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Dem Präsidenten bereitet man ein Paket von Ukraine-Entscheidungen vor


Im Verlauf von zwei Monaten der am 24. Februar begonnenen militärischen Sonderoperation der Russischen Föderation haben sich keine bestimmten Konturen sowohl in Bezug auf den militärischen Teil als auch hinsichtlich der weiteren Entscheidungen über die Zukunft der Ukraine abgezeichnet. Davon, wie weit die Armee zu gehen bereit ist, wird augenscheinlich auf die Tiefe der territorialen Neugestaltung dieses Landes abhängen. In den letzten Tagen wird das Thema von einer Angliederung einzelner Teile von ihm über Referenden gepusht. Aber auch da gibt verschiedene Varianten: neue Volksrepubliken, eine Fusion mit der Krim, eine Kooptierung in den Bestand der DVR und LVR… Zusammen mit dem Donbass-Besuch des 1. Stellvertreters des Leiters der Präsidialadministration Sergej Kirijenko kann man die Welle von Meldungen in den Medien als den Beginn der Vorbereitung jenes Pakets von möglichen Handlungen ansehen, das Wladimir Putin übergeben wird. Traditionsgemäß wird dies stets von einem Kampf unterschiedlicher Gruppen innerhalb der russischen Führungsriege begleitet. Und es wird sich jetzt wohl kaum irgendetwas ändern. Daher sind die Hauptfragen, auf die es noch lange keine Antworten geben wird, die folgenden: Wann wird solch ein Plan in den Kreml gelangen? Und was wird letztlich auf dem Papier stehen?

Viele prorussische Aktivisten, die auf den von der russischen Armee besetzten Territorien der Ukraine handeln, hat der Donbass-Besuch Kirijenkos stark inspiriert. Die generelle Schlussfolgerung, die sich in diesem Milieu abzeichnet, ist: Die Offiziellen demonstrieren eindeutig der Welt, dass die Probleme der Ukraine jetzt zu einer rein inneren Angelegenheit der Russischen Föderation geworden sind. Es ist offensichtlich, dass dies ein notgedrungener Optimismus jener Menschen ist, für die die geringsten Nuancen der möglichen Lösungen und Entscheidungen wichtig sind. Und natürlich ist dies ein bestimmter Teil jener propagandistischen Arbeit, die für die ukrainische Bevölkerung vor allem der sattsam bekannten „befreiten Regionen“ bestimmt ist.

Zur gleichen Zeit muss daran erinnert werden, dass die Ukraine und die Ereignisse in ihr stets ein Prärogativ des innenpolitischen Blocks des Kremls waren. Besonders nach dem Entstehen der DVR und der LVR. Es sei daran erinnert, dass der hochrangige Mitarbeiter der Präsidialadministration Wladislaw Surkow anfangs ihr Kurator war und dann als dieser angesehen wurde. Da er sich auch damals, als er auf dem Sessel saß, den nunmehr Kirijenko einnimmt, und bereits nach seinem Rücktritt damit befasst hatte. Es ist klar, dass diese Situation ohne einen Kampf im Apparat und Clan-Intrigen nicht über die Bühne gegangen ist. Dies hat aber noch klarer gerade ihre innerrussische Relevanz unterstrichen. Die Oberhäupter der Donezker Volksrepublik und der Lugansker Volksrepublik, Denis Puschilin und Leonid Pasetschnik, sind in Moskau schon lange als gewisse regionale Führungskräfte mit einem Sonderstatus und besonderen Bedingungen für das Funktionieren angesehen worden.

