Der gesellschaftliche Beirat des russischen Staatskonzerns „Rosatom“ und das Umweltschutz- und Umweltrechtszentrum „Bellona“ haben eine Präsentation eines Berichts über Fragen des sicheren Umgangs mit abgereichertem Uranhexafluorid (AUHF) und die Perspektiven dessen Nutzung veranstaltet. Wissenschaftler und Ökologen sind zu der eindeutigen Schlussfolgerung gelangt: AUHF, das sind keine radioaktiven Abfälle, sondern eine wertvolle Ressource, ein Wertstoff, der nach der Verarbeitung als Rohstoff in der Atomenergetik eingesetzt, aber auch Anwendung in vielen anderen Branchen finden kann. Die Vorlage des Berichts ist durch die sich zugespitzten Diskussionen und Manipulationen zur Frage nach der Sicherheit der Einfuhr von AUHF aus Deutschland – eines Projektes, das „Rosatom“ realisiert – ausgelöst worden. Die Experten versicherten der „NG“, dass bei diesem Projekt von keinerlei „Einfuhr von radioaktiver Strahlung“ die Rede sein könne.
AUHF ist Nuklearmaterial, ein Nebenprodukt des Uran-Anreicherungsprozesses. „AUHF ist eine der am meisten anfallenden sekundären Quellen von Uran, da es ein Rohstoff atomarer Reinheit ist, was es zu einem attraktiven für die Herstellung von Kernbrennstoffen, aber auch zu einer sekundären Fluorquelle für nichtnukleare Bereiche (Metallurgie und Chemieindustrie) macht“, erläutern die Autoren des Berichts die Ziele für den Einsatz dieser Substanz.
„Unter normalen Bedingungen der Lagerung (des Transports) stellt AUHF keine Strahlungsgefahr dar. Seine Aktivität ist geringer als die des natürlichen Urans“, wird in der Untersuchung unterstrichen. Dennoch ist dies eine chemisch gefährliche Substanz, weshalb die Container für ihren Transport einer strengen Überprüfung unterzogen werden: Man lässt sie aus einer Höhe von neun Metern auf eine betonierte Fläche stürzen und setzt sie eine halbe Stunde lang Flammen aus, erzählte der Atomphysiker Oleg Muratow. Seinen Worten zufolge deckt die Förderung von natürlichem Uran nicht die Bedürfnisse der Atomenergiewirtschaft. Man könne die angehäuften Reserven nutzen, doch sie würden zur Neige gehen. Man könne aber abgereichertes Uranhexafluorid wiederaufbereiten, was zweckmäßiger sei. Über Technologien für einen industriellen Einsatz von AUHF verfügen nicht so viele Länder. Neben Russland setzt man sie beispielsweise in den USA und in Frankreich ein. Unter bestimmten Bedingungen könne es recht vorteilhaft sein, abgereichertes Uranhexafluorid wiederaufzubereiten, teilte Dr. oec. Xenia Wachruschewa, Expertin der internationalen Umweltschutzorganisation „Bellona“, mit.
Wenn Material gefährlich ist, bedeutet dies nicht, dass es nutzlos ist. Genauso wie auch nützliche Sachen gefährliche sein können, merkte Alexej Jekidin, leitender wissenschaftlicher Mitarbeiter des Instituts für Industrieökologie der Ural-Abteilung der Russischen Akademie der Wissenschaften, an. Als Beispiel führte er die Energiewirtschaft und den Kraftverkehr an. Bei niemanden kommen Zweifel an deren Nützlichkeit auf. Diese beiden Erscheinungen können aber Quellen für ein tödliches Risiko sein – unter der Bedingung, dass die Sicherheitsregeln nicht eingehalten werden. Die Frage der Einhaltung solcher Regeln beim Umgang mit abgereichertem Uranhexafluorid ist eine entscheidende. „AUHF löffelweise zu verzehren, rate ich dringlichst ab“, unterstrich der Experten. In den Unternehmen der TVEL AG werden moderne Technologien für die Arbeit mit abgereichertem Uranhexafluorid eingesetzt, strenge Forderungen hinsichtlich des Personals erfüllt. Der gesamte Prozess befindet sich unter der Kontrolle der Aufsichtsorgane, erklärte Alexej Jekidin.
