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Armeniens und Georgiens Nachbarschaft ist sauer geworden


Armenien hat die Möglichkeit verloren, Matsun (georgisch: Matsoni) – ein populäres Sauermilchprodukt – über das Territorium von Georgien in andere Länder zu exportieren. Das offizielle Tbilissi hat ein Verbot zur Wirkung gebracht, das mit dem Namen dieses Produkts zusammenhängt, wobei es ihn für einen exklusiven georgischen hält. Jerewan hat einen Ausweg gefunden und diese Erzeugnisse, die als Transitprodukt durch Georgien transportiert werden, in „armenischen Gebirgsjoghurt“ umbenannt.

Die Umbenennung von Matsun in „Gebirgsjoghurt“ steht wahrscheinlich mit dem Wunsch der armenischen Seite in einem Zusammenhang, die Verluste zu minimieren, aber nicht mit der Zustimmung zur Position Georgiens. Zumal im Falle mit dem Sauermilchprodukt die georgische Erklärung merkwürdig klingt. Es wird eine Parallele zum Cognac und Champagner Frankreichs gezogen. Und es wird erwähnt, dass die Bezeichnung „Matsoni“ in Georgien als eine geografische Bezeichnung fixiert wurde.

In dem Kaukasusland gibt es aber weder eine Region noch eine Ortschaft mit solch einem Namen. Und es gibt auch nicht einmal etwas annähernd Ähnliches. Auf jeden Fall war bisher über so etwas nichts bekannt gewesen. Die Ausgangslage ist somit unklar. Doch der Charakter des Streits zwischen den Nachbarn ist insgesamt bei weitem kein neuer.

Der Streit, wer älter ist, wer was erfunden hat und was welcher Küche gehört, wird zwischen den Georgiern und Armenien seit langem geführt. Ungeachtet der ganzen Heftigkeit tragen die Streitigkeiten in ihrer Mehrheit zum Glück einen scherzhaften Charakter. Zu ernsthaften begannen sie in den letzten Jahren zu werden, mit der Entwicklung des Tourismus und des Handels, als klar wurde, dass die alten Bezeichnungen von Gerichten und Getränken keine geringen Einnahmen bescheren können, wenn man sie zu einem bekannten Markennamen pusht. Ja, und da hatten wahre Leidenschaften hinsichtlich dessen zu brodeln begonnen, wer die Chinkali (gefüllte Teigtaschen in Georgien) und Chatschapuri (überbackenes Käsebrot in der georgischen Kirche) erfunden hat. Und wer – Basturma (stark gewürztes Rinder-Dörrfleisch aus Armenien, das als kalte Vorspeise dient) und Sucuk bzw. Sudschuk (in Armenien eine kräftig gewürzte Rohwurst aus Rind- oder Kalbfleisch und Lammfleisch). Besonders schmerzliche wurden die Auseinandersetzungen im Bereich des Anbaus und der Verarbeitung von Weintrauben.

Die Armenien haben auf einmal zur grenzlosen Empörung und Verärgerung der Georgier angefangen, Anspruch auf die Tschurtschchela erhoben. Es handelt sich dabei um ein Fruchtkonfekt aus Walnüssen und Traubensaft, bei dem Wal- oder Haselnüsse aufgefädelt und dann in mit Weizen- oder Maismehl eingedicktem Traubensaft umhüllt und nach mindestens zwei Wochen Lufttrocknung serviert werden. Der Streit ist scheinbar nach wie vor offiziell nicht beigelegt worden. Die sich rein auf Weine beschränkenden Dispute gelang es dank der Satzung der Internationalen Organisation für Rebe und Wein schnell zu überwinden. Deren Satzung erteilte das Recht, im Namen der Weine die Traubensorte, aber nicht die ausländische Region, in der sie wächst, zu verwenden. So konnte Armenien weiter auf legitimer Grundlage seine aus Saperavi-Trauben erzeugten Weine abfüllen und auch unter diesem Namen verkaufen.

