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Auf den Schlachtfeldern des Sanktionskrieges führt Russland lediglich Verteidigungsgefechte


In der Sanktionskonfrontation mit dem Westen führt Russland hauptsächlich lokale Verteidigungsgefechte, während sich die USA und ihre Verbündeten bemühen, den Wirtschaftsdruck auf die Russische Föderation zu einem systematischeren zu machen. Westliche Analytiker prognostizieren einen Rückgang der Förderung und des Exports russischen Erdöls in den nächsten Monaten. Washington droht an, bald Wege für ein Umgehen der Verbote für den russischen Ex- und Import ausfindig zu machen und zu blockieren. Ein Beispiel für eine Systemantwort auf Sanktionsdrohungen demonstrierte China, dessen Vertreter erklärten, dass sie keinen Druck auf ihre Unternehmen dulden und Gegenmaßnahmen ergreifen würden.

Am Donnerstag führte Präsident Wladimir Putin online eine Beratung zur Organisierung von Antisanktionsmaßnahmen gegen den Boykott in Bezug auf den Export russischer Energieträger durch. Der russische Brennstoff- und Energiekomplex müsse die entscheidenden Infrastruktur-Objekte für eine Erweiterung der Lieferungen von Energieträgern in östlicher Richtung bestimmen und deren Errichtung in Angriff nehmen, erklärte das Staatsoberhaupt. „Wir werden davon ausgehen, dass sich in der Perspektive die Lieferungen in westlicher Richtung verringern werden“, betonte er. Russland müsse die Geographie des Exports diversifizieren, indem es ihn auf die Märkte des Südens und Osten orientiert sowie die Infrastruktur dafür entwickeln. (Dies sind Forderungen, die bereits vor einigen Jahren formuliert wurden, aber nie handfest umgesetzt worden sind. – Anmerkung der Redaktion)

Der Kremlchef betonte, dass die europäischen Länder durch das Gerede über einen Verzicht auf russische Lieferungen den Markt zusätzlich destabilisieren und die Preise in die Höhe treiben würden. Dabei gebe es derzeit keine Möglichkeit für eine Ersetzung des russischen Gases in Europa.

Am Vorabend hatten die russischen Offiziellen bekanntgegeben, dass die Daten über die Förderung und Lieferungen von Energieressourcen bis auf Weiteres geheim gehalten werden. Ausländische Experten erwarten aber einen signifikanten Rückgang der Gewinnung von Erdöl in der Russischen Föderation. Die Russische Energieagentur (REA) beim Energieministerium Russlands gab am Donnerstag bekannt, dass sie aufhören werde, Daten über die Arbeit der russischen Ölbranche zu veröffentlichen. „Unter Berücksichtigung der Regierungsmaßnahmen zur Erhöhung der Stabilität der russischen Wirtschaft schränkt die Zentrale Dispatcherverwaltung des Brennstoff- und Energiekomplexes – eine Filiale der REA des Energieministeriums Russlands – die Verbreitung der Informationen ein, die für die Ausübung zusätzlichen Drucks auf den russischen Markt und dessen Teilnehmer ausgenutzt werden können“, betonte man in der Agentur.

Ihrerseits prognostiziert die sich unter dem Einfluss der USA befindliche Internationale Energieagentur (IEA) im Mai einen Einbruch der Ölförderung in Russland um drei Millionen Barrel am Tag aufgrund der Sanktionen. Im April habe sich die Gewinnung von Erdöl in Russland laut Berechnungen der IEA bereits um 0,7 Millionen Barrel am Tag verringert. Im März hatte Russland rund zehn Millionen Barrel am Tag gefördert, während die Förderung im Februar noch bei 10,05 Millionen Barrel am Tag lag.

