Gestern noch war Deutschland das Wunderkind der Weltwirtschaft, gerade auch dank der reißfesten ökonomischen Beziehungen zu China. Wir waren der bevorzugte Partner der neuen Wirtschaftsmacht, derweil die Exportindustrie Amerikas unter die Räder geriet.
Die neue geopolitische Lage wirft ein anderes Licht auf den gleichen Sachverhalt. Plötzlich gilt als verdächtig, was gestern noch bewundert wurde. An der Wall Street heißt es nicht mehr anerkennend, ihr Deutschen seid großartig. Jetzt heißt es, ihr Deutschen seid leichtsinnig weil abhängig. Aus der Erfolgs- wird eine Schadensbilanz, zumindest aus Sicht vieler amerikanischer Investoren. Und in der Tat: Deutschland ist nicht mehr nur der Herrenausstatter der Chinesen, sondern zugleich auch deren Dienstbote. China und Deutschland sind miteinander verwoben, verlötet und verdrahtet; Exporte und Importe befeuern sich gegenseitig. Kurt Tucholsky hat es geahnt: |
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Also wollen wir heute Morgen einen kühlen Blick auf die deutsche Abhängigkeit werfen. Fünf Punkte sind auffällig, die unsere strategischen Möglichkeiten limitieren: |
1. Die deutsche Autoindustrie wäre ohne China, ihren größten Abnehmer, heute nur noch ein Schatten ihrer selbst. Allein für Volkswagen macht der Handel mit China 40 Prozent des Gesamtabsatzes aus. Heute werden in China mehr PKW verkauft als in Europa und den USA zusammen. Bei BMW und Mercedes kommt ein Drittel der Gewinne aus China.
2. Zugleich ist die hiesige Autoindustrie im Bereich der Speicherchips abhängig von so genannten „Seltenen Erden“. Hier besitzt China eine dominante Marktposition, was unter anderem für die Produktion von Hybrid- und Elektromotoren relevant ist. Laut einer aktuellen ifo-Studie sagen 46 Prozent aller Firmen im verarbeitenden Gewerbe, sie seien auf Vorleistungen aus China dringend angewiesen. 3. Der Großteil der Tech-Industrie in Deutschland verlässt sich mittlerweile auf Vor- und Zwischenprodukte „Made in China“. „Deutschland droht perspektivisch, die Fähigkeiten zur Beherrschung wichtiger digitaler Schlüsseltechnologien zu verlieren“, heißt es im gerade veröffentlichten Jahresbericht 2022 der „Expertenkommission Forschung und Innovation”, die 2006 von der Bundesregierung eingerichtet wurde. |
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4. Längst finden die engen Lieferbeziehungen auch auf der Kapitalseite ihre Entsprechung. BASF baut gerade das größte Werk seiner Firmengeschichte in Zhanjiang für rund zehn Milliarden Euro. Damit ist ein Decoupling, wie es in Amerika diskutiert wird, ohne massive und das heißt für die Bilanz relevante Abschreibungen nicht möglich. |
5. China wiederum hat sich in der deutschen Industrie häuslich eingerichtet. Die einstige Ikone der Deutschland AG, Mercedes-Benz, gehört heute zu 20 Prozent zwei chinesischen Anteilseignern. Den Roboterhersteller Kuka aus Augsburg hat Midea, ein chinesischer Produzent von Haushaltsgeräten, komplett übernommen. Die Auflösung dieser Überkreuzverflechtung beider Volkswirtschaften ist de facto nur durch Enteignung möglich. |
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Fazit: Die Firmen in Deutschland und China werden sich durch die Kriegsspiele der Politiker nicht auseinanderdividieren lassen. Die Russland-Sanktionen hat man mitgetragen. Ein ähnliches Vorgehen gegenüber China aber berührt den Kern vom Kern des deutschen Geschäftsmodells. Die Äußerungen von Herbert Diess auf der VW-Hauptversammlung darf die politische Klasse als höfliche Form der Kampfansage verstehen: |
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