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Auf dem internationalen Gasmarkt hat ein Spielen ohne Regeln begonnen


Die Gaslieferungen per Pipelines haben sich als der anfälligste bzw. angreifbarste Punkt im russischen Export von Energieträgern erwiesen. Der Kalte und danach auch der heiße Krieg der westlichen Länder gegen den russischen Export hat zu einem Rückgang der Förderung von Erdgas in der Russischen Föderation und zu einer Verringerung dessen Lieferungen ins Ausland geführt. Eine Rückkehr zu den Vorkrisen-Umfängen des Gasexports halten Spezialisten für unmöglich. Der Vizepremier der Russischen Föderation, Alexander Nowak, sprach von der Absicht einer Instandsetzung der beschädigten Gaspipelines „Nord Stream 1“ und „Nord Stream 2“. Diese Reparaturarbeiten werden aber wohl kaum Sinn haben, da die europäischen Politiker vom Prinzip her auf den Erwerb russischen Gases verzichten wollen, ungeachtet des Schadens für die eigene Bevölkerung und Wirtschaft.

Die Wirtschaftslogik hat bereits den europäischen Gasmarkt verlassen. Ende letzter Woche erklärte „Gazprom“, dass ein Transit russischen Erdgases nach Italien über das Territorium Österreichs unmöglich sei.

Möglichkeiten, um die Funktionsfähigkeit der Gaspipelines „Nord Stream 1“ und „Nord Stream 2“ wiederherzustellen, würden gefunden werden, erklärte auf dem staatlichen russischen Fernsehkanal „Rossia 1“ optimistisch Alexander Nowak, der zuständige Vizepremier der Russischen Föderation. „Solche Havarien hat es noch nicht gegeben. Zweifellos gibt es technische Möglichkeiten, um die Infrastruktur wiederherzustellen. Dies erfordert Zeit und entsprechende Mittel. Ich bin sicher, dass entsprechende Möglichkeiten gefunden werden“, erklärte der Vizepremier.

„Zum heutigen Tag gehen wir aber davon aus, dass man sich in erster Linie darüber Klarheit verschaffen muss, wer dies getan hat. Und wir sind uns sicher, dass daran bestimmte Länder, die früher ihre Positionen bekundet hatten, interessiert gewesen sind. Sowohl die USA als auch die Ukraine sowie Polen hatten seinerzeit davon gesprochen, dass diese Infrastruktur nicht arbeiten werde, sie alles dafür tun würden. Daher muss man sich darüber natürlich ernsthaft Klarheit verschaffen“, meinte Nowak. Das Auftreten von Lecks an beiden Strängen von „Nord Stream 1“ und an einem von „Nord Stream 2“ unweit der dänischen Insel Bornholm erfolgte am 26. September.

Die vermutlichen Sprengstoffanschläge gegen die „Nord Stream“-Gaspipelines sind lediglich ein Element der langjährigen Konfrontation Russlands mit den USA und deren entschiedensten Verbündeten in Europa im Gassektor. Washington hatte mehrfach versucht, den Bau von „Nord Stream 2“ mit Hilfe von Sanktionen zu stoppen. Und polnische Militärs und polnische „Fischer“ versuchten, das Gleiche mit Hilfe technischer Androhungen zu bewerkstelligen.

Im Frühjahr vergangenen Jahres hatten polnische Militärflugzeuge und -schiffe gefährliche Manöver in eben diesem Gebiet unweit der Insel Bornholm vorgenommen, wo sich Ende September die Explosionen an den Gaspipelines ereigneten. Im März 2021 tauchte in der Schutzzone eines Rohrverlegungsschiffes ein nichtidentifiziertes U-Boot auf. Am folgenden Tag führte ein Kampfschiff der polnischen Seestreitkräfte mit der taktischen Kennnummer 823 Manöver rund um das Rohrverlegungsschiff durch. Flüge im Baubereich führte regelmäßig ein Flugzeug vom Typ PZL-Mielec M-28B1 Rbi durch, berichtete damals ein Filialdirektor der Nord Stream 2 AG.

Hinter den Explosionen an den Pipelines „Nord Stream 1“ und 2Nord Stream 2“ könnten die USA und Großbritannien stehen, erklärte am Sonntag der einstige Berater des Verteidigungsministers in der Administration von US-Ex-Präsident Donald Trump, der Oberst im Ruhestand Douglas Macgregor. Er verwies gleichfalls auf eine Veröffentlichung des früheren Außenministers von Polen und nunmehrigen Europa-Abgeordneten Radosław Sikorski, der den USA für die Beschädigung der Gaspipeline „Nord Stream“ auf seinem Twitter-Account dankte. Ja, und selbst Präsident Trump hatte bereits im Dezember des Jahres 2019 Gesetzesvorlagen unterzeichnet, die die US-amerikanische Administration verpflichteten, den Bau und den Betrieb der Gaspipelines „Nord Stream 2“ und 2Turk Stream“ zu verhindern.

Folglich unterscheiden sich die Explosionen an „Nord Stream 1“ und „Nord Stream 2“ vor den früheren Versuchen, die russischen Gaspipelines anzuhalten, lediglich durch das Instrumentarium. Während das Ziel an sich – den russischen Gasexport null und nichtig zu machen – bereits viele Jahrzehnte ein unverändertes bleibt.

