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Babariko prangerte Weißrusslands Führung vor Gericht an


In Minsk geht der Prozess gegen Manager der Belgazprombank – der weißrussischen „Tochter“ der russischen Gazprombank – weiter. Zum ersten Mal ist der ehemalige Chef der Bank, Viktor Babriko, vor Gericht aufgetreten. Seiner Meinung nach gebe es keine Beweise für die Schuld aller Angeklagten – außer die falsche Selbstbezichtigung, die ein Ergebnis der Ausübung von Druck sei.

Im Obersten Gericht Weißrusslands ist die Behandlung des „Belgazprombank-Falls“ fortgesetzt worden. Am Vorabend der Sitzung in Minsk hatte das Team des Ex-Chefs der Belgazprombank Viktor Babriko eine Audioaufnahme seiner Rede, die er einen Tag zuvor gehalten hatte, veröffentlicht. Die Gerichtsprozess ist ein offener, doch Medien werden zu einer Berichterstattung über ihn nicht zugelassen. Der jeweiligen Verhandlung können lediglich einfache Bürger beiwohnen, deren Anzahl durch die Größe des Saales und die Versuche, die epidemiologischen Schutzmaßnahmen einzuhalten, eingeschränkt wird. Den Verteidigern ist verboten worden, „das Geheimnis der Untersuchungen preiszugeben“. Daher gibt es wenig Informationen über den Prozessverlauf.

Am Montag war die Befragung aller Angeklagten abgeschlossen worden (sie dauerte seit dem 23. März an). Und es sollte das Verhör des Hauptangeklagten Viktor Babariko beginnen. Wie bereits mitgeteilt wurde, gibt es neben dem Ex-Chef der Belgazprombank noch sieben weitere Angeklagte in dem Fall – den amtierenden Vorstandsvorsitzenden der Belgazprombank Kirill Badei, die stellvertretenden Vorsitzenden Sergej Schaban, Dmitrij Kusmitsch, Alexander Iljasjuk und Sergej Dobroljot, den Leiter des Unternehmens „Aktivleasing“ und den früheren stellvertretenden Vorstandsvorsitzenden Alexej Sadoiko. Sie alle hatten mit Ausnahme des Hauptangeklagten die Schuld gestanden und mit den Untersuchungsbeamten zusammengearbeitet. Den Top-Managern der Belgazprombank wird vorgeworfen, dass sie innerhalb einer organisierten Gruppe Bestechungen in einem besonders großen Umfang angenommen hätten. Überdies bezichtigt man Viktor Babariko einer Legalisierung von Einkommen, die auf kriminellem Wege erhalten worden seien. Viktor Kobjak kommt in dem Fall als derjenige vor, der die Bestechungsgelder „in einem besonders großen Umfang“ gegeben haben soll.

Viktor Babariko hatte den Antrag gestellt, dass man ihm erlaubt, mit einer Erklärung vor dem Verhör aller übrigen Angeklagten als einer der Organisierung einer kriminellen Gruppe Angeklagter und als Prozessteilnehmer, der bisher keinerlei Ausgaben gemacht hat, aufzutreten. Das Gericht gab jedoch dem Antrag nicht statt. Es war erwartet worden, dass sein Verhör am 6. April beginnt. Babariko hat ein Verhör als solches aber abgelehnt und trat mit einer 45 Minuten währenden Erklärung auf.

Viktor Babariko erklärte in seiner Rede, dass er die strafrechtliche Verfolgung für eine „absolut unbegründete“ und eine „politisch motivierte“ halte. „Sie verfolgen nicht das Ziel eines Nachweises der Schuld, eine Feststellung der Schuldumstände. Sie verfolgen nur ein ursprüngliches Ziel und zwar meine Nichtteilnahme am politischen Prozess der Wahl des Präsidenten der Republik Belarus“, sagte Viktor Babariko.

Als Argumente, die die politische Motivierung bestätigen, führt er die Chronologie der Ereignisse des vergangenen Frühjahrs an, ab dem Zeitpunkt seiner Bekanntgabe seiner Entscheidung, an den Wahlen teilzunehmen (am 12. Mai), bis zum Moment der Festnahme (am 18. Juni). In dieser kurzen Zeitspanne sei die Bank, die zu den fünf besten im Land gehörte und erfolgreich die regelmäßigen Prüfungen sowohl seitens der Nationalbank Weißrusslands und der kontrollieren Organe als auch seitens der Aktionäre („Gazprom“, die Gazprombank) absolviert hatte, zum Organisator einer organisierten kriminellen Gruppe und deren Management zu Verbrechern geworden, konstatierte der Ex-Chef der Bank. „Innerhalb von zwanzig Jahren Leitungstätigkeit hat sich die Bank aus einem kleinen Finanzinstitut mit einem Gewinn von 100.000 Dollar in eines der größten Finanzinstitute verwandelt, das entsprechend den Ergebnissen der vergangenen zwei Jahre (2018 und 2019) einen Gewinn von rund 50 Millionen Dollar auswies. Die Tätigkeitsergebnisse der Bank wurden sowohl durch internationale Finanzinstitute und Auditoren als auch in der Republik anerkannt. In den fünf Jahren des Bestehens des Wettbewerbs „Bester Geschäftsführer des Bankensystems“ in Belarus wurde ich zweimal dessen Gewinner“, erinnerte Babariko an die Situation „bis zu den Wahlen“.

