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Damaskus hat Moskau vorgeschlagen, Rechnungen zu begleichen


Syriens neue Führung hat bei den jüngsten hochrangigen Kontakten mit Moskau Bedingungen für eine „Wiederherstellung der Beziehungen“ umrissen. Dies erfolgte im Verlauf eines Damaskus-Besuchs einer russischen Delegation aus Vertretern mehrerer Institutionen, der zum ersten direkten Kontakt auf hoher Ebene nach dem rasanten Fall der Regierung von Baschar al-Assad wurde. Die „Übergangsverwaltung“ verwies die Gäste aus der Russischen Föderation auf die Notwendigkeit „konkreter Maßnahmen, solcher wie eine Wiedergutmachung und Hilfe beim Wiederaufbau“. Wie arabische Medien berichteten, hätten die neuen Herrscher des Landes separat um eine Ausweisung von al-Assad und eine Konfiszierung seiner Vermögen, deren Wert auf zwei Milliarden Dollar geschätzt wird, gebeten. Der Kreml bewertete positiv die Ergebnisse des Damaskus-Besuchs der vom russischen Vizeaußenminister Michail Bogdanow geleiteten Delegation. „Dies ist eine wichtige Reise, dies sind wichtige Kontakte, denn man muss einen ständigen Dialog mit den syrischen Offiziellen gestalten und aufrechterhalten, womit wir uns befassten und weiter befassen werden“, erklärte der Pressesekretär des russischen Präsidenten, Dmitrij Peskow, bei einem Briefing. Die russischen Vertreter hatten Syrien am 28. Januar besucht. Dies war der erste persönliche Kontakt mit der „Übergangsverwaltung“, die Ahmed al-Scharaa – der Ex-Chef der der Türkei nahestehenden radikalen Gruppierung „Haiʾat Tahrir asch-Scham“ (in Russland als eine terroristische und verbotene eingestuft) – leitet. Bei der Begegnung mit ihm bekundeten die offiziellen Vertreter der Russischen Föderation besonderen Dank dafür, dass russische Bürger und Objekte bei der raschen Offensive der islamistischen Gruppierungen, die am 27. November begonnen hatte, nicht zu Schaden gekommen waren, und bekundeten die Hoffnung auf eine Bewahrung „solch einer Linie“. Moskau interessierte vor allem das Schicksal des russischen Punktes zur materiell-technischen Sicherstellung in Tartus und des Luftwaffenstützpunktes in Khmeimim. Nach dem Ende der Assad-Regierung hatten sich die Spekulationen verstärkt, dass die russische Seite den Zugang zur Küste verlieren könne. Die Sache ist die, dass die am 8. Dezember in Damaskus an die Macht gekommenen Gruppierungen Russland traditionsgemäß als einen der Garanten für das Überleben von Assad angesehen hatten. Und dies ungeachtet dessen, dass der Kreml erklärte: Seine Mission in Syrien beschränke sich auf die Bekämpfung des globalen Terrorismus. Allerdings ist es bisher nicht gelangen, den künftigen Status der Stützpunkte in Tartus und Khmeimim zu klären, was in westlichen Medien als ein Misserfolg Moskaus angesehen wird. Die Verhandlungen würden aber fortgesetzt werden, ist zu den Ergebnissen des Besuchs der russischen Vertreter erklärt worden. Wenn man den Mitteilungen der syrischen Seite Glauben schenkt, habe Russland bei den Verhandlungen (die lt. Presseberichten rund drei Stunden andauerten – Anmerkung der Redaktion) „seine Unterstützung für die positiven Veränderungen“ in der Republik bekräftigt. Am interessantesten sieht aber in dem Kommuniqué von Damaskus der Aspekt aus, dass „bei den Gesprächen die Rolle Russlands bei der Wiederherstellung der Beziehungen mit dem syrischen Volk durch konkrete Maßnahmen, solche wie eine Wiedergutmachung und Hilfe beim Wiederaufbau erörtert wurde“. Dies verursachte Gerüchte, wonach man von Moskau im Verlauf der Konsultationen finanzielle Hilfe im Gegenzug für eine Bewahrung der Arbeitsbeziehungen gefordert habe. Teilweise deckt sich dies mit den früher veröffentlichten Plänen der Administration von al-Scharaa in Bezug auf den Iran, einem der Hauptverbündeten von Assad. Wie die libanesische Internetseite Al Modon unter Berufung auf ihre Quellen berichtete, habe die syrische Administration eine Klage gegen Teheran mit der Forderung, dem Land Reparationen im Umfang von 300 Milliarden Dollar zu zahlen, vorbereitet. Vertreter der „Übergangsregierung“ bezeichneten in einem Gespräch mit dem Internetportal diese Geldsummen als eine notwendige Wiedergutmachung für jenen Schaden, der dem Staat durch die iranische Militärhilfe zugefügt worden sei. Im Verlauf des Gesprächs mit der russischen Delegation bekräftigte al-Scharaa „ein Festhalten an ein prinzipielles Zusammenwirken mit allen interessierten Seiten“, zur gleichen Zeit unterstrich er: Der Prozess der Wiederherstellung der bilateralen Beziehungen zwischen