„Wir nehmen an, dass entsprechend den Ergebnissen dieses Monats der Rückgang bereits 1,5 Millionen Barrel am Tag ausmachen wird, da die russischen Ölverarbeitungsbetriebe die Auslieferung aufgrund der Ablehnungen der Importeure, deren Erzeugnisse zu kaufen, reduzieren. Die russischen Lager werden überfüllt“, meint man in der IEA. Dabei betonte man in der Internationalen Energieagentur, dass einige Käufer in Asien kurzfristig den Erwerb russischer Rohstoffe unter Berücksichtigung des großen Diskont-Satzes erhöht hätten. Gegenwärtig gebe es aber keine Anzeichen dafür, dass China den Import russischen Erdöls erhöhe. Die chinesischen Ölverarbeitungsbetriebe haben die Auslastung aufgrund der COVID-Restriktionen, die jüngst im Land verhängt wurden, reduziert.

Dabei ist man in der IEA der Annahme, dass der Wegfall der russischen Barrel vom Markt keinen globalen Mangel beim Angebot auslösen werde, da die USA und andere Mitgliedsländer der IEA beschlossen haben, die strategischen Reserven anzutasten und 120 Millionen Barrel Erdöl auf den Markt zu bringen. Unter Berücksichtigung der früher angekündigten Pläne der USA zur Vornahme der Lieferung von zusätzlichen 180 Millionen Barrel Öl aus den eigenen strategischen Reserven werden insgesamt 240 Millionen Barrel Erdöl auf den Markt kommen (180 Millionen Barrel von den Vereinigten Staaten und 60 Millionen von Ländern der IEA), wird in einem Bericht der IEA hervorgehoben.

Anders bewertet man in der OPEC die Perspektiven der Sanktionen gegen das russische Erdöl. „Es wird unmöglich sein, die potenziellen Verluste aufgrund des Wegfalls der russischen Öllieferungen wettzumachen“, erklärte OPEC-Mohammad Sanusi Barkindo. Nach seinen Worten könnten die Sanktionen täglich zu Verlusten von über sieben Millionen Barrel des russischen Exports von Erdöl und Brennstoffen führen. Und dies führe zur ernsthaftesten Krise in der gesamten Geschichte. Russlands Vizepremier Alexander Nowak prognostizierte Ende März, dass in dem Fall, dass die westlichen Länder auf russisches Öl verzichten, es um ein Mehrfaches teurer werden könne. „Die Preise für Erdöl werden angenommen bei 300 Dollar liegen. Und einige sagen auch bei 500“, erklärte Nowak. (Am Freitag veröffentlichte das russische Finanzministerium aktuelle Zahlen zu den Preisen für Erdöl der Marke Urals aus Russland. Der Durchschnittspreis für einen Barrel wurde dabei derzeit mit 79,81 Dollar ausgewiesen. Und da russisches Öl derzeit immer weniger Kunden findet, erreichen die Preisnachlässe derzeit durchschnittlich einen Wert von 30 Dollar. Folglich bewahrheiten sich die Prognosen des Vizepremiers vorerst nicht. – Anmerkung der Redaktion)

Für die Bewahrung des Erdölexports muss Russland nicht nur neue Kunden finden, sondern auch die Zahlungen auf alternative Währungen umstellen. Der Verzicht auf die Währungen der sogenannten unfreundlichen Länder, zu denen u. a. alle Länder der EU gehören, sei eine strategische Aufgabe, deren Realisierung für die finanzielle und wirtschaftliche Sicherheit Russlands wichtig sei, erklärte Wladimir Putin ein weiteres Mal am Donnerstag. Er betonte, dass das brisanteste Problem, mit dem die Unternehmen des Brennstoff- und Energiekomplexes im Ergebnis der (konsolidierten) Handlungen der unfreundlichen Länder konfrontiert wurden, die Störungen bei der Logistik der Exportlieferungen seien.