Vom Prinzip her geht auch die in den letzten Tagen begonnene Informationswelle von Erklärungen, Überlegungen und Prognosen in Bezug auf einzelne Teile der Ukraine nicht über den Rahmen der Varianten hinaus, die auf die eine oder andere Weise mit deren Angliederung an Russland verbunden sind. Beispielsweise hat der Vorsitzende der regionalen national-kulturellen Autonomie der Krimtataren Eivaz Umerov vorgeschlagen, dass das heutige Verwaltungsgebiet Cherson und der Südteil von Saporoschje zu einem gewissen Föderalen Krim-Bezirk gehören sollten. So weit man verstehen kann, realisieren die gegenwärtigen Offiziellen der Halbinsel de facto bereits solch eine Politik, auf jeden Fall im sozial-ökonomischen Bereich. Freilich erklangen in der Erklärung von Umerov auch solche Sätze, die den Kreml etwas aufhorchen lassen sollten: „Noch seit der Zeit des Krim-Khanats haben die Gebiete zwischen der Donau und dem Dnepr, aber ebenfalls das Asow-Gebiet auch nach dem Beitritt der Krim zum russischen Imperium in den Grenzen des Gouvernements Taurien bereits zur Halbinsel gehört und waren ausschließlich mit Russland verbunden“. Übrigens, eine Wiederbelebung eines gewissen Krim-Khanats hat dieser Vertreter des öffentlichen Lebens gleichfalls nicht zu erwähnen vergessen: „Die Krimtataren halten eine Rückkehr dieser Territorien in den Bestand der russischen Krim für richtig, gerecht und historisch berechtigt – entweder in den Grenzen des Krim-Khanats oder in den Grenzen des Gouvernements Taurien“.

Politisch korrekter äußern sich diesbezüglich die mit der Krim verbundenen Abgeordneten der Staatsduma (des Unterhauses des russischen Parlaments – Anmerkung der Redaktion). Solch eine Meinung äußerte beispielsweise Michail Scheremet (Kremlpartei „Einiges Russland“): „Die südlichen Regionen der Ukraine gehörten historisch Russland. Dies sind ureigen russische Gebiete, die durch Russland erschlossen und entwickelt wurden. Daher ist ihre Rückkehr in den Bestand Russlands vorausbestimmt. Die Krim und die von den ukrainischen Nationalisten befreiten Regionen, dies sind heute die Verwaltungsgebiete Cherson und Saporoschje, können in der Perspektive zu einem neuen föderalen Bezirk vereinigt werden. Dies ist historisch gerechtfertigt und entspricht dem Geist der Zeit. Im Süden der Ukraine lebt eine von der russischen Kultur geprägte und eine uns mental nahe Bevölkerung“. Nach seinen Worten könne der Bezirk durchaus etabliert werden. Und ob man ihn Krim- oder Taurien-Bezirk nenne, sei eine technische Frage. Noch vorsichtiger erwies sich der von der Krim kommende Staatsduma-Abgeordnete Dmitrij Belik („Einiges Russland“), der unterstrich, dass der Föderale Krim-Bezirk nach Abschluss der militärischen Sonderoperation gebildet werden könne.

Es macht Sinn zu betonen, dass früher prorussische Aktivisten im Verwaltungsgebiet Charkiw begonnen hatten, sich für ein Referendum über einen Beitritt zu Russland auszusprechen, was eine scharfe Reaktion der Kiewer Offiziellen ausgelöst hatte. Dies würde jegliche Friedensverhandlungen zu Grabe tragen. Offiziell äußert sich der Kreml gewunden und maximal unbestimmt. Theoretisch solle das Volk selbst über sein Schicksal entscheiden. Moskau aber befasse sich mit keinerlei Referenden in den Regionen der Ukraine. Dennoch ist klar, dass das Präsidialamt entweder mal begonnen hat, für Putin ein Paket möglicher Vorschläge vorzubereiten, oder sich anschickt, buchstäblich in diesen Tagen mit dieser Sache zu beginnen. Das Problem besteht darin, dass diese innerrussische Angelegenheit traditionell nicht in real kurzer Zeit vorbereitet werden kann, da ein Kampf oder gar eine Auseinandersetzung der Gruppen innerhalb der Führungsriege unausweichlich sind. Anzeichen für das eine als auch das andere waren in der letzten Zeit im Medienbereich zu spüren. Und es ist schwer anzunehmen, dass die nicht einfache Arbeit – vorauszusagen, welche Lösung letztlich dem Präsidenten gefallen wird – ohne das übliche Byzanz-Gehabe (eine völlige Losgelöstheit vom Volke – Anmerkung der Redaktion) abgehen wird. Es sei daran erinnert, dass die derzeitige politische und Führungspraxis darauf hinausläuft, dass man für Putin ein maximal breites Spektrum an Varianten vorbereitet, wobei die Hoffnung gehegt wird, dass seine Entscheidung auch denjenigen bestimmen wird, der dieses Szenario umsetzt, obgleich dies nicht immer passiert. Im Großen und Ganzen aber wird die Gruppe, die ihre Vorgehensweise lobbyiert, stärkere Positionen für eine Beeinflussung deren Realisierung besitzen.