Der Umgang mit AUHF wird dadurch bestimmt, ob es ein Abfall oder eine Ressource ist. Dies ist eindeutig eine Ressource“, unterstrich Alexander Nikitin, Generaldirektor des Umweltschutz- und Umweltrechtszentrums „Bellona“. Tatsächlich dürfen radioaktive Abfälle gemäß den gesetzlichen Bestimmungen nicht weiter genutzt werden. AUHF sei aber Rohmaterial. Daher verletze die Einfuhr von AUHF aus Deutschland keinerlei Gesetze, unterstrich der Experte. Er fügte gleichfalls hinzu, dass in Russland kein „endloses“ Anhäufen von abgereichertem Uranhexafluorid erfolge. Das gesamte Rohmaterial werde auf vorhandenen oder in Bau befindlichen Anlagen verarbeitet. Und dies restlos. Es seien keinerlei Endlager für das eingeführte AUHF vorgesehen. Das ganze Material werde man entweder sofort oder in der Zukunft verarbeiten.
Dennoch kann eine dilettantische Frage bleiben: Führt nicht selbst unter Berücksichtigung der geringen Radioaktivität des AUHF die Umsetzung des Projekts von „Rosatom“ bedingt zu einer „Einfuhr von radioaktiver Strahlung“ und zu einer Zunahme der generellen Radioaktivität auf dem Territorium Russlands? Die Experten erklären kategorisch, dass dies nicht geschehen werde. „Nein, wir „führen keine radioaktive Strahlung ein“ und erhöhen nicht den Anteil an der „gesamten Sparbüchse der radioaktiven Strahlung““, sagte Alexander Nikitin gegenüber der „NG“. „Die Strahlungsbelastung durch AUHF ist geringer als die Strahlungsbelastung an der mit Granit gestalteten Uferstraße am Denkmal für Peter I. in Sankt Petersburg. Außer diesem gibt es viele andere natürliche Faktoren, die radioaktive Strahlung freisetzen, angefangen bei der Sonne. Und man muss noch begreifen, dass das einzuführende AUHF verarbeitet und – konventionell gesagt – in zwei Teile getrennt wird. Der radioaktivere Teil wird zur Herstellung von Kernbrennstoff dorthin zurückgeschickt, von woher man es (das AUHF – Anmerkung der Redaktion) gebracht hatte. Der praktisch gänzlich nichtradioaktive Teil bleibt aber und wird als eine Ressource für andere Zwecke genutzt.“
„Die spezifische Aktivität von Hexafluorid mit einem natürlichen Anteil von Uran-Isotopen beträgt 17 Kilobecquerel je Gramm (kBq/g), die des einzuführenden AUHF macht weniger als ein Drittel aus – 5,3 kBq/g. Das einzuführende AUHF wird aufgearbeitet und erneut angereichert. Und das angereicherte Uran wird zurück nach Deutschland exportiert. Die spezifische Aktivität der erneut abgereicherten Uranhexafluorids beträgt 2,7 kBq/g. Die Strahlungsbelastung an der Oberfläche eines Containers mit AUHF liegt bei 17 Mikrosievert in der Stunde (µSv/h). Und in einer Entfernung von einem Meter vom Container – 5 µSv/h. Zum Vergleich: Die Strahlungsbelastung an den mit Granit verkleideten Uferstraßen an der Newa beträgt 20 µSv/h. Und der Durchschnittswert in Petersburg – 13 bis 14 µSv/h“, teilte Oleg Muratow der „NG“ mit. Kompletter Text des erwähnten Berichts in russischer Sprache unter: https://osatom.ru/media/uploads/4b2978cd-3a0a-4c6c-81cc-fb458d7f2f7e.pdf