Israel und Ägypten haben ein Projekt für den Bau einer Gaspipeline von den Schelflagerstätten beider Länder zwecks Organisierung von Lieferungen verflüssigten Erdgases (LNG) in die Europäische Union abgestimmt. Die Erweiterung des Exports von LNG nach Europa ist nicht im Interesse der russischen Konzerne GAZPROM und NOVATEK, konstatierte die Deutsche Welle. Russische Experten haben in dem neuen Projekt eine Anerkennung der Tatsache ausgemacht, dass die Ressourcen-Basis des israelischen Schelfs für den Bau einer separaten Gaspipeline nach Europa via Zypern und Griechenland unzureichend ist.
Ägypten und Israel haben vereinbart, eine neue Gaspipeline zu bauen. Dieses Abkommen wurde bei einem Treffen von Israels Energieminister Yuval Steinitz mit dem ägyptischen Minister für Erdöl und mineralische Ressourcen Tariq Al-Mulla am 21. Februar in Jerusalem erzielt, meldete die Deutsche Welle. Das Vorhaben sieht vor, dass Gas vom Mittelmeerfeld „Leviathan“ zu ägyptischen Verflüssigungsanlagen gelangen wird. Die Vorräte des Leviathan-Gasfeldes vor der israelischen Küste werden mit 535 Milliarden Kubikmeter beziffert. Israel hatte im Januar letzten Jahres begonnen, auf dem Leviathan-Feld gefördertes Gas nach Ägypten über die Gaspipeline EMG zwischen dem israelischen Aschkelon und ägyptischen Al-Arisch zu exportieren.
Das neue israelisch-ägyptische Projekt kann zu spürbaren Verschiebungen auf dem europäischen Gasmarkt führen, aber auch die Entstehung eines neuen Zentrums der Gasindustrie in der Nähe der südöstlichen Grenzen der Europäischen Union beeinflussen, sagen deutsche Beobachter voraus.
Die Nachrichten über das israelisch-ägyptische Vorhaben verringern die Perspektiven für den Bau einer Unterwassergaspipeline nach Griechenland via Zypern, die offenkundig mit Vorhaben von GAZPROM konkurrieren würde. Es war angenommen worden, dass die Pipeline EastMed erlauben werde, Gas von den israelischen Feldern „Leviathan“ und „Tamar“ sowie vom zypriotischen Feld „Aphrodite“ via Zypern nach Griechenland und dann nach Italien zu transportieren. Die Europäische Union hatte geplant, eine endgültige Entscheidung hinsichtlich der Zweckmäßigkeit einer finanziellen Unterstützung für dieses neue Element des „Südlichen Gaskorridors“ für den Erhalt von Gas unter Umgehung Russlands in den Jahren 2021-2022 zu treffen. Der Bau der EastMed-Leitung würde die Positionen von GAZPROM auf dem griechischen, dem bulgarischen und dem italienischen Markt noch mehr schwächen, wo die Konkurrenz nach den in diesem Jahr aufgenommenen kommerziellen Lieferungen aserbaidschanischen Gases durch die Transadriatische Gaspipeline (TAP) ohnehin schon zugenommen hat, erinnert die Deutsche Welle.
Israel habe noch nicht endgültig das Interesse für EastMed verloren, meint Stefan Wolfrum, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP). Dieses Institut konsultiert die bundesdeutsche Regierung und den Bundestag, aber auch die Europäische Union. „Israel möchte jedoch nicht noch fünf bis zehn Jahre warten, bis das gigantische EastMed-Projekt realisiert wird. Schließlich handelt es sich um die weltweit längste Unterwassergaspipeline“, betonte Wolfrum, den die Deutsche Welle zitiert. Israel sei nach Aussagen des Experten bestrebt, schneller Exporterlöse für eine weitere Entwicklung der Gasförderung zu erhalten. „Dass man jetzt beabsichtigt, „Leviathan“ an die LNG-Betriebe Ägyptens anzuschließen, ist ein Eingeständnis dessen, dass die Ressourcenbasis des israelischen Schelfs für den Bau einer separaten Gaspipeline nach Europa via Zypern und Griechenland unzureichend ist. Und die Vorräte der Schelfgebiete von Zypern und Griechenland sind nicht bestätigt worden“, erklärte gegenüber der „NG“ Igor Juschkow, führender Analytiker der Stiftung für nationale Energiesicherheit. Aber selbst der relativ bescheidene Umfang israelischer Gaslieferungen verursache eine zusätzliche Konkurrenz für GAZPROM und NOVATEK auf dem Markt Europas und der Türkei, meint der Experte.
„Die Variante mit den Gaspipeline-Lieferungen war für GAZPROM gefährlicher, doch die Variante mit dem ägyptischen LNG tangiert auch NOVATEK, da 80 Prozent des Gases von „Jamal LNG“ derzeit nach Europa gehen. Das LNG wird auf jene Märkte kommen, wo gegenwärtig die Preise höher sind“, erläuterte Juschkow. „Es ist nicht ausgeschlossen, dass das israelische Gas in der Zukunft zur Hauptressource für die ägyptischen LNG-Anlagen werden kann. Vor einer vergleichsweise kurzen Zeit haben wir gesehen, dass die Förderung in Ägypten zurückging und dass Land aus einem Exporteur zu einem Importeur von Gas wurde. Jetzt ist es Ägypten gelungen, die Förderung zu erhöhen. Doch Garantien dafür, dass sich die Situation nicht wiederholen wird, gibt keiner“, fuhr der Experte fort.
„Die Konkurrenz auf dem Gasmarkt nimmt zu, darunter durch die möglichen Lieferungen von den Feldern des Östlichen Mittelmeers, wo vor relativ kurzer Zeit die Förderung aufgenommen wurde. Der Zustrom zusätzlichen Gases wird die Preise für die bereits arbeitenden Lieferanten inkl. auch GAZPROM drücken. Aber die Variante von Lieferungen in Form von LNG aus Ägypten, Israel und Zypern wird eine teurere sein als die Pipeline-Lieferungen. Daher wird es schwer werden, sie wirtschaftlich zu rechtfertigen“, meint Stanislaw Mitrachowitsch, führender Experte der Stiftung für nationale Energiesicherheit und Lehrer an der Finanzuniversität bei der Regierung der Russischen Föderation. Seinen Worten zufolge werde jedoch möglicherweise ein Teil der Käufer in Europa bereit sein, für die Diversifizierung (der Gaslieferungen) zu zahlen. Der Preisvorteil bleibe dabei bei den Lieferanten von Pipeline-Gas – bei Russland, Aserbaidschan und Algerien. „Der Bau von EastMed ist mit geopolitischen und direkten militärischen Risiken aufgrund der Konfrontation Zyperns und Griechenlands mit der Türkei in dieser Region verbunden. LNG ist hinsichtlich eines Umgehens der militärischen und politischen Risiken weitaus komfortabler“, erklärte Mitrachowitsch.