Eine Präsentation zwei neuer Geschichtslehrbücher für Oberschüler – „Geschichte Russlands“ und „Allgemeine Geschichte“ für die 10. und 11. Klassen – hat in Moskau stattgefunden. Alle russischen Schulen, darunter im Donbass und den Verwaltungsgebieten Saporoschje und Cherson (die von Russland nach wie vor nicht vollkommen kontrolliert werden – Anmerkung der Redaktion), werden bzw. sollen sie bis zum 1. September erhalten. Die Lehrbücher für die Oberschüler würden den Status eines einheitlichen staatlichen Geschichtslehrbuchs tragen, erklärte der zuständige Berater des Präsidenten der Russischen Föderation, Wladimir Medinskij. „Im Großen und Ganzen ist dies das erste derartige Lehrbuch nach dem Zerfall der UdSSR“, präzisierte er.
Den Auftrag, ein einheitliches Geschichtslehrbuch zu verfassen, hatte der russische Präsident Wladimir Putin bereits im Jahr 2913 erteilt. Den Auftrag vermochte man damals nicht zu erfüllen: Es störten die Diskussionen innerhalb der Berufscommunity. Im Januar 2014 erteilte Putin einen erneuten Auftrag an das Institut für Geschichte der Russischen Akademie der Wissenschaften und an die Russische historische Gesellschaft, einheitliche Geschichtslehrbücher zu verfassen. Und erneut – eine lange Pause. Damals hatten die Abgeordneten der Staatsduma der Russischen Föderation die Arbeiten der Historiker nicht abgewartet und einen Zusatz zum föderalen staatlichen Standard – den sogenannten Geschichts- und Kultur-Standard gebilligt. Und ihm entsprechend begann man auch, neue Lehrbücher zu schreiben.
Durch was hatten die bisherigen nicht gepasst? Die früheren waren – jetzt spricht man bereits offen darüber – mit einer unentgeltlichen finanziellen Unterstützung des US-amerikanischen Milliardärs George Soros verfasst worden. Und folglich hätten sie einen fremden ideologischen Auftrag erfüllt. Sie strotzten nach Meinung eines Teils von Historikern vor Fehlern, Verzerrungen in der Darstellung historischer Ereignisse aufgrund eines „westlichen Zentrismus“, vor Erfindungen und Deutungen sowie durch einen ungehobelten Stil der Darlegung. Und das Wichtigste, Russlands Geschichte sei in ihnen als eine Abfolge von Misserfolgen und fatalen Fehlern dargestellt worden. Die Bedeutsamkeit von Errungenschaften Russlands seien aber nivelliert worden.
Die Pädagogen waren im Übrigen ebenfalls verwirrt. Das Kind soll ein klares Weltbild in seinem Kopf haben. Hier aber hatte sich das ganze Gegenteil ergeben. „Man hatte das Kind mit Fakten und Theorien überschüttet, mag es sich doch selbst zurechtfinden“, beklagten sich Lehrer. „In diesen Lehrbüchern wird vorsätzlich der geschlossene Zyklus der Geschichte zerstört, die sich in der Zivilisationsgeschichte auflöst“, betonte zu seinen Lebzeiten Professor Viktor Kargalow, ein Historiker und Schriftsteller. Im Großen und Ganzen hatte man die Geschichtslehrbücher bei Versammlungen auf unterschiedlichen Macht- und Behördenebenen recht oft kritisiert.
Was das neue Geschichtslehrbuch mit einem Kapitel über die militärische Sonderoperation für die oberen Klassen darstellt (es ist in das föderale Lehrbücher-Verzeichnis aufgenommen worden), informierte am 2. August der russische Bildungsminister Sergej Krawzow bei einem Treffen von Russlands Präsident Wladimir Putin mit Regierungsmitgliedern. Das Lehrbuch hätte man nach Worten des Ministers „innerhalb kürzester Frist, faktisch im Verlauf von fünf Monaten“ vorbereitet. Mit der ersten Auflage befasste sich der Verlag „Aufklärung“. Der Preis eines Exemplars (ca. 850 Rubel, was etwas weniger als 8 Euro sind – Anmerkung der Redaktion) liege um 20 Prozent unterhalb des Preises für das frühere entsprechende Lehrbuch.
In dem neuen Lehrbuch der Autoren Wladimir Medinskij und Anatolij Torkunow (Rektor der Moskauer Diplomatenhochschule MGIMO beim russischen Außenministerium – Anmerkung der Redaktion) ist das Kapitel, das den 1970er, 1980er, 1990er und den ersten zehn Jahren des 21. Jahrhunderts gewidmet ist, vollkommen überarbeitet und umgeschrieben worden. Und es wurde gleichfalls ein Kapitel über den heutigen Tag inklusive der militärischen Sonderoperation Russlands in der Ukraine hinzugefügt. Dabei ist der Abschnitt zur Weltgeschichte kürzer ausgefallen. Sergej Krawzow erklärte gleichfalls, dass nach dem offiziellen Ende der Militäroperation in der Ukraine (die bereits den 533. Tag andauert – Anmerkung der Redaktion) die Lehrbücher ergänzt werden würden.
