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Baku und Jerewan sind noch weit von der Unterzeichnung eines Friedensvertrages entfernt


Armeniens Außenministerium hat Informationen dementiert, dass am 1. Juni in Kischinjow die Unterzeichnung eines Friedensvertrages mit Aserbaidschan erfolgen könne. Zuvor hatte solch eine Möglichkeit die aserbaidschanische Botschafterin in Frankreich, Leila Abdullaeva, eingeräumt. Die Beziehungen zwischen Jerewan und Baku sind durch einen Zwischenfall mit zwei verschwundenen armenischen Militärs belastet worden. Armenien warf Aserbaidschan deren Entführung vor. Baku bezeichnete seinerseits diese Soldaten als Grenzverletzer und leitete ein Strafverfahren gegen sie ein.

Der Zwischenfall hatte sich in den Abendstunden des 26. Mai ereignet. Die Armeeangehörigen Arutjun Owakimjan und Karen Kasarjan hatten mit einem KAMAZ-LKW Lebensmittel zu Gefechtspositionen gebracht. Auf dem Rückgang war die Verbindung mit ihnen verloren gegangen. Im Ergebnis von Sucharbeiten wurde der KAMAZ auf einer Straße zwischen den Positionen mit laufendem Motor gefunden. Entsprechend einer Erklärung der armenischen Seite seien Owakimjan und Kasarjan durch eine aserbaidschanische Diversionsgruppe entführt worden.

Die aserbaidschanische Version des Geschehens sieht anders aus: Die Militärs hätten die Staatsgrenze mit einer Diversionsgruppe der Streitkräfte Armeniens verletzt. Laut einer Mitteilung der Generalstaatsanwaltschaft Aserbaidschans seien das Ziel ihres Eindringens die Ermordung von Menschen, die Zufügung materiellen Schadens, das Schüren von Panik unter der aserbaidschanischen Bevölkerung, aber auch die Organisierung eines Terroraktes gegen Angehörige der Grenztruppen auf dem Territorium des Dorfs Rasdar des Kreises Sangilan gewesen. In der Mitteilung wird unterstrichen, dass die festgenommenen Militärs der Streitkräfte Armeniens Angeklagte im Rahmen eines eingeleiteten Strafverfahrens seien und auf Beschluss eines Gerichts eine Verhaftung als Sicherungsmaßnahme ausgewählt worden sei. Wie dem auch sei, das Schicksal von Owakimjan und Kasarjan wird augenscheinlich im Verlauf von Verhandlungen zwischen der armenischen und der aserbaidschanischen Seite geklärt werden. Wie dies im Grunde genommen auch bisher in analogen Fällen gewesen war.

Derweil entwickeln sich die Ereignisse in der Region entgegen den optimistischen Voraussagen sowohl Moskaus als auch des Westens über die wahrscheinliche baldige Unterzeichnung eines Friedensvertrages zwischen Aserbaidschan und Armenien. Unter anderem erklärte die Pressesekretärin des armenischen Außenministeriums, Ani Badaljan, bei Beantwortung einer eingegangenen Frage nach der möglichen Unterzeichnung dieses Vertrages am 1. Juni in Kischinjow: „Die Diskussionen um die Regulierung der Beziehungen zwischen Armenien und Aserbaidschan und insbesondere um das Abkommen „Über die Schaffung von Frieden und zwischenstaatlicher Beziehungen“ dauern an. Wie wir mehrfach betont haben, wird die armenische Seite dann zur Unterzeichnung eines Abkommens bereit sein, wenn die Schlüsselfragen geklärt worden sind. Wir sind der Auffassung, dass die Diskussionen zu ihnen am 1. Juni in Kischinjow während und nach dem geplanten Treffen im Rahmen des Summits der Europäischen politischen Gemeinschaft fortgesetzt werden. Eine Unterzeichnung des ausgewiesenen Abkommens ist nicht in die Tagesordnung des Treffens von Kischinjow aufgenommen worden“.

Derweil erklärte Aserbaidschans Präsident, Ilham Alijew, bei einem Treffen mit Einwohnern des Latschin-Kreises am Sonntag: „Gegenwärtig, da Armenien bereits unsere territoriale Integrität anerkannt hat, ist faktisch keinerlei ernsthaftes Hindernis für einen Friedensvertrag geblieben. Ich bin mir sicher, dass ein Friedensvertrag in der nächsten Zukunft unterzeichnet werden kann, wenn Armenien nicht wieder seine Position ändert“.

Buchstäblich darauf reagierend, erklärte der türkische Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu, dass positive Veränderungen in den Beziehungen Ankaras und Jerewans nur nach der Unterzeichnung eines Friedensvertrages zwischen Armenien und Aserbaidschan folgen könnten. Der Minister unterstrich, dass Ankara die Erklärung von Armeniens Premierminister Nikol Paschinjan über die territoriale Integrität Aserbaidschans begrüße. Dabei würden aber auf Seiten der Türkei bestimmte Beanstandungen gegenüber Armenien bleiben, in dessen Hauptstadt jüngst ein Denkmal für die Teilnehmer der Operation „Nemesis“, als in der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts türkische Beamte vernichtet wurden, die am Genozid der Armenier im Osmanischen Reich beteiligt gewesen waren, eingeweiht wurde. Jerewan müsse den begangenen Fehler korrigieren, meint Ankara, wobei es die Einweihung dieses Denkmals für einen Fehler hält.

Das Geschehen zwischen Baku und Jerewan wird natürlich auch in Berkarabach registriert. Stepanakert hat schon vor langem seine Position formuliert und wiederholt sie bei jeder Möglichkeit: Das Schicksal von Arzach (armenische Bezeichnung von Bergkarabach – „NG“) könne nicht ohne die Bewohner von Arzach geklärt werden, die Freiheit und Unabhängigkeit gewählt hätten.

Am letzten Wochenende wurden in Stepanakert die Ziele der gesellschaftlichen Bewegung „Front für Sicherheit und Entwicklung von Arzach“ vorgestellt. Nach Aussagen des einstigen Staatsministers der nichtanerkannten Republik, Ruben Wardanjan, sei die Organisation bereit, mit allen Kräften zusammenzuarbeiten, die ein sicheres, ein unabhängiges Arzach sehen möchten. Er betonte, dass gerade um dieses Ziel in den letzten Monaten breite öffentliche Diskussionen geführt worden seien, in deren Ergebnis eine Sichtweise für die Zukunft der Region formuliert, alle Richtungen abgesteckt und Probleme aufgeworfen sowie eine Roadmap ausgearbeitet worden seien.

Post Scriptum:

Am Montag machte letztlich auch der armenische Regierungschef Nikol Paschinjan im Landesparlament deutlich, dass die Möglichkeit der Unterzeichnung eines Friedensabkommens mit Aserbaidschan am 1. Juni in Kischinjow ausgeschlossen sei. Er bestätigte das geplante Treffen mit Aserbaidschans Staatsoberhaupt, mit Frankreichs Präsidenten, dem Vorsitzenden des Europarates und mit dem deutschen Bundeskanzler. Sagte aber weiter: „Was die Wahrscheinlichkeit der Unterzeichnung eines Friedensabkommens mit Aserbaidschan bei diesem Treffen angeht, so muss ich sagen, dass wir bisher von Aserbaidschan keine Kommentare zu unseren Vorschlägen hinsichtlich des Entwurfs des Friedensabkommens erhalten haben. Dies ist bereits die vierte Fassung des Entwurfs für ein Friedensabkommen“.