Die Siegesparade in Moskau löst traditionell erhöhte Erwartungen aus. Alle erwarten die Präsentation neuer Modelle von Waffen und Gefechtstechnik. Diese Tradition hatte das Verteidigungsministerium noch im Jahr 2015 begründet, als es erstmals den neuesten Panzer T-14 „Armata“ demonstrierte. Seit diesem Zeitpunkt wurden alljährlich in das Programm der Veranstaltung immer neue und neue Technik-Muster aufgenommen. Faktisch verwandelte sich die feierliche Parade in eine Demonstration der zunehmenden technischen Stärke der Armee. Zu einer Apotheose und einem Höhepunkt wurde das Jahr 2020, als über das Pflaster des Roten Platzes gleich mehr als 20 Modelle neuester Technik rollten – der Luftabwehr-Artilleriekomplex „Derivatia-PVO“, die Infanterie-Gefechtsfahrzeuge T-15 auf der Basis des Panzers „Armata“ und die Schützenpanzerwagen „Kurganez-25“ mit den Gefechtsmodulen „Kinschal“ (russ. „Dolch“) und „Epoche“, die S-300W4- und S-350-Raketensysteme, die Panzer T-90M und T-80BVM, der Küstenschutzkomplex „Ball“, ein ingenieurtechnisches System zur Fernverminung und das Feuerwerfer-System „Tosotschka“. Die Parade wird sich in diesem Jahr einer derartigen Fülle von Neuheiten nicht rühmen können.
Eine der Hauptursachen ist, dass das Jahr 2020 zum abschließenden im großangelegten Programm zur Neubewaffnung der Armee und Flotte geworden war. Für diese Zwecke waren in den vorangegangenen zehn Jahren Rekordsummen im Umfang von 23 Billionen Rubel ausgegeben worden. Gerade dies, aber auch das runde Datum – der 75. Jahrestag des Sieges im Großen Vaterländischen Krieg – verlangten eine große Dimension und eine Demonstration der Stärke. Zum 77. Jahrestag eines der wichtigsten Daten in der Landesgeschichte wird alles bescheidener ausfallen.
Geplant ist, dass an der Siegesparade 11.000 Menschen teilnehmen werden (im Jahr 2020 waren es 22.000 gewesen). Im Rahmen der mechanisierten Kolonne wird es 131 Gefechtsfahrzeuge geben. Am 9. Mai werden über den Roten Platz 33 Parade-Blöcke marschieren, in deren Bestand Offiziere, Unteroffiziere und Soldaten aus Verbänden und Truppenteilen des Westlichen Militärbezirks sein werden, Hörer und Offiziersschüler von Militärhochschulen, der Militäruniversität sowie aus fünf Militärakademien (für Fernmeldewesen, für materiell-technische Versorgung, der Militärkosmischen, für Luft- und Weltraumverteidigung sowie für Strahlungs-, chemischen und biologischen Schutz), Zöglinge aus Suworow- und Nachimow-Schulen, des Kadettenkorps aus Kronstadt sowie Mitglieder der gesamtrussischen paramilitärischen Kinder- und Jugendbewegung „Junarmia“ (russ. „Junge Armee“), aber auch Vertreter anderer Rechtsschutz- und Sicherheitsorgane sowie des Gesamtrussischen Kosaken-Heeres. Außer ihnen werden auch Frauen in Uniform über das Pflaster des Hauptplatzes des Landes im feschen Stechschritt ziehen.
Die mechanisierte Kolonne aus 131 Fahrzeugen (im Jahr 2020 waren es 216 gewesen) wird ein legendärer T-34-85 anführen. In diesem Jahr wird er der einzige derartige sein, während im Jahr 2020 die Kolonne der Gefechtstechnik elf T-34-Panzer und sieben selbstfahrende SU-100-Artilleriekomplexe angeführt hatten.
Dennoch, es wird wieder Einiges zu sehen geben. Nach der Legende des Zweiten Weltkrieges kommt eine Kolonne von Panzern der Typen T-72B3M (der Hauptteilnehmer der sogenannten russischen Sonderoperation in der Ukraine, T-90M „Proryw“ (russ. „Durchbruch“) und T-14 „Armata“ auf den Roten Platz. Ihnen werden Infanterie-Gefechtsfahrzeuge „Kurganez“, BMP-2 mit dem neuen Gefechtsmodul „Bereschok“, BMP-3, die gepanzerten Fahrzeuge „Taifun-K“, „Taifun-VDV“ (Version für die Luftlandetruppen – Anmerkung der Redaktion), „Tiger-M“ und die selbstfahrenden Artillerie-Systeme „Msta-S“ folgen. An der Sieges-Parade werden gleichfalls Luftlandegefechtsfahrzeuge der Typen BMD-4M und BTR-MDM „Rakuschka“ (russ. „Muschel“) sowie gepanzerte BTR-82A-Transporter, darunter ein perspektivreiches gepanzertes Allradfahrzeug auf der „Bumerang“-Plattform teilnehmen. Teilnehmer der Parade werden auch der operativ-taktische Raketenkomplex „Iskander“ (gleichfalls von Russland in der Ukraine eingesetzt), „Tornado-G“-Feuerwerfer-Systeme, die Luftabwehrkomplexe S-400, „Buk-M3“ und „Tor-M2“ (in diesem Jahr sind bei der Parade die Luftabwehrkomplexe „Panzir-S“ für den nahen Bereich überhaupt nicht dabei – „NG“) sowie mobile bodengestützte „Jars“-Raketenkomplexe und „Uran-9“-Roboterkomplexe sein.
