Der Rat für nationale Sicherheit und Verteidigung der Ukraine hat die Regierung beauftragt, einen Gesetzentwurf über das Prozedere zur Feststellung von Personen mit einer Doppelstaatsbürgerschaft vorzubereiten. Die Werchowna Rada (das Parlament der Ukraine – Anmerkung der Redaktion) muss einen entsprechenden Gesetzentwurf verabschieden, damit wir die Möglichkeit haben, alle Bürger der Ukraine zu verifizieren“, sagte Alexej Danilow, Sekretär des Rates. Die Abstimmung dazu ist bereits für den Mai geplant.
Zur Ursache, weshalb sich der Rat für nationale Sicherheit und Verteidigung Sorgen um die Frage nach doppelten Staatsbürgerschaften machte, wurde nach Aussagen von Danilow die Situation, die sich zu Zeiten der Präsidentschaft von Viktor Janukowitsch ergeben hatte, „als der Chef des Sicherheitsdienstes der Ukraine, der Innen- und der Verteidigungsminister sowie der Generalstabschef Staatsbürger der Russischen Föderation gewesen waren“. Ende Februar verkündete die Ukraine Sanktionen gegen die Personen, die bis zum Jahr 2014 die aufgezählten Positionen eingenommen hatten. „Wir können dies künftig nicht zulassen. Daher haben wir heute beschlossen: Innerhalb von zwei Monaten hat das Ministerkabinett einen Gesetzentwurf vorzuschlagen, der uns erlauben wird, genau die Menschen zu begreifen, die eine Doppelstaatsbürgerschaft haben“, sagte Danilow zu den Ergebnissen der Sitzung des Rates für nationale Sicherheit und Verteidigung.
Bisher ist völlig unklar, wie gerade die Überprüfung des Vorhandenseins einer doppelten Staatsbürgerschaft erfolgen wird. In Kiew teilt man mit, dass sich mit der Verifizierung ein spezieller Dienst befassen werde. Welcher genau und mit welchen Vollmachten – dies soll in dem Gesetzentwurf ausgewiesen werden, den die Regierung auszuarbeiten hat. Es können Schwierigkeiten auftreten, da es der Ukraine schon viele Jahre nicht einmal gelingt, eine Bevölkerungszählung durchzuführen. Die Ermittlung von Bürgern mit einer Doppelstaatsbürgerschaft ist hinsichtlich des Umfangs eine ähnliche, aber schwierigere Prozedur.
Wahrscheinlich beabsichtigt man, mit den Beamten aller Ebenen zu beginnen. Alexej Danilow sagte Journalisten: „Wir werden über alle Bürger der Ukraine die Informationen haben, besitzen sie eine doppelte oder eine mehrfache Staatsbürgerschaft. Was die heutigen Abgeordneten oder jene, die andere Ämter bekleiden, angeht, so würde ich jetzt allen empfehlen, die so etwas haben, sich von der anderen Staatsbürgerschaft zu trennen, um sich keinen Unannehmlichkeiten auszusetzen“.
Die ukrainische Verfassung sieht für die Bürger der Ukraine nur eine Staatsbürgerschaft vor. In einer Reihe von Gesetzen sind Verbote sowohl für eine doppelte Staatsbürgerschaft als auch für das Arbeiten von Personen mit einer nichtukrainischen Staatsbürgerschaft in den Machtorganen aller Ebenen verankert worden. Diese Norm würden jedoch, wie einer der Führer der Partei „Oppositionsplattform – Für das Leben“, Wadim Rabinowitsch behauptet, nicht nur einfache Bürger verletzten, sondern auch Vertreter der Machtorgane. „Ich persönlich hindere keinen daran, fünf, sechs Pässe zu haben. Besitzen Sie so viele, wie sie wollen, wenn Sie ein Geschäftsmann oder sonst noch wer sind… Ja, aber die Menschen, die eine andere Staatsbürgerschaft haben, haben nicht das Recht, an der Lösung von Schlüsselfragen des Staates teilzunehmen… Wenn ein Mensch einen Pass eines anderen Landes hat, darf er sich nicht in den Staatsorganen der Ukraine aus dem einen einfachen Grund befinden: Wenn Du in irgendeinem der Länder materielle Interessen oder Immobilien hast (wie dies bei vielen unserer Macht Besitzenden der Fall ist), so wirst Du Dich stärker für jenes Land engagieren, wo Dein Geld ist, wo Deine Immobilien sind und wo Dein Pass ist“, hatte Rabinowitsch früher in einer Sendung des nunmehr geschlossenen TV-Kanals „112 Ukraine“ gesagt.