Nach Aussagen des Ex-Bankiers wird der Bankensektor Weißrusslands „sehr streng reguliert“ und überprüft. Mehr noch, für jede Bank ist ein Kurator aus dem KGB eingesetzt worden. Und dabei „wurde innerhalb von 20 Jahren bei solch einem System der Kontrolle, einer äußeren und seitens der Aktionäre, in der Belgazprombank nicht ein Verstoß gefunden, der einen Hauch von einer Straftat gehabt haben könnte“. Auch die außerplanmäßige Überprüfung durch die Nationalbank, die im Januar des Jahres 2020 stattgefunden hatte, hatte keine ernsthaften Verstöße festgestellt. „Somit ziehen die Untersuchungsbehörden, indem sie Vorwürfe erheben, die wir jetzt vernehmen, den Professionalismus und die Integrität des ganzen Systems der Kontrolle, die es im Bankensektor der Republik Belarus gibt, und den Professionalismus der Aktionäre in Zweifel“, resümierte Viktor Babariko.

Nach seiner Meinung sei zum Startschuss für die strafrechtliche Verfolgung die direkte Anweisung des damals amtierenden Präsidenten Alexander Lukaschenko, sich die „dickbäuchigen Bourgeois vorzunehmen“ geworden, die er öffentlich am 10. Juni gegeben hatte. Und bereits am 11. Juni nimmt man das Management der Bank fest. Und am 12. (Juni) verkündet man eine Beteiligung von Babariko an sich an Verbrechen. „Die staatlichen Massenmedien verkündeten bereits meine Schuld, obgleich die Untersuchungen gerade erst begonnen hatten“, erinnerte der ehemalige Bankchef.

Wie im Stadium der Voruntersuchungen und Formulierung der Anklage gemeldet wurde, hätten die Angeklagten Bestechungen „in Form von Dividendenauszahlungen“ aufgrund der Beteiligung an Unternehmen, aber auch „in Form von Mitteln aus dem Verkauf von Anteilen“ an diesen Unternehmen erhalten. „In den Jahren 2007 bis 2020 hat die Gruppe in Form von bargeldlosen Überweisungen unter dem Anschein einer Beteiligung an der Gewinnverteilung 5,659 Millionen (Dollar) erhalten“ heißt es in der Anklageschrift.

Nach Aussagen von Viktor Babariko aber hätten die Mitarbeiter der Bank an Startups einer Reihe von Unternehmen in der Eigenschaft von Experten teilgenommen und dafür auch eine Vergütung erhalten. „Heute ist dies sehr modern, wenn Leute, die keinerlei Erfahrungen besitzen, zu anderen Leute kommen und sagen: „Ich habe eine Idee“. Und sie entwickeln diese Idee, hegen und pflegen sie, unternehmen irgendetwas. Und darin besteht die Beteiligung der Bank“, erzählte er. Dass sie dann eine Einnahme aus dem Verkauf eines Anteils an dem aufgebauten Unternehmen erhalten würden, dies sie auch kein Verbrechen, unterstrich Babariko.

Seiner Meinung nach basiere die strafrechtliche Verfolgung ausschließlich auf „freiwilligen Aussagen“, die die Menschen in der U-Haftanstalt des KGB gegeben hätten. Was deren Reue und Eingestehen der Schuld angehe, so „verstehe ich, dass die U-Haftanstalt des KGB eine Verklärung der Erinnerungen und die Ausprägung richtiger Wertungen fördert“, erklärte Babariko.

Der Ex-Bankier erklärte, dass in der U-Haftanstalt des KGB das Verfolgen der offiziellen Propaganda-Kanäle obligatorisch sei. Und dies bewertet er gleichfalls als eine Ausübung von Druck, denn „es ist schwer, aufgrund der absoluten Ohnmacht zu widerstehen, wenn du hörst, dass das Finale bereits bestimmt sei… Natürlich ergibt sich der Wunsch, sich auf irgendeinen Kompromiss einzulassen, um sozusagen jene schrecklichen Konsequenzen zu minimieren, über die man im Fernsehen spricht“. Das Ende des Auftritts hat der Saal mit Ovationen aufgenommen, und der Richter hat dem keinen Riegel vorgeschoben.