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Begonnen hat Russlands Abschied von den Öl- und Gaseinnahmen


Der Rückgang der Einnahmen der russischen Staatskasse im Jahr 2023 ist nur der Anfang dessen, dass sich die Rohstoffrente erschöpft, deren Beitrag für die Wirtschaft sich bereits in diesem Jahrzehnt halbieren wird. Die Russische Föderation habe keine Perspektiven für eine Wiederherstellung der Rohstoff-Einnahmen, meinen Wirtschaftsfachleute. Für eine Beibehaltung der staatlichen Finanzen werde die Regierung von einem punktuellen „Rupfen“ des Big Business zu einer frontalen Anhebung der Steuern (vor allem der Mehrwertsteuer), aber auch zu einer Entwertung des Rubels durch eine Quasi-Emissionsfinanzierung der staatlichen Ausgaben übergehen, prognostizieren Experten. Und es gibt noch einen Vorschlag – in der Russischen Föderation eine leistungsstarke „gewöhnliche“ Wirtschaft mit Sektoren, die hohe Einnahmen erzielen, zu schaffen.

In den ersten zwei Monaten des laufenden Jahres ist das Haushaltsdefizit beinahe bis zur geplanten Obergrenze für das gesamte Jahr angestiegen und machte beinahe 2,6 Billionen Rubel aus, teilte das Finanzministerium der Russischen Föderation mit.

Die Einnahmen des Etats macht laut einer vorläufigen Schätzung 3,16 Billionen Rubel aus (um 25 Prozent weniger als ein Jahr zuvor). Und die Ausgaben beliefen sich auf 5,7 Billionen Rubel, womit sie um 52 Prozent angestiegen waren. Dabei sind die Einnahmen durch Erdöl und Erdgas um 46 Prozent eingebrochen (bis auf 947 Milliarden Rubel nach über 1,7 Billionen Rubel im Jahr 2022), informierte das Finanzministerium. Dort verknüpfte man dies in erster Linie mit dem Rückgang der Notierungen der Preise für Erdöl der Marke Urals und mit der Verringerung des Umfangs des Erdgasexports.

Aufgrund der Sanktionen, die die Lieferungen auf die früheren Hauptmärkte einschränkten, der Preisobergrenzen sowie der Schwierigkeiten mit der Umleitung der Kohlenwasserstoff-Produkte auf neue Märkte aufgrund der Probleme mit dem Transport, der Bezahlung, der Versicherung usw. erwartet Russland scheinbar eine neue Ära geringer Einnahme durch Erdöl und Gas. Was das Suchen nicht nur nach neuen „Zentren für die Rente“, sondern auch nach Herangehensweisen an das Investieren der russischen Wirtschaft auslöst. Einige Wissenschaftler sehe Varianten nicht nur in einem Investieren in obligatorische Wirtschaftssektoren, sondern auch in einer zweiten Privatisierung.

Die neuen Entwicklungsbedingungen — die systematischen Sanktionen sowie eine Zunahme der Belastungen im sozialen und Verteidigungsbereich – sehen eine Beibehaltung eines recht hohen Entwicklungstempos vor. Daher muss entweder ein neues Zentrum für den Erhalt einer Rente – anstelle der versiegenden Natur-, Energie- und Rohstoffrente – geschaffen oder eine recht leistungsfähige „gewöhnliche“ Wirtschaft mit Sektoren mit großen Margen entwickelt werden, schlagen Experte des Zentrums für makroökonomische Analyse und kurzfristiges Prognostizieren in einem Bericht vor.

Es müssten zusätzliche Quellen für Haushaltseinnahmen durch die Realisierung von Investitionsprojekten und die Schaffung neuer Produktionsstätten geschaffen werden, schreiben sie. Die außerordentlichen Jahre 2022-2022 hätten zu einer Dysbalance der Einnahmen und Ausgaben des Haushalts geführt. Unter den Bedingungen einer Verringerung der Rohstoffeinnahmen und des Erschöpfungsgrades der Reserven gehe es um eine künftige Haushaltskonsolidierung, die eine Gefahr für die Haushaltsinvestitionen mit sich bringe. In der Regel werden sie in erster Linie von einem Sequester erfasst. Daher hat das Zentrum für makroökonomische Analyse und kurzfristiges Prognostizieren vorgeschlagen, sie besonders zu schützen, wobei die Haushaltsinvestitionen aus den Budgetregeln ausgeklammert werden und die Möglichkeit einer Finanzierung von Investitionen und Großausgaben durch Anleihen gewährleistet wird. Parallel dazu müsste das Tempo der Zunahme der laufenden Ausgaben gezügelt werden.

Und für die privaten Investoren werden eine Art spezielle Regeln wirksam: die Einführung eines obligatorischen Deponierens von 10 bis 15 Prozent der Mittel der russischen Unternehmen auf einem speziellen Investitionskonto in der Bank VEB.RF, wobei diese Mittel für ein Anlegen in ausländische Finanzanlagen genutzt oder zu dem Exporterlös, der nicht zurückzuführen ist, gerechnet werden. So werde es wahrscheinlich gelingen, eine „System-Wirkung“ zu erreichen, wie die Autoren des ausgewiesenen Berichts annehmen. Andernfalls würden die Interessen und Prioritäten des Staates nicht durch die Ergebnisse der Business-Aktivitäten untermauert werden. Im Gegenzug wird vorgeschlagen, das Business aktiver zur Ausarbeitung von Prioritäten im Rahmen staatlicher Programme hinzuzuziehen.

