Unabhängige Zeitung

Private Tageszeitung

Bis Ende Juli wird sich die KPRF in eine Wahlkampf-Sackgasse bringen


Die KPRF beabsichtigt, vom 23. bis einschließlich 25. Juli „Antikap-2021“-Proteste gegen den sozial-ökonomischen Kurs als erste Etappe der Aktion „Für die UdSSR!“ oder „Für eine starke, gerechte und sozialistische Heimat!“ zu veranstalten. Dies ist die Lösung der gesamten Wahlkampagne der Linken. Und daher sollen die Veranstaltungen zu großangelegten werden. Massenaktionen sind aber untersagt. Wenn die KPRF zurückweicht, sind schlechte elektorale Konsequenzen möglich. Wenn sie aber nichtsanktioniert auf die Straßen kommt, wird sie auf den Weg der Nawalny-Vertreter gelangen. So oder so wird dies zu einem Selbsttor im Rahmen des Wahlkampfs.

Unter den 28 Losungen der Kommunisten besitzt der Großteil eine sozial-ökonomische Ausrichtung. Gegen die Zwangsvakzinierung ist eine. Und drei Slogans stehen mit der Forderung nach ehrlichen Wahlen in einem Zusammenhang.

Vorgeschlagen wird unter anderem, sich gegen die dreitägige Abstimmung und für gleiche Informationsmöglichkeiten für alle Teilnehmer der Wahlkampagne auszusprechen. Es gibt auch einen Aufruf an die Bürger, unbedingt in die Wahllokale zu kommen und für den linkspatriotischen Block zu votieren. Es sei daran erinnert, dass die Verbündeten der KPRF, beispielsweise die „Linke Front“ von Sergej Udalzow, bereits einen Kampf um die Erhöhung der Wahlbeteiligung proklamiert haben. Gesetzt wird dabei darauf, dass, wenn es gelingt, das Protestelektorat aufzupushen, die administrative Mobilisierung derjenigen, die aus dem Staatshaushalt ihre Einkommen bekommen, nicht jene Vorteile für die Kremlpartei „Einiges Russland“ bringen wird, die sie bei den Kommunalwahlen erhält, da bei denen die Aktivität der Menschen gewöhnlich eine geringe ist.

Die Führung der Kommunistischen Partei nimmt jedoch berechtigt an, dass es keinen Sinn mache, sich auf die polittechnologischen Themen zu fokussieren, da es dadurch für die breiten Volksmassen langweilig werde. Es ist klar, dass bei den Menschen die Losungen zu den für sie aktuellsten Problemen gut ankommen. Noch besser ist es, wenn solche Aufrufe auf eine maximale Weise populär oder gar populistisch formuliert sind. Unter den Losungen, die durch den Gesamtrussischen Stab der Proteste der KPRF vorgeschlagen werden, gibt es solch in einer großen Anzahl. Zum Beispiel „Die Naturreichtümer für das Volk und nicht für die Geldbörsen der Oligarchen!“. Wobei die Kommunisten verschlagen, diese Oligarchen rund ein Dutzendmal mit unguten Worten zu erwähnen. Für den Bürger verständlich wird auch die Forderung gerade an die Herrschenden nach einer Reduzierung der Preise und Tarife der kommunalen Wohnungswirtschaft sein.

Den Großteil der Slogans machen jedoch recht abstrakte Phrasen vom Typ „Sozialismus – ja! Kapitalismus – nein!“, „Die Macht des Volkes wird durch aktive Handlungen eines jeden geschaffen“, „Die Wiedergeburt des russischen Dorfs ist die Grundlage für die nationale Sicherheit!“ u. a. aus. Da allerdings sie neben der Behauptung Platz gefunden haben, dass „der Wiedergeburt des großen sozialistischen Russlands“ nur das KPRF-Programm „10 Schritte zur Macht des Volkes“ helfen werde, ist klar, dass dies nicht mehr als eine Agitation für einzelne Punkte dieses Dokuments ist.

Aber die Anweisung des Gesamtrussischen Stabs der Proteste der KPRF an die Regionalabteilungen, über Straßenaktionen das Augenmerk der Bürger auf die Schlüsselthesen des Wahlkampfprogramms der Partei zu lenken, sieht nur theoretisch richtig aus. Denn die COVID-Praxis der letzten Monate diktiert eher ein Abgehen von den klassischen Konstruktionen der Wahlkampagne denn ein striktes Festhalten an den Traditionen. Und alles liegt daran, dass sich die Kommunisten bereits mehrfach von der Fähigkeit und gar den Möglichkeiten der Offiziellen überzeugt haben, Anträge der durchaus parlamentarischen Systempartei für die Durchführung der für sie üblichen politischen Arbeit zu ignorieren. Es sei daran erinnert, dass der KPRF vom Wesen her landesweit Demonstrationen und überhaupt Straßenaktionen sowohl am 23. Februar als auch am 1. Mai verwehrt wurden, obwohl ihr früher für Aktionen an diesen Feiertagen ruhig zentrale Straßen und Plätze in den meisten Städten überlassen wurden.