Wenn man sich vorzustellen versucht, in was für einem Spektrum die Entscheidung für eine Neugestaltung der Ukraine liegen können, so muss man vor allem das Augenmerk auf die Armee lenken, genauer gesagt auf deren Bereitschaft und deren Möglichkeiten, einen operativen und recht großen Erfolg bei der Durchführung der Sonderoperation zu erreichen. Kurz gesagt: Je mehr ukrainische Gebiete aus Moskauer Sicht befreit werden, desto größer ist das Handlungsspektrum. Und dies bedeutet, dass bei den Vertretern der bewaffneten und Sicherheitsorganen vorerst das entscheidende Wort bleibt, zumal die Verfechter der Gestaltung zwischenstaatlicher Beziehungen auf einer Business-Grundlage laut Gerüchten beim Kreml stark an Ansehen und Autorität eingebüßt haben. Es gibt jedoch auch einfach Oligarchen, die viele Hurra-Patrioten beispielsweise dessen verdächtigen, dass sie die Unversehrtheit des ukrainischen Eisenbahnnetzes verteidigen.

Was die Varianten für eine Umgestaltung der Ukraine angeht, so ist außer dem Föderalen Krim-Bezirk die Variante mit neuen „Volksrepubliken“ natürlich nicht verworfen worden. Die Volksrepublik Cherson, die Volksrepublik Charkiw und die Volksrepublik Saporoschje sind sozusagen das Minimum, obgleich letztere lediglich Fetzen der derzeitigen Verwaltungsgebiete Charkiw und Saporoschje sein werden. Eine Cherson-Republik aber wird als eine durchaus vollwertige erscheinen. Allerdings hat der Kreml Erfahrungen im Zusammenhang mit der DVR und der LVR, als sie buchstäblich in Gestalt von Landstreifen entlang der Grenze der Russischen Föderation existierten. (Nach mehr als 60 Tagen russischer Sonderoperation im Donbass kann die LVR darauf verweisen, dass sie fast das gesamte Territorium des einstigen ukrainischen Verwaltungsgebietes Lugansk kontrolliert, die DVR – bisher mehr als 50 Prozent des entsprechenden Verwaltungsgebietes Donezk. – Anmerkung der Redaktion) Diese Donbass-Republiken DVR und LVR können übrigens als Systemadministratoren für eine Übernahme eines Teils der Ukraine durch Russland ausgenutzt werden. Es gibt bereits eine Tatsache für eine zeitweilige Angliederung eines der Verwaltungskreise von Saporoschje an die DVR. Allem nach zu urteilen sind Initiativen von Charkiwer Einwohnern in Bezug auf die LVR als nächste an der Reihe. All diese technischen Momente befinden sich jedoch im Schwebezustand, da die politische Hauptentscheidung zur Ukraine unbekannt ist. Und zwar: Werden die Offiziellen der Russischen Föderation einverstanden sein, dass von diesem Nachbarland ein durch Russland unkontrollierter Teil bleiben wird, von dem aus unweigerlich eine Reconquista (span./port.: Rückeroberung) beginnen wird? Zumindest aber informationsseitige und nicht nur Wühlaktivitäten erfolgen werden? Wenn sie zustimmen werden, ist ein Ende der Sonderoperation relativ nahe. Wenn sie nicht zustimmen werden, kann sie in diesem Jahr auch nicht beendet werden. Und folglich wird auch kein politischer Plan des Kremls für die Ukraine bekanntgegeben werden.