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Bischkek vereinbart mit Ankara die Eröffnung neuer türkischer Lyzeen


Die Bildungsminister von Kirgisien und der Türkei werden in der nächsten Zeit einander besuchen. Die Vereinbarung darüber wurde im Verlauf von Gesprächen des kirgisischen Botschafters in der Türkei, Ruslan Kasakbajew, mit dem Minister für nationale Bildung der Türkei, Yusuf Tekin, erzielt. Bei ihrem Treffen wurden Fragen der bilateralen Zusammenarbeit in den Bereichen Wissenschaft und Bildung erörtert. Es ging um die Gewinnung von Lehrern der kirgisischen Sprache und Literatur, Musik und des künstlerischen Volksschaffens für die Schule des Dorfes Ullu Pamir in der osttürkischen Provinz Van, wo ethnische Kirgisen kompakt ansässig sind. Gesprochen wurde gleichfalls über die Eröffnung zusätzlicher türkischer Schulen und Lyzeen für Berufsausbildung in Kirgisien im Rahmen der Bildungsstiftung „Maarif“.

Ruslan Kasakbajew bewertete positiv die Tätigkeit der türkischen Stiftung „Maarif“ in Kirgisien, der im September 2021 in Bischkek mit seiner Beteiligung eine Vertretung eröffnet hatte. Zu jener Zeit hatte Kasakbajew das Amt des Außenministers der Republik bekleidet. In dieser Zeit wurde in Bischkek unter der Ägide der Stiftung „Maarif“ nur eine Schule eröffnet. Die in der Republik wirkenden türkischen Bildungseinrichtungen – Kindergärten, Schulen, Lyzeen und sogar die führende türkische Universität „Manas“, die Präsident Recep Tayyip Erdogan persönlich unter seine Schirmherrschaft gestellt hat – arbeiten unter der Ägide der Stiftung „Salat“ (frühere Bezeichnung – „Sebat“).

Es sei daran erinnert, dass alle türkischen Bildungseinrichtungen in Kirgisien dem türkischen Prediger Fethullah Gülen gehört hatten, den Recep Tayyip Erdogan im Jahr 2016 des Versuches eines Staatsstreiches in der Türkei bezichtigte und von allen befreundeten Ländern forderte, die ihm gehörenden Bildungsinstitutionen zu schließen oder unter die Kontrolle der staatlichen Stiftung „Maarif“ zu stellen. Diese Bitte hatte das damalige Oberhaupt der Republik, Almasbek Atambajew, ignoriert, der zum Schaden der Beziehungen mit Ankara anordnete, das Netzwerk der „Sebat“-Lyzeen unter dem neuen Namen „Salat“ aufs Neue zu registrieren. Zu seinem neuen Co-Gründer wurde Kirgisiens Ministerium für Bildung und Wissenschaft.

Eine Schule unter der Ägide der „Maarif“-Stiftung in Kirgisien ist wahrscheinlich ungenügend. Daher hat die kirgisische Seite, wie das Außenministerium der Republik Kirgisien mitteilte, „unter Berücksichtigung der großen Erfahrungen der Türkei das Interesse an der Einrichtung kirgisisch-türkischer Lyzeen für Berufsausbildung in der Republik Kirgisien bekundet“.

Yusuf Tekin äußerte seinerseits die Bereitschaft zur Umsetzung gemeinsamer Projekte auf dem Gebiet des Bildungswesens und betonte, dass die türkische Seite bereit sei, die von der kirgisischen Seite vorgeschlagenen Fragen zu studieren. Entsprechend den Ergebnissen der Begegnung erzielten die Seiten die Vereinbarung über die Durchführung gegenseitiger Besuche der Bildungsminister in Kirgisien und der Türkei in der nächsten Zeit.

„Die Türkei hat in Kirgisien keine Konkurrenten im Bildungsbereich. Ankara hat diesem Prozess besondere Aufmerksamkeit geschenkt“, sagte der „NG“ der Politologe und Direktor des in Bischkek ansässigen Zentrums für Experteninitiativen „Oy Ordo“ (deutsch: „Zentrum für Ideen“), Igor Schestakow. Nach seinen Worten genieße die türkische Ausbildung bei der Bevölkerung große Popularität. Der Experte erinnerte daran, dass die Ausbildung in der türkischen Universität „Manas“ im Unterschied zur Amerikanischen Universität in Zentralasien und der Kirgisisch-russischen slawischen Universität eine kostenlose sei. „Jene sanfte Kraft, die in Kirgisien seitens der Türkei präsent ist, besteht gerade in der Ausbildung. In den türkischen Bildungseinrichtungen Kirgisiens wird die Türkei als Land Nummer 1 im Bildungsbereich popularisiert. Daher wird Ankara ungeachtet der finanziellen Probleme nicht beim Bildungswesen sparen. All dies fügt sich in die Konzeption der turk-sprachigen Integrationsprozesse ein, die sich in Zentralasien einschließlich des persisch-sprachigen Tadschikistans vollziehen. Bis zur Etablierung der regionalen Vereinigung des Großen Turans ist es in Ankara noch weit. Daher arbeitet man im Jugendbereich an der Schaffung einer Turk-Union“, meint Schestakow. Nach seiner Auffassung würden in dieser Richtung auch die Bildungseinrichtungen wirken.

