Am 8. November finden in den USA die Midterms – Zwischenwahlen – statt, die entsprechend der sich entwickelten Tradition der Oppositionspartei einen Erfolg bescheren. Den Umfrageergebnissen nach zu urteilen, sind die Republikaner die Favoriten im Kampf um das Repräsentantenhaus. Die Situation um die Wahlen in den Senat aber ist eine umstrittene, obgleich die Republikaner-Chancen, die bis vor kurzem bescheidene waren, auf der Zielgeraden spürbar zugenommen haben.
Da die Republikaner in den USA mit der roten Farbe gekennzeichnet werden (und die Demokraten – mit blau), ist nicht ausgeschlossen, dass in dieser Woche Amerika eine „rote Welle“ erfassen wird. Freilich wird sie erst am 1. Januar des kommenden Jahres reale Kraft erlangen, wenn der Kongress in der neuen Zusammensetzung die Arbeit aufnehmen wird.
Die Republikaner-Kandidaten kritisieren die Demokraten dafür, dass diese nicht die Inflation und Kriminalität – die zwei Hauptprobleme für die Wähler, die sie sogar mehr als das Problem der Einschränkung des Rechts auf Schwangerschaftsabbrüche beunruhigen – besiegen konnten. Im Fall mit der Ukraine ist eines der Hauptargumente der Republikaner gegen eine massive Hilfe für Kiew, dass sich die USA zuerst um den Schutz der eigenen Grenze sorgen müsse, die seit Beginn der Herrschaft von Joseph Biden 5,5 Millionen Einwanderer illegal überschritten hätten.
Die Gegner einer Unterstützung sind gleichfalls darüber besorgt, dass die staatliche Verschuldung der Vereinigten Staaten bis auf 31 Billionen Dollar angestiegen ist, und fordern, dass Kiew sorgfältiger darüber Bericht erstattet, wie die amerikanischen Gelder und Waffen, deren Wert mehr als 18 Milliarden Dollar ausmachen, genutzt wurden. Und unter Berücksichtigung dessen, dass im Februar die aktiven Lieferungen aufgenommen wurden, teilte das Magazin „Newsweek“ mit, dass Washington in diesem Jahr an die Ukraine um die 60 Millionen Dollar am Tag überweise. Lediglich ein Drittel der Militärhilfe für Kiew erreiche jedoch das Ziel.
In diesem Zusammenhang kann man erwarten, dass sich die Republikaner-Mehrheit akribischer gegenüber neuen Haushaltsausgaben für die Militär- und Wirtschaftshilfe für die Ukraine verhalten wird. Zumal ihr Umfang die Unterstützung der europäischen Länder für Kiew um ein Mehrfaches übersteigt. Dieser Tage warnte die Kongress-Abgeordnete der Republikaner aus dem US-Bundesstaat Georgia, Marjorie Taylor Greene, dass die Ukraine von einem republikanischen Kongress überhaupt „nicht einen Cent“ erhalten werde. Und ihre Ansichten sind in der Republikaner-Partei bei weitem keine marginalen. Der Führer der Minderheit im Repräsentantenhaus und wahrscheinlich dessen künftiger Chef Kevin McCarthy erklärte, dass der Kongress der (Biden-) Administration keinerlei „Schecks ohne Angabe der Summe mehr unterschreiben werde. Skeptisch steht auch Donald Trump der Unterstützung für die Ukraine gegenüber, der sich das dritte Mal vorbereitet, um einen Einzug ins Weiße Haus zu kämpfen.
Allerdings teilen nicht alle Republikaner diese Haltung. Unter ihnen gibt es nicht wenige „Falken der alten Schule“, die versprechen, die Unterstützung für Kiew nach den Midterms fortzusetzen. Der Chef der Republikaner-Fraktion im Senat, Addison Mitchell „Mitch“ McConnell Jr., unterstützt beispielsweise die Appelle an das Weiße Haus, der Ukraine noch mehr zu helfen.
Nach Einschätzung der „Washington Post“ stelle die Spaltung in den Reihen der Republikaner ein Problem für Biden dar, der versuche, eine Koalition der westlichen Länder zu verstärken, die die Ukraine unterstützen. Die Demokraten, unter denen Senator Chris Murphy ist, sind der Auffassung, dass sich das „Element der Feindseligkeit“ der Republikaner gegenüber der Ukraine „aus deren Hass auf Biden ergibt“. Anfangs seien die Republikaner bereit gewesen, Kiew zu unterstützen. Da aber Biden einen „größeren Erfolg bei der Verteidigung der Ukraine“ erzielt hätte, löse dies seitens der Opposition Ablehnung aus, ist man in der Demokratischen Partei überzeugt.
Wie dem nun auch immer sein mag: Bei der Kommentierung der Bereitstellung eines weiteren Pakets von Militärhilfe im Umfang von 400 Millionen Dollar am Freitag erklärte Außenminister Antony Blinken, dass Washington die Ukraine so viel unterstützen werde, wie erforderlich sei. Nach seinen Worten würden die USA Kiew die Möglichkeiten gewähren, „die Situation auf dem Schlachtfeld zu ändern und die Positionen der Ukraine am Verhandlungstisch, wenn die Zeit kommen wird, zu stärken“. Und der Berater des Präsidenten der USA für nationale Sicherheitsfragen, Jake Sullivan, der zu einem vorher nicht angekündigten Besuch nach Kiew gekommen war, versicherte der Führung der Ukraine, dass die Unterstützung beider Parteien eine „unverrückbare und unerschütterliche“ auch nach den Zwischenwahlen zum Kongress bleiben werde.