Vertreter der Oppositionsfraktion hatten früher verlangt, alle Ausländer zu entlassen, die noch in der Zeit der Präsidentschaft von Petro Poroschenko begonnen hatten, in leitenden Funktionen in der Ukraine zu arbeiten. Das Team von Wladimir Selenskij sie eine Bedrohung von einer anderen Seite. Der Sekretär des Rates für nationale Sicherheit und Verteidigung bezeichnete das Vorhandensein einer russischen Staatsbürgerschaft bei Bürgern der Ukraine als eine Bedrohung und Herausforderung. Im vergangenen Herbst hatte der stellvertretende Generalstaatsanwalt Gjundus Mamedow in einem Interview für das Wochenmagazin „Spiegel der Woche“ betont, dass man in Kiew von den russischen Pässen wisse, die auf der Krim und im nicht von Kiew kontrollierten Teil des Donbass ausgegeben wurden. Es sei betont, dass zu Beginn dieses Jahres das Innenministerium der Russischen Föderation meldete, dass 409.500 Ukrainern die russische Staatsbürgerschaft gewährt worden sei. Die ukrainischen Offiziellen halten nach Aussagen von Mamedow solch eine Pass-Ausstellung für eine „gewaltsamen und aufgezwungene“. „Die Verantwortung werden nicht jene tragen, die sie erhalten, sondern jene, die zwingen, diese Pässe zu erhalten“, sagte der stellvertretende Generalstaatsanwalt.
Allerdings wird im ukrainischen Parlament immer noch die Frage nach der Möglichkeit einer zwangsweisen Umsiedlung (Internierung) von Personen mit russischen Pässen diskutiert. Dies wird möglich, wenn die Abgeordneten den Gesetzentwurf „Über die Vornahme von Änderungen an einigen Gesetzen der Ukraine hinsichtlich einer Neubehandlung von Fragen, die mit Kriegsgefangenen und internierten Personen in der Sonderperiode zusammenhängen“ unterstützen. Darin wird die Möglichkeit einer Umsiedlung zugelassen, „wenn dies für eine Gewährleistung der nationalen Sicherheit der Ukraine absolut notwendig ist“. Und es geht nicht nur um „Bürger des Staates, der mit einem Überfall droht oder eine Aggression gegen die Ukraine verübt“. Überhaupt haben die ukrainischen Offiziellen bisher die Möglichkeit einer Anerkennung des Rechts ihrer Bürger auf eine russische Staatsbürgerschaft ausgeschlossen. Mit anderen Ländern ist eine Doppelstaatsbürgerschaft nicht ausgeschlossen. Doch für unser Land gibt es bestimmte Herausforderungen“, erläuterte der Sekretär des Rates für nationale Sicherheit und Verteidigung Alexej Danilow.
Diese Frage zu regeln, hatten zu Jahresbeginn Abgeordnete der regierenden Partei „Diener des Volkes“ vorgeschlagen, die ihre entsprechende Gesetzesnovelle registrierten. Sie haben vorgeschlagen, ein System zur Deklarierung des Bestehens oder Nichtvorhandenseins einer zweiten oder mehrerer Staatsbürgerschaften durch die Ukrainer einzuführen. Dazu ist es erforderlich, ein spezielles Formular auszufüllen, dessen Informationen in eine spezielle staatliche Datenbank aufgenommen werden. Für die Inhaber von Pässen der Russischen Föderation sind keinerlei Sanktionen vorgesehen. Jedoch können die Ukrainer, die noch die russische Staatsbürgerschaft besitzen, in ihren rechten eingeschränkt werden. Sie können kein Amt im System der Staatsmacht einnehmen. Diejenigen, die bereits Beamte sind, müssen das Amt aufgeben. Für diejenigen, die in die entsprechende Deklaration falsche Angaben eintragen, wird vorgeschlagen, eine Bestrafung vorzusehen – von großen Geldstrafen bis zu einem Freiheitsentzug von zwei bis fünf Jahren in Abhängigkeit von der konkreten Situation. Möglicherweise wird diese Gesetzesvorlage in der Werchowna Rada gleichzeitig mit dem Gesetzentwurf behandelt werden, den die Regierung im Auftrag des Rates für nationale Sicherheit und Verteidigung ausarbeiten soll.
Das Problem besteht darin, dass alle Fragen im Zusammenhang mit der Staatsbürgerschaft auf die Notwendigkeit der Vornahme von Änderungen an der Verfassung stoßen. Und dies ist ein langwieriger Prozess, der die Unterstützung einer Verfassungsmehrheit (mindestens 300 Stimmen) erfordert. Früher hatte einer der Autoren des Abgeordneten-Gesetzentwurfs, Oleg Dunda, auf einer Pressekonferenz in der Nachrichtenagentur „Interfax-Ukraine“ betont, dass sich viele ukrainische Politiker an eine „informelle doppelte Staatsbürgerschaft“ gewöhnt hätten: „Man hat Pässe anderer Länder erhalten und sie als einen Reserveflugplatz genutzt, als eine Möglichkeit, Gelder zu verstecken“. Er ist der Auffassung, dass dies eine der Hauptursachen sei, weshalb die Frage der doppelten Staatsbürgerschaft in der Ukraine nicht geregelt sei. „Da wurde so ein Aufschrei laut, weil diese Politiker nicht wollen, dass man dies alles ans Tageslicht hervorholt“.