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Brände und Hochwasser haben den föderalen Etat erreicht


Die gesamten Haushaltsausgaben für die Liquidierung der Folgen der Brände und Hochwasser in Russland werden im Etat wahrscheinlich mehr als einhundert Milliarden Rubel ausmachen. Das lokale Hochwasser in Krymsk (städtische Siedlung im russischen Verwaltungsgebiet Krasnodar – Anmerkung der Redaktion) von vor acht Jahren erforderte über 16 Milliarden damalige Rubel. Jetzt aber sind die Ausmaße der Naturkatastrophen größer. Erheblich höher als im vergangenen Jahr ist auch der Schaden durch die Waldbrände. Vorerst ist es verfrüht, das endgültige Schadensausmaß zu berechnen. Und im Landessüden wurden neue anormale Regenfälle erwartet. Die Behörden versuchen, nicht erst aus dem Stand heraus das System zu reformieren, indem sie vorschlagen, die Hilfszahlungen für die Bürger zu vereinfachen.

Massenhafte Wald- und andere natürliche Brände haben nicht nur Jakutien erfasst. In Baschkirien sind in den vergangenen 24 Stunden fünf neue Brandherde auf einer Fläche von mehr als 50 Hektar festgestellt worden. In einem der Verwaltungskreise der Republik mussten 750 Kinder aus einem Ferienlager evakuiert werden. Die von den Bränden erfasste Fläche ist bisher dort eine relativ geringe – rund 1480 Hektar. In Jakutien aber hat sie über 7 Millionen Hektar überschritten. Laut Angaben von „Avialesokhrana“ (Institution für den Schutz der russischen Wälder, die mit Flugzeugen und Hubschraubern gegen Waldbrände vorgeht – Anmerkung der Redaktion) wurden am Dienstag an 156 Stellen Brände registriert, wobei an 53 Stellen aktiv Löscharbeiten vorgenommen wurde. Insgesamt standen immer noch rund 1,5 Millionen Hektar Waldflächen in Flammen.

Das Diamanten-Förderunternehmen „Alrosa“ werde 200 Millionen Rubel für den Bau von Häusern im niedergebrannten Dorf Bjas-Kju-el bereitstellen, teilte das Oberhaupt der Republik Aisen Nikolajew mit. Insgesamt werde nach seinen Worten der Wiederaufbau der Unterkünfte 250 Millionen Rubel kosten. Unter Berücksichtigung dessen, dass das Feuer in diesem Dorf 32 Häuser vernichtete, ist unschwer auszurechnen, dass im Durchschnitt die Haushalte Hilfe im Umfang von 7,8 Millionen Rubel erhalten werden. Zuvor hatte Nikita Andrejew, der Leiter des Verwaltungskreises Gorny, wo sich das genannte Dorf befindet, mitgeteilt, dass über 170 Bewohner der Ortschaft, deren Häuser durch die Waldbrände in Mitleidenschaft gezogen worden waren, einmalige Beihilfen im Umfang von 30.000 Rubel (umgerechnet etwa 347 Euro) für Gegenstände des täglichen Bedarfs erhalten hätten.

Gemäß dem föderalen Gesetz „Über den Schutz der Bevölkerung und der Territorien vor außerordentlichen Situationen natürlicher und technogener Art“ sind aus dem föderalen Haushalt die Auszahlungen einer einmaligen materiellen Hilfe im Umfang von 10.000 Rubel für jeden Betroffenen und finanzielle Hilfe im Zusammenhang mit dem Verlust von Eigentum des Grundbedarfs unter Berücksichtigung teilweise verlorengegangenen Besitzes im Umfang von 50.000 Rubel für eine Person vorgesehen. Bei vollständig verlorengegangenem Eigentum – 100.000 Rubel für eine Person. Die regionalen Behörden können auch ihre eigenen Hilfszahlungen festlegen.