Igor Nikolajew, wissenschaftlicher Mitarbeiter des Wirtschaftsinstituts der Russischen Akademie der Wissenschaften, schlägt vor, doch von den Möglichkeiten der Branchen unter den konkreten Bedingungen auszugehen. „Den Verlust der Einnahmen durch Erdöl und Gas wird man wohl kaum ersetzen können. Seit dem Jahr 2000 hat das Land für sie mehrere Billionen Dollar erhalten. Wir haben jedoch Branchen, die in der Lage sind, in erheblichem Maße die Verluste zu kompensieren. Gegenwärtig ist dies zum Beispiel die Landwirtschaft, die bereits Milliarden Dollar im Jahr bringt. Und ihr Anteil am russischen BIP hat bereits 4,5 Prozent erreicht. Getreide und Lebensmittel können unter Berücksichtigung der Nachfrage auf den Weltmärkten durchaus zu einem neuen Erdöl werden. Unter Berücksichtigung dessen, dass der Sektor nicht unter die Sanktionen (des Westens – Anmerkung der Redaktion) fällt, besteht ein großes Potenzial auch hinsichtlich der Herstellung von Düngemitteln“.

Auf jeden Fall müsse man sich festlegen, worauf der Akzent gelegt werden soll, meint Nikolajew. „Das saldierte Finanzergebnis, d. h. der Gewinn minus Verluste verringerte sich im Zeitraum Januar-November des letzten Jahres um 11,6 Prozent. Dies bedeutet, dass die Basis für ein Investieren schrumpfte. Und da wird dem Business, das auch so die Hauptrolle beim Investieren spielt, vorgeschlagen, noch einen erheblichen Teil von Mitteln zu deponieren. Wobei es um eine Nötigung, um ein obligatorisches Deponieren mit einem obligatorischen Investieren geht. Die Hauptfrage aber – wohin investieren – ist gar nicht geklärt worden. Ein signifikantes Problem besteht bei uns hinsichtlich der Nachfrage. Aufgrund dessen erfolgt auch der Rückgang der Investitionen in das Grundkapital – um 5,9 Prozent in den ersten drei Quartalen des letzten Jahres. Wobei es gerade vor allem um einen Rückgang der privaten Investitionen ging, da der Anteil des Staates beim Investieren in das Grundkapital bei uns nie 20 Prozent überstiegen hat“, sagte der Experte.

Man müsse keinerlei Programme für eine Unterstützung der Investitionen entwickeln, meint Valerij Mironow, stellvertretender Direktor des Zentrums für Entwicklung an der Moskauer Hochschule für Wirtschaftswissenschaften. „Investitionen bedürfen keiner Stimulierung“, sagte er der „NG“. „Wenn es eine Nachfrage gibt, gibt es eine Herstellung von Erzeugnissen, sind die Kapazitäten ausgelastet. Und in diesem Moment forciert das Business selbst die Investitionen. Wenn die Kapazitäten aber stillstehen, sind auch keine Investitionen nötig. Daher muss man eine Erhöhung des Produktionsumfangs stimulieren.

„Es macht Sinn, die gegenwärtige Krise für eine strukturelle Umgestaltung der Wirtschaft auf der Grundlage der Schaffung komplexer (sowohl positiver als auch negativer) Stimuli für eine maximal effektive Nutzung finanzieller Hilfe durch die Unternehmen auszunutzen. In der Antikrisenpolitik erlangt die Ausnutzung nicht einer standardgemäßen Kreditvergabe, sondern von Vorgehensweisen, die eher einer Venture-Finanzierung eigen sind, eine immer größere Bedeutung. Zum Beispiel kann Kapital durch Banken oder durch eine Antikrisen-Entwicklungskorporation im Gegenzug für eine zeitweilige Übergabe von Aktien des Hilfe-Empfängers an diese bereitgestellt werden. Bei Tilgung der Schulden werden die Aktien zurückgegeben. Wenn aber der Kredit nicht zurückgezahlt wird, werden die Aktien auf dem Markt verkauft. So findet sich ein effektiver Eigner und erfolgt eine neue Privatisierung“, meint Mironow.

Derweil hegen die Staatsbeamten noch Hoffnungen auf eine geringe Verbesserung der Situation mit dem Haushalt bis Ende des Jahres 2023. „Es können die Weltmarktpreise ansteigen. Es kann aber auch ein neuer Mechanismus für die Besteuerung wirksam werden, der mit den Einnahmen durch Öl und Gas zusammenhängt und zur Einziehung größerer Summen für den Haushalt im Vergleich zu dem, was heute eingezogen wird, führt“, erklärte Oleg Buklemischew, Direktor des Zentrums für Studien der Wirtschaftspolitik an der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften der Moskauer staatlichen Lomonossow-Universität, in einem Rundfunkinterview. „Wenn dies nicht erfolgt, sind mehrere Varianten möglich: entweder eine Erfassung von Einnahmen peu à peu, wie man gegenwärtig versucht, sie aus dem Big Business herauszupressen, oder eine frontale Anhebung der Steuern. Allem nach zu urteilen, wird dies eine Mehrwertsteuer sein“.

„Die Stabilität und Voraussagbarkeit der wichtigsten makroökonomischen Variablen sind eine kritisch wichtige Bedingung bei der Gewährleistung günstiger Bedingungen für Investitionen und die Beschleunigung des Wirtschaftswachstums“, erklärte man der „NG“ im russischen Finanzministerium.