Der Politologe unterstrich, dass die Türkei im Unterschied zu Russland und den USA beginne, mit den jungen Menschen ab dem Kindergarten zu arbeiten. Ankara stehe auch gerade aus der Sicht der Ideologie dem Ausbildungsprozess gegenüber. Russland hätte den Weg einer Unterstützung und Bewahrung der russischen Sprache gewählt und sei bereit, in dieser Richtung zusammenzuarbeiten. Aber ideologisch sehe dies sehr bescheiden aus.

Stanislaw Prittschin, wissenschaftlicher Oberassistent des Zentrums für postsowjetische Studien am Institut für Weltwirtschaft und internationale Beziehungen der Russischen Akademie der Wissenschaften, betont, dass die Türkei, die bereits seit den 90er Jahren ein Ausbildungssystem in Kirgisien im eigenen Interesse entwickelte, dies aufgrund der Probleme mit Gülen verloren hätte und heute gezwungen sei, die Kontakte mit Kirgisien einschließlich des Bildungswesens wiederherzustellen. „Im Ergebnis dessen werden die kirgisisch-türkischen Beziehungen umgestaltet, es ergibt sich ein Bedarf an einer Standardisierung und Kontrolle aller Bildungseinrichtungen, die mit der Türkei verbunden sind. Ankara ist bereit, finanziell zu investieren und seine Bildungsstandards durchzusetzen, wobei der Boden für eine sanfte Kraft geschaffen wird. Und dies macht es recht effektiv“, sagte Prittschin der „NG“. Nach seinen Worten gehe keiner der anderen Akteure so systematisch an die Mittelschulausbildung in Kirgisien wie dies die Türkei tue heran. „In Kirgisien mangelt es an Kapazitäten für eine Entwicklung des eigenen Bildungswesens. Und daher wird eine türkische Ausbildung begrüßt. Dementsprechend gibt es unter den Offiziellen auch eine Gruppe von Lobbyisten, die die Interessen an einer Zusammenarbeit mit der Türkei durchsetzen. Für den russischen Einfluss ist dies nicht die positivste Entwicklung der Situation. Daher wurden in der letzten Zeit die Gespräche über die Eröffnung russischer Schulen und eine Koordinierung der Anstrengungen im Bildungswesen aktiviert. Ungeachtet dessen nutzt die Türkei weiterhin ihre starken Seiten und die kulturelle und historische Nähe für eine Verstärkung ihres Einflusses in der Region aus“, meint Prittschin.

Alexander Kobrinskij, Direktor der Agentur für ethnonationale Strategien, sagte der „NG“, dass dies ein Schritt in Richtung einer Umstellung nicht nur der Mittel-, sondern auch der Berufsschulausbildung auf die Standards des NATO-Landes mit einem ernsthaften Trend zur turk-sprachigen Welt und zu den Ideen der Gestaltung eines Großen Turans sei. Zur gleichen Zeit müsse die Tatsache weiter beachtet werden, dass sich die Türkei an sich unter einem ernsthaften Einfluss von Großbritannien befinde. Der Experte betonte, dass Kirgisien die Erziehung der jungen Menschen zu einem Verneigen vor der angelsächsischen Welt und der Türkei unterstütze und einen Verlust nationaler Bildungskader (Fachleute) und der Fertigkeiten in den Jahren der Unabhängigkeit eingestehe.

Kobrinskij unterstrich, dass Ruslan Kasakbajew als Botschafter die Interessen von Kirgisiens Präsident Sadyr Dschaparow vertrete und dessen Sichtweise und Position zum Ausdruck bringe. „Natürlich bekundete der türkische Minister Yusuf Tekin die Bereitschaft, jegliche gemeinsamen Projekte im Bildungsbereich umzusetzen, wo sich die Türkei von vornherein in einer vorteilhaften Lage befindet. Die jungen Menschen und die Gesellschaft Kirgisiens werden wahrscheinlich nicht darüber informiert sein, dass diese Vorhaben eine Verstärkung der Positionen der angelsächsischen Welt in Zentralasien fördern“, resümierte Kobrinskij.