Hilfszahlungen für beschädigte Unterkünfte erfolgen auch in den Hochwasserregionen. Seit dem 16. August hebt man im Gebiet Primorje, wie die Regionalregierung meldet, im Zusammenhang mit der geringen Waldbrandgefahr das besondere Brandschutzregime auf, doch im Fernen Osten kommt es derzeit zu Hochwasser und Überschwemmungen. Registriert werden sie auf dem Territorium des Amur-Verwaltungsgebietes. Am Montag wurden im Jüdischen Autonomen Bezirk die Hochwasser erwartet, für die Chabarowsker Region wird mit dem 19. bis 21. August gerechnet. Prognostiziert wird, dass bis zu 1200 Wohnhäuser vom Hochwasser betroffen werden. Im Süden des Fernen Ostens haben die Fluten bereits einen Schaden von 15 Milliarden Rubel angerichtet, meldeten russische Nachrichtenagenturen am Dienstag.

In Südrussland leiden die Verwaltungsregion Krasnodar und die Krim unter Überschwemmungen. Aufgrund starker Regenfälle hat man den Ausnahmezustand in Anapa und Noworossijsk sowie in den Kreis Temrjuk und Slawjansk verhängt, aus vier Ferienlagern wurden fast 1000 Kinder und Erwachsene evakuiert. In Anapa, Noworossijsk und im Kreis Temrjuk sind 1400 Häuser geflutet worden, im Bereich der Krimstädte Kertsch und Feodosija – 107. Im Verwaltungsgebiet Rostow – 22 Wohnhäuser, zwei sozial bedeutsame Objekte und vier Verwaltungsgebiete.

Das Ausmaß und der Charakter der Naturkatastrophen tragen in einigen Regionen Russlands einen beispiellosen Charakter, erklärte am Samstag Präsident Wladimir Putin auf einer Beratung zu Fragen der Liquidierung der Folgen der Überschwemmungen und Brände in einer Reihe von Gebieten Russlands. Und am Dienstag beauftragte Putin die Mischustin-Regierung, Veränderungen für Gesetze vorzubereiten, die die Gewährung von Hilfe für von Naturkatastrophen betroffenen Menschen vereinfachen. Überdies müsse darüber nachgedacht werden, die Errichtung von Wohnraum in Bereichen regelmäßiger Naturkataklysmen stärker zu kontrollieren und gar einzuschränken.

Der Gouverneur der Verwaltungsregion Sabaikalje Alexander Oispow berichtete, dass in der Region das Geld für soziale Beihilfen ausgegangen sei. „Unser Reservefonds war leider bereits geleert, da bei uns bereits im März-April Stürme tobten. Wir hatten 140 Millionen Rubel ausgegeben. Jetzt haben wir 227 Millionen Rubel für soziale Beihilfen aufgewandt. Gebraucht werden aber insgesamt 409 Millionen“. Nach seinen Worten kamen in der Region 2700 Häuser zu Schaden. Außerdem bat der Gouverneur, 3300 Haushalten den Verlust der Ernte und des Viehbestands zu kompensieren (es geht dabei um 106 Millionen Rubel). Aisen Nikolajew bat gleichfalls um 1,5 Milliarden Rubel aus dem Reservefonds der Regierung zwecks Kompensierung der Verluste bei der Heuaufbereitung für Pferde und Rinder.

Jurij Trutnjew, Vizepremier und bevollmächtigter Vertreter des Präsidenten im Fernöstlichen föderalen Bezirk, ist der Auffassung, dass die Zahlungen an die Betroffenen der Hochwasser bis zum 1. September abgeschlossen werden sollten, und die Infrastruktur in den Regionen sowie alle sozialen Objekte sollten bis zum 1. August des kommenden Jahres wiederhergestellt werden. Das einzige Problem seien in diesem Fall nach seiner Meinung die Vorauszahlungen. Er berichtete, dass die Regionen derzeit zuerst Auszahlungen vornehmen und dann Geld erhalten würden. Und in solchen Regionen wie das Jüdische Gebiet und die Region Sabaikalje sei dies nicht möglich, was die Auszahlungen verschleppe, meint der bevollmächtigte Vertreter des Präsidenten.

Nach Aussagen des Oberhauptes der Krim Sergej Aksjonow gelte bereits seit dem 17. Juni aufgrund der reichlichen Niederschläge ein regionaler Ausnahmezustand auf dem Territorium der Republik. Seit dieser Zeit wurden 524 private Wohnhäuser, 136 Mehrfamilienhäuser und 74 sozial bedeutsame Objekte von den Fluten betroffen. Als Betroffene wurden 4.000 Menschen anerkannt. 3300 Menschen haben Hilfe beantragt, und 2600 haben sie bereits erhalten. Der Umfang des Schadens sei nach seinen Worten mit den föderalen Machtorgane abgestimmt worden und mache 4,7 Milliarden Rubel aus.