Russland und Syrien müsse „die früheren Fehler berücksichtigen, den Willen des syrischen Volkes achten und dessen Interessen dienen“. In der Erklärung der syrischen Offiziellen löst auch der Punkt Aufmerksamkeit aus, der den „Mechanismus der Rechtsprechung der Übergangszeit“ betrifft, um „Gerechtigkeit für die Opfer des brutalen Krieges“ zu erreichen. Eine Reihe von Medien meldeten unter Berufung auf syrische Beamte, dass es sich um die Absicht der Offiziellen des Landes handele, Assad habhaft zu werden, der im Dezember vergangenen Jahres nach Moskau floh. „Die Auslieferung von Assad und aller Spitzenoffiziere, die nach Russland geflohen sind, war ein Hauptpunkt (der Verhandlungen mit der russischen Delegation – „NG“)“, erklärte ein hochrangiger Vertreter von Damaskus gegenüber der in Vereinigten Arabischen Emiraten erscheinenden Zeitung „The National“. Nach seinen Worten hätte die syrische Führung zur gleichen Zeit eine Rückführung der finanziellen Vermögen im Umfang von rund zwei Milliarden Dollar in die Republik, die die Assad-Familie in russischen Banken angelegt habe, verlangt. Gesprächspartner des Blattes „The National“ unterstreichen, dass das Gespräch mit der russischen Delegation ein angespanntes gewesen sei: Al-Scharaa habe offen Moskau die Folgen der langjährigen bewaffneten Krise vorgehalten. Allerdings habe der tatsächliche Staatschef Syriens vorerst entschieden, den Status Quo der beiden russischen Militärobjekte in den Küstenprovinzen nicht zu verletzen. Quellen der Zeitung „The National“ im westlichen Diplomatenkorps behaupten ihrerseits, dass sich die gegenwärtige Führung Syriens „in der Phase einer Konsolidierung der Macht befindet“ und gern die Staaten, die einst Assad geholfen hatten, unter anderem Russland, „auf Distanz halten“ möchten. In einem Gespräch mit der „NG“ legte der Programmdirektor des Russischen Rates für internationale Angelegenheiten, Iwan Botscharow, die Erklärung der syrischen Seite nicht nur als eine Einladung zu einem Deal aus. „Die Agenda der russisch-syrischen Beziehungen geht über den Rahmen von Verhandlungen über die Zukunft der Militärstützpunkte in Syrien hinaus“, erinnerte der Experte. „Die syrische Seite gibt zu verstehen, dass es für eine Entwicklung der bilateralen Beziehungen nötig sei, wie die neuen Herrschenden erklären, „die Fehler der Vergangenheit zu berücksichtigen“. Ich denke, dass die Worte von einer Wiedergutmachung und Unterstützung beim Wiederaufbau in diesem Fall als eine gewisse Vorbedingungen interpretiert werden können“. Der „NG“-Gesprächspartner schließt nicht aus, dass Russland diesem Vorschlag wahrscheinlich zustimmen könne. „Für das Erreichen seiner Ziele in der syrischen Richtung habe Moskau bereits bestimmte Unkosten auf sich genommen, indem es den zentralen Behörden Unterstützung gewährte“, betonte Botscharow. „Und ergo ist es durchaus möglich, dass es erneut bereit sein wird, Syrien Unterstützung zu leisten – mit allen Vorbehalten, dass es um ein Zusammenwirken mit völlig unterschiedlichen Regimes, in einem anderen politischen Kontext gehe. Und die Zusammenarbeit kann mit einem anderen Inhalt ausgefüllt werden“. Nach Aussagen des Experten seien die Konturen der möglichen Unterstützung schon jetzt zu sehen. „Es kann angenommen werden, dass man in Damaskus mit Hilfe Moskaus bei der Gewährleistung der Lebensmittel- und Energiesicherheit, mit einer Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Gesundheitswesens und möglicherweise beim Wiederaufbau der zivilen Infrastruktur rechnet. Obgleich auch beim Zusammenwirken mit den vorangegangenen syrischen Offiziellen hier bestimmte Schwierigkeiten unter Berücksichtigung der eingeschränkten Ressourcen aufgetreten waren“, betonte der Gesprächspartner gegenüber der „NG“. „Außerdem ist in der Erklärung der syrischen Seite von einer „Achtung der Souveränität“ Syriens die Rede“, wies Botscharow hin. „Es ist durchaus möglich, dass die neuen Herrscher nicht nur mit einer wirtschaftlichen, sondern auch politischen Unterstützung Moskaus rechnen. Ungeachtet des Falls des Assad-Regimes bleibt Russland dennoch ein wichtiger Akteur im Nahen Osten, der mit verschiedenen Akteuren zusammenwirkt, die mitunter offen in einem Konflikt stehen, es besitzt ein Vetorecht im UNO-Sicherheitsrat und besitzt eine Reihe anderer wichtiger Vorzüge. Ich denke, dass dies nicht der letzte Grund dafür ist, dass man in Syrien wenn nicht mit einem freundschaftlichen, so zumindest mit einem neutralen und konstruktiven Charakter der bilateralen Beziehungen mit Russland rechnet“.