„Zu beobachten sind Störungen bei der Bezahlung der Exportlieferungen der russischen Energieressourcen. Banken aus eben diesen unfreundlichen Ländern verzögern die Überweisung der Zahlungen. Es sei daran erinnert, dass bereits die Aufgabe gestellt worden ist: die Zahlungen für die Energieressourcen auf die nationale Währung umzustellen sowie schrittweise vom Dollar und Euro abzugehen. Insgesamt beabsichtigen wir, den Anteil der Zahlungen in der nationalen Währung im System des Außenhandels grundlegend zu erhöhen. Wichtige Schritte in diesen Richtungen werden bereits unternommen. Und die Schlüsselaufgabe ist hier, unseren Devisenmarkt auf solch einen Übergang vorzubereiten, damit man jegliche ausländische Währung frei und im notwendigen Umfang in russische Rubel umtauschen kann“, sagte der Präsident.

„Der Verzicht auf unsichere, sich kompromittierende Währungen und Jurisdiktionen ist eine strategische Aufgabe aus der Sicht der finanziellen und wirtschaftlichen Sicherheit unseres Landes. Eine wichtige für die Bewahrung und Erweiterung der Umfänge des Außenhandels, für die Anbahnung stabiler Kontakte mit voraussagbaren Partnern, die zu ihrem Wort stehen und den Geschäftsruf schätzen und wahren sowie die Konsequenzen ihrer Entscheidungen begreifen“, unterstrich Putin. „In diesem Zusammenhang möchte ich betonen, dass die russischen Energieunternehmen verantwortungsbewusste Teilnehmer des Weltmarktes sind. Sie haben sich nicht durch ein einziges Jahrzehnt der Arbeit und durch die strikte Umsetzung ihrer Pflichten empfohlen“, fügte er hinzu.

In Washington bemüht man sich aber, neue Kanäle für den Export russischen Erdöls zu blockieren (siehe: „Es wird nicht gelingen, das ganze Erdöl und Gas vor den Sanktionen zu verstecken“). US-Präsident Joseph Biden hatte bei Gesprächen mit Indiens Premierminister Narendra Modi am Montag erklärt, dass der Erwerb einer großen Menge Erdöl von Russland nicht den Interessen Indiens entspreche und die Reaktion der USA auf den Konflikt in der Ukraine stören könne.

Am Donnerstag erklärte Jake Sullivan, der nationale Sicherheitsberater des Präsidenten der USA, dass sich die amerikanischen Offiziellen in der nächsten Zeit auf die Wege für ein Abgehen von den antirussischen Sanktionen konzentrieren würden. Russland „versucht, sich daran anzupassen, dass es sich jetzt unter einem kolossalen Wirtschaftsdruck befindet“, meint Sullivan. „In der nächsten Woche oder den nächsten zwei werden wir eine Erklärung abgeben und die Richtungen der Versuche für ein Umgehen der Sanktionen sowohl in Russland als auch im Ausland ausweisen“, versprach der Berater des US-Staatsoberhauptes.

Ein Beispiel für einen systematischen Schutz der Interessen der eigenen Wirtschaft vor dem Hintergrund von Sanktionsdrohungen demonstriert China. Peking dulde nicht, dass Unternehmen irgendwelcher Länder Unternehmen der Volksrepublik bedrohen, erklärte am Donnerstag die offizielle Sprecherin des chinesischen Wirtschaftsministeriums Shu Jueting. „Einzelne Länder haben Sanktionen gegen die Russische Föderation angewandt, womit sie Störungen für die chinesisch-russische Handels- und Wirtschaftszusammenarbeit geschaffen haben. Einige ausländische Unternehmen verletzen die normalen Prinzipien des marktwirtschaftlichen Zusammenwirkens und üben Druck auf Unternehmen Chinas aus, wobei sie von ihnen verlangen, „irgendeine Seite auszuwählen“, sagte sie bei einem Briefing. „Die Volksrepublik China wird die erforderlichen Schritte unternehmen und entschieden die legitimen Rechte ihrer Unternehmen verteidigen“.

Nach Aussagen der offiziellen Vertreterin beabsichtige Peking nicht, sich den einseitigen Sanktionen anzuschließen, die gegen Russland ohne eine Zustimmung der UNO verhängt wurden. „Wir sind gegen jegliche Restriktionen, die einseitig und nicht auf der Grundlage der Normen des internationalen Rechts verhängt werden“, unterstrich Shu Jueting.