Bezeichnend ist, dass eine gewaltsame Unterbrechung des russischen Gasexports vor dem Hintergrund der Versuche einzelner europäischer Länder, die russischen Lieferungen zu bewahren, erfolgt. So bemüht sich beispielsweise Österreich, möglichst viel russisches Gas selbst zu Lasten von Einschränkungen für einen Transit dieses Gases nach Italien, das ebenfalls gern mehr russisches Gas erhalten würde, zu erwerben.

„Gazprom“ bestätigte keine Gaslieferungen nach Österreich für das Unternehmen Eni, teilte am Samstag das italienische Unternehmen auf seiner Internetseite mit. Nach Aussagen der Italiener habe „Gazprom“ mitgeteilt, dass eine Lieferung von Gas via Österreich nicht möglich sei. Daher würden die heutigen russischen Gaslieferungen für Eni über den Punkt Tarvision auf dem Nullpunkt liegen. Dabei erklärte „Gazprom“, dass der Konzern an dem Problem des österreichischen Transits zusammen mit den italienischen Kunden arbeite. „Der Transport russischen Erdgases durch „Gazprom Export“ entsprechend von Verträgen über das Territorium Österreichs ist im Zusammenhang mit der Ablehnung des österreichischen Betreibers, die Transportmengen zu bestätigen, eingestellt worden. Der Grund hängt mit regulierenden Änderungen zusammen, die sich in Österreich Ende September vollzogen haben“, präzisierte der russische Konzern.

Zur gleichen Zeit hat die Russische Föderation die Gaslieferungen nach Moldawien verringert, wobei sie dies mit Handlungen der Kiewer Offiziellen begründete. „Der Betreiber des Gastransportsystems der Ukraine hatte Force-majeure-Umstände bei einer Annahme von Gas für einen Transit über die Gasmessstation „Sochranowka“ angegeben, da er angeblich keine operativ-technologische Kontrolle der Verdichterstation „Nowopskow“ vornehmen könne“. Die Route über „Sochranowka“ gewährleistete den Transit von über 30 Millionen Kubikmeter am Tag. Die Anmeldung für einen Transit wird nur hinsichtlich einer der beiden Punkte für den Zugang zum Gastransportsystem des Landes – das Gasmessstation „Sudscha“ – angenommen“, teilte „Gazprom“ mit. Der russische Konzern ist der Auffassung, dass es keine Grundlagen für Force-majeure-Umstände gebe, genauso wie es auch keine Hindernisse für eine Fortsetzung der Arbeit im früheren Regime gebe.

Zuvor hatte Moldawiens Minister für Infrastruktur und regionale Entwicklung, Andrei Spînu, mitgeteilt, dass „Gazprom“ für Oktober dieses Jahres die Bereitstellung von Gas im Umfang von 5,7 Millionen Kubikmeter am Tag von 8,06 Millionen Kubikmeter am Tag bestätigt hätte. Spînu erinnerte daran, dass es auch vor einem Jahr eine analoge Situation gegeben hätte. „Gazprom“ betonte ebenfalls, dass „die moldawische Seite regelmäßig die Vertragsbestimmungen hinsichtlich der Fristen für die Bezahlung des gelieferten Gases verletzt“.

„Gleichzeitig ist durch das Verschulden der moldawischen Seite nach wie vor kein Abkommen über die Regelung der historischen Schulden für das gelieferte Gas in den vorangegangenen Jahren abgeschlossen worden. Aus diesem Grund hat „Gazprom“ das Recht, zu jedem Augenblick den geltenden Vertrag zu lösen“, warnte der russische Konzern. Im Dezember 2021 hatten die Seiten ein Protokoll signiert, gemäß dem Moldawien ein Audit der Schulden von „Moldovagaz“ gegenüber „Gazprom“ durchführen muss, wonach die Seiten bis zum 1. Mai einen Vertrag über die Tilgung der Schulden von „Moldovagaz“ gegenüber dem russischen Lieferanten unterzeichnen sollten. Der Wirtschaftsprüfer ist jedoch erst im August gewonnen worden. Zuvor hatte Spînu erklärt, dass „Gazprom“ nicht zugestimmt hätte, die Frist für die Durchführung des Schulden-Audits nach dem 1. Oktober zu verlängern.

Nach Aussagen Spînus „hat er aus den Gesprächen mit Alexej Miller nicht verstanden, ob die Gaslieferungen nach dem 1. Oktober nach Moldawien fortgesetzt werden“. „Gazprom“ besteht auf einer Tilgung der historischen Schulden für das Gas durch Moldawien, die (unter Berücksichtigung der Strafzahlungen) rund 709 Millionen Dollar ausmachen. Moldawien erkennt diesen Umfang der Schulden nicht an, wobei es auf die Durchführung einer Überprüfung pocht. Der Gas-Konflikt auf dem europäischen Markt führt für Russland zu einer Reduzierung der Gasförderung und zu einem Rückgang der Exporte in diesem Jahr. Laut letzten Angaben vom 3. Oktober hat „Gazprom“ in den ersten neun Monaten dieses Jahres die Gasförderung um 17 Prozent gedrosselt, und der Export ins sogenannte ferne Ausland brach in diesem Zeitraum um 40,4 Prozent ein. Es scheint, dass dieser negative Trend sich beschleunigt, da nach acht Monaten die folgenden Zahlen vorgelegt worden waren: Rückgang der Gasförderung um 14,6 Prozent, Abnahme des Exports ins ferne Ausland um 37,4 Prozent.