Aus dem fernen Transbaikalien hat das Echo der hitzigen Diskussion aus Anlass von Plänen, am Haus der Offiziere in Tschita eine Stalinbüste aufzustellen, auch Moskau erreicht. Auf Bitten einer Nachrichtenagentur hat diese Geschichte Erzbischof Sawwa (Tutunow) kommentiert, der heute faktisch zum Verantwortlichen für die Verbindungen der Russischen orthodoxen Kirche mit der Öffentlichkeit patriotischer Ausrichtung geworden ist. Der Moskauer Bischof unterstützte den Metropolit von Tschita und Petrowsk-Sabaikalskij, Dimitrij (Jelisejew), der recht emotional die Initiative der Kommunisten Transbaikaliens kritisiert hatte. In der KPRF hielt man dies für einen „unehrenhaften“ Schritt der regierenden Partei.
Die Kremlpartei „Einiges Russland“ veranstaltete am 16. Oktober eine Rundtischdiskussion aus Anlass der Vorschläge des Transbaikalien-Gebietskomitees der KPRF, eine Stalinbüste aufzustellen. Die Kommunisten hatten gehofft, ihre Absichten bereits im September, zum 80. Jahrestag der Zerschlagung des militaristischen Japans – eines Datums, dessen Bedeutung in der letzten Zeit in Russland erhöht wird – zu realisieren. Das Vorhaben wird jedoch immer noch diskutiert. Bei der erwähnten Rundtischdiskussion erwies sich als einziger, der gegen die Kommunisten aufgetreten, Metropolit Dmitrij, wie Medien in Tschita betonen.
Interessant ist, dass der Bischof als Hauptargument den 20. Parteitag der KPdSU anführte, als die Kommunisten das erste Mal des Stalin-Personenkult verurteilt hatten. Jelisejew bezeichnete die Entscheidungen des Parteitages als eine „historische Gerechtigkeit“. Doch im Moskauer Patriarchat verschont man aber Chruschtschow nicht allzu sehr, der damals den entsprechenden Bericht vorgetragen hatte. In Kirchenkreisen ist die Bewertung der Chruschtschow-Zeiten als eine Epoche der stärksten Verfolgungen der Kirche, die angeblich gar schlimmer als die Stalin-Repressalien gegen den Klerus gewesen sein sollen, recht populär.
„In diesem historischen Dokument war gesagt worden“, betonte Metropolit Dimitrij, dass die Schuld für den Massenterror, für die „Verbrechen der zweiten Hälfte der Periode der 30er-50er Jahre“ „persönlich Stalin trägt“. „Dies ist eine historische Gerechtigkeit“, meint der Bischof von Tschita. „Die Befehle des NKWD über die Durchführung von Massen-Repressalien, ich zitiere: die künstliche Schaffung antisowjetischer Zentren, eine überaus grobe Verletzung der Gesetzlichkeit und die außergerichtlichen Abrechnungen … All dies wurde eben in diesem historischen Dokument fixiert“. „Jetzt möchte ich noch eine Frage stellen, vor allem an die Kommunisten: Bei welcher anderen Beratung von ihnen wurde Stalin rehabilitiert? Auf keiner“, beantworte Jelisejew selbst seine Frage.
Der Metropolit hatte sich offenkundig (gut) vorbereitet: Während seines Auftritts begannen auf sein Kommando hin auf einem Bildschirm Namen von Menschen Transbaikaliens aufzutauchen, die während des Stalin-Terrors ums Leben gekommen waren. Und nachdem sich Jelisejew geäußert hatte, verließ er ganz und gar die Veranstaltung.
Am nächsten Tag unterstützte Erzbischof Sawwa (Tutunow) in einem Kommentar für die staatliche Nachrichtenagentur RIA Novosti den Metropoliten von Tschita. Tutunow erinnerte an die Erschießungen auf dem Butowo-Poligon in Moskau und führte als ein gewichtiges Argument eine Aussage des russischen Präsidenten Wladimir Putin an, wonach man sich stets dieser Tragödie erinnern müsse. Freilich merkte der Erzbischof an: „Keiner bezweifelt die Qualitäten Stalins als Führer unseres Vaterlands in den Kriegsjahren“.
In der letzten Zeit, besonders nach der Ausstrahlung des Films „Die Mumie“ über die Notwendigkeit einer Beerdigung Lenins im Programm des Kirchen-TV-Kanals „Spas“ (deutsch: „Der Erlöser“), hat sich unter den patriotischen Kräften die Konfrontation zwischen den „Weißen“ und den „Roten“ zugespitzt. Viele Hierarchen der Russischen orthodoxen Kirche orientieren sich an den Idealen des monarchistischen Russlands, obgleich Patriarch Kirill mehrfach auf die Abhängigkeit der Kirche vom Staat in der Epoche der Romanow-Dynastie hingewiesen hat. Dabei gibt es im Klerus Anhänger des Standpunktes, dass Stalin 1943 faktisch die Russische orthodoxe Kirche aus Splittern der vorrevolutionären Hierarchie geschaffen hätte.
Die Kommunisten Transbaikaliens sind derweil davon überzeugt, dass der Auftritt von Metropolit Dimitrij durch die regierende Partei für den Kampf gegen die Opposition genutzt worden sei. „„Einiges Russland“ hat kein sehr anständiges politisches Spiel begonnen“, erklärte der 1. Sekretär des Regionalkomitees der KPRF Jurij Gaiduk. Seine Worte führt die offizielle Internetseite des Regionalkomitees an.
„Aber wenn man von der Position des Metropoliten spricht… Er artikuliert oft irgendwelche merkwürdige Gedanken aus diesem Anlass“, sagte Gaiduk. „Und ich staune, warum man ihn einlädt. Dadurch leiden „Einiges Russland“ und in einer gewissen Weise auch noch die Gesetzgebende Versammlung der Verwaltungsregion Transbaikalien, indem sie zu den Veranstaltungen einladen. Schließlich ist bei uns die Kirche getrennt vom Staat. Daher mag sich der Metropolit mit seinen weltlichen Sachen beschäftigen und nicht in das politische Leben einmischen. Er ist ja ein ehemaliges Mitglied der KPdSU, ein früherer Politarbeiter und Militär. Und hier tritt er heutzutage so auf!“.
Bischöfe führen den legalen Kampf gegen den Stalinismus an
04:51 26.10.2025