Bezeichnend ist, dass die Führungskräfte der KPRF für sich durchaus begreifen, dass genau das Gleiche jetzt der Fall sein wird. Der stellvertretende Vorsitzende des ZK Wladimir Kaschin, der gerade auch den Stab der Proteste anführt, sagte beispielsweise in einem Kommentar für das Nachrichtenportal „Open Media“, dass die Kommunisten Anträge zur Genehmigung von Kundgebungen stellen werden, wie sich dies auch gemäß Gesetz gehöre. Wenn aber Ablehnungen erfolgen, so werde man sich irgendetwas ausdenken. Entsprechend den vergangenen Erfahrungen bedeutet dies, dass es keine nichtgenehmigten großangelegten Aktionen geben wird. Maximal werden irgendwo „Treffen von Wählern mit Staatsduma-Abgeordneten erfolgen“, deren Unantastbarkeit die Polizei noch irgendwie stoppt. Der Großteil der Proteste wird jedoch entweder ins Internet verlegt oder beschränkt sich auf Einzelmahnwachen.

Die gleiche Quelle zitierte übrigens auch Worte von Sergej Obuchow, Sekretär des ZK der KPRF, der nicht einmal daran zweifelt, dass die Behörden vor Ort nicht nur die Meetings der Kommunisten nicht zulassen, sondern sie aktiv verhindern und behindern werden. „Dies passiert ständig mit uns. Wir sind doch nicht „Purpurrote Segel“ (). Da gibt es keinen Virus. Aber bei einer Einzelmahnwache ist die Gefahr sich anzustecken eine sehr große“, ironisierte er. Damit gab er aber zu verstehen, in was für einem Format letzten Endes auch die gesamtrussische Aktion erfolgen wird, die die KPRF nach seinen Worten doch durchführen werde. Angemerkt sei freilich, dass Kaschin Einzelmahnwachen zum „Aufwärmen“ bereits für den 4. und 5. Juli versprochen hatte. Ein aufmerksames Durchblättern der offiziellen Internetseite der KPRF hat jedoch nicht die Tatsache deren Durchführung in irgendeiner signifikanten geografischen Dimension bestätigt.

Somit steht der KPRF in der Hochzeit der Wahlkampagne ein ernsthafter Test hinsichtlich ihres oppositionellen Charakters bevor, den sie sich selbst auch vorbereitet hat. Wenn die Linken gegenüber den COVID-Verboten einen Rückzieher machen, das heißt nicht bloß Schwäche zeigen werden, sondern sich vom Wesen her auch von ihren Losungen distanzieren, so wird seitens des Protestelektorats Unverständnis aufkommen. Wobei es nicht um den Kern der Wählerschaft geht, der unter jeglichen Bedingungen mit der Partei bleibt, aber jetzt laut Umfragen der KPRF an sich kaum für eine Überwindung der 5-Prozent-Hürde in die Staatsduma reicht. Das friedfertige Verhalten gegenüber dem Verbot der Behörden für die Linken, die gesamte Wahlkampagne durchzuziehen, wird sich beispielsweise schlecht unter anderem auch auf das „Smart Voting“ auswirken, dessen Teilnehmer hauptsächlich die „erzürnten Städter“ sein werden.

Wenn sich jedoch die Kommunisten doch dazu entschließen, zu Akteuren im Stil der Nawalny-Anhänger zu werden, das heißt: zu nichtsanktionierten Aktionen zu kommen, so werden all jene Gesetze und Praktiken ihnen gegenüber angewandt werden, die die Herrschenden sich gegen die außerparlamentarische Opposition zurechtgelegt haben. Sicherlich wird es aber nicht bis zum Vorbringen von Extremismus-Vorwürfen gegen die KPRF kommen, doch sind formal-rechtliche Schritte gegen die Kandidaten durchaus möglich, die für die KPRF diejenigen sind, die die größten Erfolgschancen haben. Allerdings kann man wahrscheinlich auch in keiner Weise ausschließen, dass es eine grundlegende Lösung des Problems der KPRF durch den Kreml geben kann. Entsprechende Signale dazu sind bereits aus den Regionen gekommen. So hatte beispielsweise im Autonomen Bezirk der Chanten und Mansen der 1. Sekretär des Surguter Stadtkomitees Sergej Tschitschkanow beschlossen, die Straßenproteste der betrogenen Bausparer in den Gesamtplan der Wahlkampagne aufzunehmen. Für die Behörden der reichen Öl- und Gas-Region der Russischen Föderation erwies sich jedoch eine Politesse hinsichtlich der Opposition als uninteressant, und sie antworteten ihr geradlinig: Beweisen Sie, dass die KPRF keine extremistische Organisation ist und dass Tschitschkanow selbst „ein handlungsfähiger und gesetzestreuer Bürger“ ist.

Alles in allem: Die veralteten Politmanager aus der Führungsspitze der Kommunistischen Partei führen sie aus irgendeinem Grunde zu einem wahren Eigentor im Rahmen des Wahlkampfes, zu dem leider jegliche der beiden möglichen Varianten für ein Reagieren der Linken auf das Verbot der Aktion „Antikap-2021“ wird.