Letztere waren im vergangenen Jahr bei den strategischen russisch-weißrussischen Manövern „Zapad-2021“ (russ. „Westen-2021“) erstmals massenhaft neben Panzern sowie anderer boden- und luftgestützten Technik bei der Umsetzung des taktischen Grundgedankens der Manöver eingesetzt worden. Die „Uran-9“-Komplexe hatten, wie damals im russischen Verteidigungsministerium präzisiert wurde, Menschen und gepanzerte Technik des angenommenen Gegners in einer Entfernung von 3000 bis 5000 Metern mit den Raketensystemen „Attacke“ sowie den Thermo-Druck-Geschossen „Schmel“ (russ. „Hummel“), aber auch mit 30-Millimeter-Kanonen und -Maschinengewehren vernichtet. Sie hatten Kampfhandlungen unmittelbar in den Gefechtsaufstellungen sich verteidigender Einheiten geführt, aber auch die Kräfte-Gruppierung bei einem Stellungswechsel durch Mot.-Schützeneinheiten abgesichert. Die Roboter „Nerechta“, die mit einem 12,7-Millimeter „Kord“-MG und dem 30-Millimeter-Granatwerfer AG-30M ausgerüstet werden können, wurden für die Aufklärung und einer Feuerunterstützung von Einheiten eingesetzt. Es heißt, dass in diesem Jahr das System in die Bewaffnung der russischen Armee aufgenommen wurde. Und seine Demonstration auf dem Roten Platz sei eine Bestätigung dieser Tatsache.
Im Teil der Militärparade, der von den Luftstreitkräften bestritten wird, werden 77 Flugzeuge und Hubschrauber zu sehen sein, wenn das Wetter keinen Strich durch die Rechnung macht (entsprechend der Zahl der Jahre ab dem Tag des Endes des Großen Vaterländischen Krieges). Im Jahr 2020 waren es also 75 Hubschrauber und Flugzeuge gewesen. Die Flugschau eröffnet der weltweit größte Transporthubschrauber Mi-26. Ihm folgen Hubschrauber der Typen Ka-52, Mi-28N, Mi-24 und Mi-8. Danach wird über die Hauptstadt in Begleitung von zwei MiG-29-Jagdflugzeugen die luftgestützte strategische Kommandozentrale, das sogenannte Flugzeug „Das Jüngste Gericht“ – eine Il-80 -, fliegen. Das Flugzeug soll die Nachrichtenverbindungen und die Führung der Truppen im Falle einer Vernichtung der bodengestützten Führung der strategischen Nuklearkräfte gewährleisten. Die Maschine wird nicht das erste Mal demonstriert. Im Westen hält man jedoch den nunmehrigen Flug der Il-80 über Moskau für ein Signal an die USA und die NATO hinsichtlich der Bereitschaft Russlands zum möglichen Einsatz von Kernwaffen.
Im Jahr 2020 hatte Präsident Wladimir Putin bei einer Beratung mit der Führung des Verteidigungsministeriums und Betrieben des Rüstungsindustrie-Komplexes über die Schaffung eines „ausschließlich gesicherten Punktes zur Leitung der strategischen Nuklearkräfte“ informiert. Das Staatsoberhaupt sprach von einer erheblichen Erweiterung der analytischen und operativen Möglichkeiten der Systeme zur Führung der Strategischen Nuklearkräfte. In diesem Sinne kann man auch das Auftauchen des Il-80-Flugzeuges bei der Parade verstehen. Flugzeuge dieses Typs durchlaufen gegenwärtig eine tiefgreifende Modernisierung. Und ihre Demonstration soll wohl ein Beleg für deren erfolgreichen Abschluss sein.
Außer dem Flugzeug „Das Jüngste Gericht“ werden über dem Roten Platz auch die strategischen Raketenträger Tu-95MS und Tu-160 „Weißer Schwan“ als Paar zusammen mit einem Il-78-Tankflugzeug, Su-35S-Jagdflugzeuge, neueste Flugzeuge vom Typ MiG-31I und MiG-31BM, aber auch die Jagdflugzeuge der fünften Generation Su-57 und Tu-22M3-Fernbomber fliegen. Abgeschlossen wird die Flugschau der Parade durch den traditionellen „Kubinka-Brillanten“, der von Su-30- und MiG-29-Jagdflugzeugen der Kunstfluggruppen „Russische Recken“ und „Mauersegler“ gebildet wird, aber auch durch ein neues Element, das durch Piloten mit MiG-29-Jets demonstriert wird – eine Kunstflugfigur in Form des Buchstabens „Z“, der in Russland als ein Symbol für die international umstrittene „militärische Sonderoperation“ in der Ukraine verwendet wird.