Screenshots von Seiten der Lehrbücher kursieren bereits in den sozialen Netzwerken. Daher kann man sie zitieren. Was wird in ihnen hervorgehoben? Was für eine Linie verfolgen sie? „Zu einer fixen Idee des Westens wurde eine Destabilisierung der Lage in Russland. Zuerst entlang seiner Grenzen. Zu diesem Zweck wurde in früheren Republiken der UdSSR eine offenkundige Russophobie gesponsort. Weiter laut Plan: Das Hineinziehen Russlands in eine Reihe von Konflikten und bu8nten Revolutionen, ein Aus-dem-Gleichgewicht-bringen seiner Wirtschaft und eine Auswechselung der Macht gegen eine kontrollierte. Das Endziel wird nicht besonders verheimlicht. Dies ist eine Zerstückelung Russlands und eine Kontrolle über dessen Ressourcen“, schreiben die Lehrbuchautoren in einem flotten Stil. Für die Rolle des „Hautrammbocks“ gegen Russland hätten die USA und die NATO begonnen, die Ukraine vorzubereiten. Sie bezeichnet man in dem Lehrbuch als einen „ultraterroristischen Staat“.
„Heute wird in der Ukraine ein jegliches Andersdenken hart verfolgt, die Opposition ist verboten worden. Und alles Russische ist als feindseliges erklärt worden“, werden die Schüler demnächst nachlesen können, wobei der Eindruck entsteht, dass man konkrete Beweise gar nicht erst anführen will. Als Ziel der Militäroperation in der Ukraine sind „der Schutz des Donbass und eine vorbeugende Gewährleistung der Sicherheit Russlands“ genannt worden. Gleichfalls wurde erklärt, dass „der Westen das ukrainische Regime mit Geld und Waffen überschüttete“, und gegen Russland habe er widerrechtliche Sanktionen verhängt. Die Motive des Westens dabei sind im Lehrbuch kein Thema. Den Donbass bezeichnen die Autoren in der Zwischenüberschrift „Russland – ein Land der Helden“ als eine Region, „die neun Jahre lang von Blut übergossen wird“. „Die Einwohner des Donbass bezeichnete man dafür als „Terroristen“, dass sie Russen bleiben wollten“, erzählt das Lehrbuch.
Und noch ein Zitat: „Die militärische Sonderoperation hat unsere Gesellschaft, Menschen unterschiedlichen Alters und Berufe zusammengeschlossen. Die Unterstützung der Menschen kam in der Sammlung von Geschenken für Militärangehörige, von humanitärer Hilfe für die Bewohner der neuen Regionen sowie in einem wahren Kult von Stolz auf die Kämpfer der militärischen Sonderoperation zum Ausdruck. Dabei stehe den russischen Militärs, erinnert das Lehrbuch die Schüler, die „ideologisch aufgeputschte, mit Waffen der NATO ausgerüstete und nach deren Standards ausgebildete Armee der ukrainischen Streitkräfte gegenüber, die durch Söldner und Ausbilder aufgefüllt wird“.
Und so ist da die Taktik der Militärs der Ukraine beschrieben worden: „Die Armee der ukrainischen Streitkräfte hat Gefechtspositionen in Wohnvierteln eingerichtet und erlaubte den einheimischen Bewohner nicht, sie zu verlassen“, wobei „die eigenen Bürger als ein „lebendes Schutzschild““ verwendet werden. Diese Strategie bezeichnet man im Lehrbuch als eine „grausame“ und betont, dass sie früher nicht eine einzige Armee der Welt auf dem eigenen Territorium eingesetzt hätte.
Die nach Beginn der Kampfhandlungen verhängten Sanktionen gegen Russland sind als „absolut widerrechtliche“ und „vom Maßstab her beispiellose“ bezeichnet worden. „Es geht seitens des Westens um eine Wirtschaftsblockade unseres Landes in Verbindung mit einem direkten Raub russischer Vermögen“, heißt es im letzten Kapitel des Geschichtslehrbuchs. Die USA bezeichnet man als „Hauptbenefiziar des Ukraine-Konflikts“. „Die Versuche, unser Land zu isolieren, sind gescheitert. Die regelmäßigen Treffen von Russlands Präsident mit Spitzenvertretern der Länder Asiens, Lateinamerikas und Afrikas haben gezeigt, dass der Großteil des Planeten mit Verständnis und Sympathien dem Kurs gegenübersteht, der gegen eine einpolige Welt und ihrer „Lebensregeln“ gerichtet ist“, heißt es in dem Schulbuch.
Aufgenommen wurden gleichfalls Abschnitte über Fake-Informationen. Man appelliert an die Schüler, „wachsame zu sein“ und „darüber nachzudenken, warum, wozu und weshalb die einen oder anderen Oppositionellen „Nachrichten abarbeiten““. Es gibt gleichfalls Erklärungen für die neuen Termine in der Bevölkerungslexik. Zum Beispiel wird erläutert, wer solch ein ausländischer Agent sei.
Außerdem seien in dem neuen Lehrbuch, das der Weltgeschichte gewidmet ist, die Abschnitte wesentlich erweitert worden, die Asien, Afrika und Lateinamerika gewidmet sind, erklärte man bei der Präsentation. Ihnen sei jetzt fast ein Drittel des Inhalts gewidmet worden. Überdies seien die Blöcke erweitert worden, die der Rolle Russlands in den globalen internationalen Ereignissen gewidmet sind. Das Kapitel über den Zweiten Weltkrieg ist aktualisiert worden, unterstrichen wurde die Rolle des Großen Vaterländischen Krieges am Gesamtausgang.