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Bereitet der Ökumenische Patriarch von Konstantinopel einen Ersatz für die Russisch-Orthodoxe Kirche vor?


 

 

Der Ökumenischer Patriarch von Konstantinopel, Bartholomeos I., weilte am vergangenen Montag zu einem Besuch in Litauen. Die Konsequenzen seines Aufenthaltes in dem Ostsee-Staat, der sowohl aus politischer als auch aus historisch-ideologischer Sicht ein wichtiger ist, können das Bild der weltweiten Orthodoxie ernsthaft verändern. Ihre zwei großen Flügel – der des griechischen und der des russischen Ritus – kommen immer näher zu einem Punkt auf dem Weg zu einem neuen „großen Schisma“, zu einer globalen Spaltung, an dem es kein Zurück geben wird.Die jahrhundertealten Regeln für die Beziehungen werden zerstört.

Patriarch Bartholomeos und Litauens Premierministerin Ingrida Šimonytė informierten über ein zwischen der Kirche von Konstantinopel und der Regierung des Ostsee-Staates abgeschlossenes Abkommen über eine Zusammenarbeit. Die Basis von Konstantinopel in Litauen ist bisher eine geringe. Ganze fünf Kleriker, die zuvor mit der Litauisch-Orthodoxen Kirche des Moskauer Patriarchats gebrochen haben. Ihnen ist aber bereits eine Kirche für Gottesdienste bereitgestellt worden. Und ein mit der Regierung unterzeichneter Vertrag wird erlauben, eine parallele orthodoxe Struktur in der Art von der, die bereits viele Jahre in Estland existiert, zu etablieren. Bartholomeos hat bereits erklärt, dass ein Exarchat gebildet werde.

Die Bedeutung Litauens für die russischen geistlichen Traditionen ist aber weitaus größer als die von Estland. Politiker und Kirchenvertreter erinnern regelmäßig an das Projekt „Litauische Rus“. Ja, und auch dieses Mal erklärte Šimonytė: „Ab dem 13. Jahrhundert gehörten die orthodoxen Christen, die in Litauen lebten, zum Bestand der Kiewer Metropolie, die dem Patriarchen von Konstantinopel unterstand, und hielten Konstantinopel zurecht für die Mutterkirche. Und erst Ende des 17. Jahrhunderts, hat der Moskauer Patriarch, der lediglich das Recht erhalten hatte, den gewählten Kiewer Metropoliten zu ordinieren, gemäß den „besten imperialen Traditionen“ beschlossen, sich die Metropolie von Kiew vollkommen einzuverleiben. Und zusammen mit ihr auch die litauische Orthodoxie“.

In unserer Zeit, in der jegliche Experimente mit den kirchlichen Jurisdiktionen möglich geworden sind, werden verschiedene Szenarios für eine Entwicklung der Ereignisse erörtert. Die Litauisch-Orthodoxe Kirche des Moskauer Patriarchats unternimmt alles Mögliche für einen Selbsterhalt. Metropolit Innokentij (Wassiljew) hatte Bartholomeos in ein Kloster seiner Eparchie (Diözese) eingeladen, um sich vor den Gebeinen der Wilna-Märtyrer (Wilna – frühere Bezeichnung der litauischen Hauptstadt Vilnius) zu verneigen. Die Eparchie bittet schon seit langem die Russisch-Orthodoxe Kirche, ihr eine vollkommene Unabhängigkeit entsprechend der Entscheidung des litauischen Seimas über die Autokephalie der lokalen Kirche zu gewähren. Jedoch hat die dieser Tage erfolgte Tagung der Synode des Moskauer Patriarchats beschlossen, diese Frage für eine Behandlung durch die Bischofssynode aufzuschieben, die wohl kaum in der nächsten Zukunft zusammenkommen wird. Wahrscheinlich ist man in Moskau noch nicht bereit, sich von den bisherigen Vorstellungen von einer Unverrückbarkeit der kanonischen Grenzen zu trennen, obgleich sie vor aller Augen in die Brüche gehen.

Die Konsequenzen aus der Entwicklung des Projekts „Litauische Rus“ können sich nicht auf das Territorium der Ostsee-Republik beschränken. Patriarch Bartholomeos traf sich in Vilnius mit Vertretern der Kirchen-Community der Weißrussen. Da gibt es sowohl Einheimische als auch Emigranten aus Weißrussland, die sich in einer politischen und kirchlichen Opposition zu Minsk befinden. Damit kann eine Entwicklung des litauischen Sujets mit Blick auf ein noch existierendes alternativloses Territorium der Russisch-Orthodoxen Kirche nicht ausgeschlossen werden.

Konstantinopel kann den Weg sowohl der Bildung nationaler Organisationen als auch einer Vereinigung all dieser Bruchstücke der „russischen Welt“ unter der Ägide der Orthodoxen Kirche der Ukraine beschreiten. Bereits bei der Etablierung der Orthodoxen Kirche der Ukraine im Dezember 2018 waren die Erklärungen zu vernehmen, dass sich ihre Jurisdiktion auf Weißrussland erstrecken müsse. Wenn die Absichten von Patriarch Bartholomeos den Abenteuern der Politiker entsprechen, kann sich die Sache nicht auf eine Isolierung des Moskauer Patriarchats entsprechend der Kontur der heutigen Abgrenzung Russlands und des Westens beschränken.

Unter solchen Umständen erscheint die starre Haltung der Russisch-Orthodoxen Kirche, die versucht, in einem veralteten Paradigma zu agieren, als die Regeln wirkten, die kein enges Korrelieren zwischen Politik und zwischenkirchlichen Beziehungen vorsahen, eine nicht ganz produktive zu sein. In der Diplomatie erfolgt vor dem Hintergrund des (Ukraine-) Konflikts allerorten eine Zerstörung sich durchgesetzter Regeln. Und das System der zwischenkirchlichen Beziehungen wird wohl kaum eine Unabhängigkeit von diesem Prozess bewahren.