefland liegenden Gebieten Aserbaidschans verbindet“. Der Politologe verwies gleichfalls auf die Notwendigkeit der Wiederherstellung der Eisenbahnstrecke Agdam-Chankendi und der Inbetriebnahme des Flugplatzes in Chodschali. „Auf jeden Fall muss man von einer Reintegrierung Bergkarabachs in den Bestand Aserbaidschans sprechen. Und dieser Prozess muss konsequent mit einer Rückkehr der aserbaidschanischen Flüchtlinge erfolgen“, erläuterte Velisade. „Ich bin mir gewiss, dass an diesen Projekten in erheblichem Maße türkisches Kapital teilnehmen wird. Es steht aber die Frage: Wie wird Russland an der Erschließung der Region teilnehmen, außer dass es Gelder für die militärischen Friedensoperationen ausgeben wird?“, fragt sich Jurij Netkatschjow.