Die Situation mit dem Matsoni ist unter anderem auch eine tragikomische. Georgien exportiert ebenfalls dieses traditionelle fermentierte Milchprodukt. Der geschmackliche Unterschied zwischen dem armenischen Matsun und dem georgischen Matsoni ist ein minimaler oder existiert ganz und gar nicht. Zu beweisen, wer dieses Produkt erfunden hat, ist genauso absurd wie das Volk zu finden, das als erstes begonnen hat, Fleisch auf offenem Feuer zu braten. Ermittle heute einmal, wo gerade und wer von den Urmenschen zufällig ein Stück rohes Fleisch in offenes Feuer fallen ließ, es dann von da herausholte und verzehrte. Und auch eine Antwort auf die Frage, bei wem die Milch früher sauer wurde – bei den Georgiern oder Armeniern -, kann es nicht geben. Dennoch ist es eine Tatsache: Armenien hat kein Recht, über das Territorium Georgiens sein als „Matsun“ bezeichnetes Sauermilchprodukt zu transportieren. Nur als „Gebirgsjoghurt“. Übrigens, über derartige Einwände des Irans, über dessen Territorium Armenien ebenfalls Handelsoperationen abwickelt, ist nichts bekannt.

Die Pressesekretärin von Armeniens Wirtschaftsministerium Gayane Antonyan sagte bei der Kommentierung der Situation, dass die Streitigkeiten bereits 2011 begonnen hätten. Georgien hatte versucht, das Recht auf Matsoni für sich festzuschreiben, doch die zuständige Behörde Armeniens für Fragen geistigen Eigentums erhob offiziellen Einspruch gegen die Registrierung der Bezeichnung „Matsoni“ bei den entsprechenden Organen der Europäischen Union und Georgiens, wobei es dies gerade damit motivierte, dass man diese Bezeichnung mit dem in Armenien hergestellten Matsun verwechseln könne. „Der Einspruch wurde jedoch ignoriert. Heute unternimmt Armeniens Regierung mit georgischen Kollegen Schritte für eine Präzisierung bei der Verwendung geografischer Bezeichnungen“, sagte Antonyan.

Nach ihren Worten könne zum gegenwärtigen Zeitpunkt das Produkt aus Armenien über das Territorium Georgiens unter seinem traditionellen Namen nach Unterzeichnung eines entsprechenden Vertrags und Abkommens mit Tbilissi über die gegenseitige Anerkennung und den Schutz geografischer Bezeichnungen in andere Länder exportiert werden. Sie präzisierte, dass diese Frage diskutiert wurde und bei einer Sitzung der armenisch-georgischen Regierungskommission behandelt werde. Und es werde für eine wirksame Lösung der Frage eine gemeinsame Arbeitsgruppe gebildet.

 

  1. S. der Redaktion „NG Deutschland“

Matsoni ist ein fermentiertes Milchprodukt der Völker des Kaukasus (hauptsächlich Georgien und Armenien), Kleinasiens und des Nahen Ostens. Es wird auf der Basis von gekochter Kuh-, Schafs- oder Ziegenmilch oder Mischungen davon hergestellt. Die Produktionstechnologie besteht darin, Milch mit Hilfe von Milchsäure-Streptokokken und dem bulgarischen Bazillus zu fermentieren. Bei einer Temperatur von 37 Grad wird die Mischung in ein spezielles Warmhaltegerät gegeben, wo sie etwa 3-4 Stunden aufbewahrt wird. Eine etwas andere Art, diesen Joghurt herzustellen, ist in der armenischen Küche üblich: Gekochte Milch wird auf 40-50 Grad abgekühlt und dann mit den Resten der vorherigen Matsun fermentiert. Ein Gefäß mit einer fast fertigen Mischung wird mehrere Stunden an einem warmen Ort stehen gelassen. Experten sind sich sicher, dass das Rezept für dieses Getränk etwa 200 Jahre alt ist. Der Legende nach erfanden es kaukasische Bergsteiger, indem sie Milch in eine unreine Schüssel gossen, in der zuvor Joghurt gelagert wurde. Damals wurden die Mägen von geschlachteten Tieren als Behälter für die Aufbewahrung von Joghurt verwendet. Der Labmagen wurde nicht vom Magen getrennt, wodurch, wie die Forscher glauben, die Technologie der Käseherstellung entstand.