Der Gouverneur der Region Krasnodar Weniamin Kondratjew berichtete, dass Überschwemmungen einmal in drei, vier Jahren in der Region erfolgen würden, und dies in ein und denselben Ortschaften, die sich entweder an Flussmündungen oder in Fluss-Auen befinden. „Es gibt Menschen, die auch nicht dort leben, aber gemeldet sind und den Anschein erwecken, dass sie dort faktisch leben. Und sie kommen (solch eine Situation hat es bei uns auch im Kreis Tuapse gegeben) und bekommen einfach einmal in vier Jahren eine Wiedergutmachung“, sagte er und schlug vor, in diesen Zonen eine obligatorische Versicherung des Eigentums einzuführen.

Neben den Beihilfen für die Bevölkerung hat der Staat auch direkte Verluste aufgrund der niedergebrannten Wälder. Ende Juli machte beispielsweise der direkte Schaden aufgrund der Waldbrände in Jakutien über eine Milliarde Rubel aus, teilte die Regionalverwaltung des russischen Katastrophenschutzministeriums mit. Alljährlich werden in Russland 9.000 bis 35.000 Waldbrände registriert. Im Durchschnitt macht der Schaden durch sie um die 20 Milliarden Rubel im Jahr laut Angaben von Analytikern der russischen Nachrichtenagentur TASS aus.

Greenpeace ist der Auffassung, dass derzeit die Fläche der Waldbrände in Russland mehr als 16 Millionen Hektar ausmache. Mehr als 56 Prozent von ihnen entfallen auf Jakutien. Dort ist man sich sicher, dass man in Russland die Finanzierung für die regionalen Dienste für den Schutz der Wälder mindestens um das 3fache erhöhen, den Schutz der föderalen, besonders geschützten Naturgebiete verstärken und die Zonen um die Hälfte verringern müsse, in denen man heute offiziell nicht die Brände löschen könne. In der Umweltschutzorganisation veranschlagt man die notwendige Finanzierungsmenge für die Forstwirtschaft mit etwa 100 Milliarden Rubel im Jahr. Die staatliche Forstagentur Rosleskhos – mit über 90 Milliarden Rubel. Derzeit erhalten aber alle Regionen insgesamt nur etwas mehr als 30 Milliarden Rubel. Das Naturschutzministerium schätzte den Schaden aufgrund der Waldbrände im Jahr 2019 auf 15 Milliarden Rubel. Für das vergangene Jahr liegen nach wie vor keine offiziellen Zahlen vor.

Der Schaden aufgrund der Waldbrände könne in der Dynamik für viele Jahre praktisch nicht verglichen werden, sagte der „NG“ Alexej Jaroschenko, Leiter der Wald-Abteilung von Greenpeace Russland. „Erstens gibt es keine Daten für die Sowjetzeit. Zweitens hat man erst zu Beginn der 2000er Jahre begonnen, diese Informationen zu sammeln. Außerdem gibt es auch Probleme mit der gegenwärtigen Methodik für die Berechnung des Schadens. Wenn Wald in einer Stadt niederbrannte, wird der Schaden mit Null gleichgesetzt. Wenn zur Brandursache ein Blitzeinschlag wurde, werden minimale Sätze angewandt. Und wenn man einen Schuldigen findet, gelten erhöhte Koeffizienten. Die vor wenigen Tagen vom Naturschutzministerium vorgestellte neue Methodik zur Berechnung des Schadens ist noch schlechter. Sie reflektiert überhaupt nichts. Im Endergebnis ergibt sich bei uns: Je schlechter die Wälder geschützt werden, desto schlechter wird der Schaden berechnet. Und schlecht geschützt werden sie aufgrund dessen, dass das sowjetische Forstschutzsystem zerstört wurde. Die Flächen der Brände nehmen sowohl aus diesem Grunde als auch aufgrund von Naturfaktoren zu. Es wird heißer, die Wälder brennen immer stärker“, sagt der Experte.