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Das Ende der Nasarbajew-Ära


Kasachstans Präsident Kassym-Schomart Tokajew ist am 5. Januar mit einer Rede an das Volk aufgetreten, in der mitteilte, dass er das Amt des Vorsitzenden des Sicherheitsrates von Kasachstan übernommen habe, das ein (Macht-) Hebel des ersten Präsidenten Nursultan Nasarbajew gewesen war. Nasarbajew selbst hat dieses Amt aufgegeben. In der Ansprache versprach Tokajew, mit den Verschwörern abzurechnen sowie die politischen und Wirtschaftsreformen fortzusetzen. Jedoch ist es bisher nicht gelungen, die Situation vollkommen unter Kontrolle zu bringen.

Präsident Tokajew teilte mit, dass er sich in der Hauptstadt (Nur-Sultan) befinden und nicht vorhabe, sie zu verlassen. „Als Präsident bin ich verpflichtet, die Sicherheit und die Ruhe unserer Bürger zu verteidigen und mich um die Integrität Kasachstans zu sorgen. Die von mir ergriffenen Maßnahmen zielen auf das Wohlergehen des multinationalen Kasachstans ab. Diese Maßnahmen sind aber bisher unzureichend. Aufmerksamkeit löst die große Organisiertheit der Rowdy-Elemente aus. Dies zeugt von einem sorgfältig durchdachten Aktionsplan der Verschwörer, die finanziell motiviert worden sind. Gerade die Verschwörer“, erklärte das Staatsoberhaupt. Er präzisierte nicht, wer diese Verschwörer seien und worin deren Ziele bestehen würden. Er versprach jedoch, auf maximal harte Weise zu handeln.

„Dies ist eine Frage der Sicherheit unserer Bürger, die sich mit zahlreichen Bitten an mich wenden, um ihr Leben und das Leben der Nächsten zu schützen. Dies ist eine Frage der Sicherheit unseres Staates. Ich bin mir gewiss: Das Volk wird mich unterstützen“, unterstrich Tokajew.

Das Amt des Vorsitzenden des Sicherheitsrates von Kasachstan ist jedoch für Nasarbajew auf Lebenszeit gleich durch zwei Gesetze vorgesehen worden – durch die Gesetze „Über den ersten Präsidenten der Republik Kasachstan“ und „Über den Sicherheitsrat der Republik Kasachstan“. Wie man in Nur-Sultan dieses juristischen Kasus gelöst hat, ist bisher unklar. Es ist nicht ausgeschlossen, dass man sich gütlich und im Einvernehmen geeinigt hat. Tokajew ist es in den drei Jahren, in denen er an der Macht ist, gelungen, den Einfluss der Tochter des ersten Präsidenten, Dariga Nasarbajewa, abzuschwächen, seine eigenen Vollmachten zu erweitern, den Einfluss der Nasarbajew-Partei „Nur Otan“ zu verringern und schließlich sich vom Premierminister Askar Mamin zu entledigen. Heute nimmt Tokajew das Innenministerium und die Armee unter seine Kontrolle.

In Almaty, Aktobe und Aktau dauern die Unruhen an. Unterbrochen wurde die Arbeit der Fernsehkanäle NTK, Erster und „Eurasien“. Abgeschaltet wurden Messenger-Dienste und die sozialen Netzwerke. In Brand gesetzt wurden mehrere Verwaltungsgebäude, geplündert eine Reihe von Geschäften, unterbrochen wurde die Arbeit des Flughafens von Aktau. In Taldy-Kurgan hat man ein Nursultan-Nasarbajew-Denkmal abgerissen. Elbasy (der Führer der Nation) selbst sei bereit, Kasachstan für eine Heilbehandlung zu verlassen, teilte eine Quelle des russischen Hörfunksenders „Echo Moskaus“ im Außenministerium Russlands mit. Laut anderen Quellen habe Nasarbajew mit der nächsten Umgebung Kasachstan bereits verlassen. „Die Elite versucht, sich durch eine Flucht zu retten. Den Angaben des Internetportals Flightradar nach zu urteilen, sind aus Kasachstan rund zehn Business-Jets in die Schweiz und in andere Länder Europas abgeflogen“, teilte der TG-Kanal mit.

„Es ist offensichtlich, dass die Ereignisse keinerlei „friedlicher Protest“ sind, keiner tritt mit demokratischen oder sozialen Losungen auf“, behauptete der Politologe Danijar Aschimbajew auf seiner Facebook-Seite. Die Unruhen seien nach seiner Meinung synchron in mehreren Regionen des Landes organisiert worden. „Es ist bereits an der Zeit, die Protestierenden als die zu bezeichnen, die sie sind – Guerillas und Sturmkämpfer. Ich zweifele stark an, dass dies hier etwas mit DWK (Partei „Demokratische Wahl Kasachstans“, die in Kasachstan verboten ist – „NG“) oder Strukturen rund um Soros zu hat, wie einige Medien annehmen“, betonte Aschimbajew.

Nach seinen Worten seien eine präventive Vorbereitung, eine Planung und eine Synchronisierung klar zu sehen. Es würden eine Besetzung und Verwüstung von Verwaltungsgebäuden mit einem damit einhergehenden Brandschatzen, einem Einschüchtern der Bevölkerung, der Zerstörung sozialer Objekte sowie mit Angriffen auf Journalisten, die Gesichter von Sturmkämpfern „für die Geschichte“ festhalten können, erfolgen. Die Menschenmenge bewaffne sich schnell, wobei sie von Schlagstücken zu automatischen Waffen übergehe. Die Offiziellen seien allem nach zu urteilen gelähmt und würden nicht wissen, was zu tun sei. Laut bisherigen Beobachtungen setzen die Vertreter der Rechtsschutzorgane in Almaty nur Schlagstücke sowie Blendgranaten ein. Sanktionen für einen Einsatz von Wasserwerfern sind scheinbar nicht erteilt worden. Ausgerufen wurde ein Ausnahmezustand für das Verwaltungsgebiet Almaty und die Hauptstadt Nur-Sultan. „Die Menschenmenge hat weder Anführer noch Losungen“, schreibt Aschimbajew. „Es gibt keinen, mit dem man Verhandlungen führen kann, zu denen die Bevölkerung gelegentlich aufruft. Die Menschenmenge hat aber Organisatoren. Es gibt ein offenkundiges Führungszentrum. Was für Ziele verfolgt es? Dies ist eine sehr interessante Frage. Es ist klar, dass sie zum gegenwärtigen Zeitpunkt die Macht im Land nicht ergreifen können. Selbst wenn die Offiziellen des Landes sich doch nicht entscheiden, härteren Widerstand zu leisten, können die Nachbarn eingreifen. Dies muss man auch berücksichtigen. Wahrscheinlich ist das Ziel die Einnahme einer maximalen Anzahl von Standorten und Brückenköpfen, in erster Linie im Zentrum der Großstädte für eine weitere Aufteilung der Einflusssphären“, meinte Aschimbajew am Mittwoch.