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Dem „Vize-Präsidenten“ Medwedjew ist der politische Teil der Sonderoperation übertragen worden…


Die vergangene Woche ist mit einer traditionellen Beratung des Präsidenten mit Mitgliedern des Sicherheitsrates der Russischen Föderation zu Ende gegangen. Jedoch sind entgegen der Tradition keinerlei offizielle Details dieser Online-Veranstaltung aufgetaucht. Auf der Internetseite des Kremls kann man lediglich eine Liste der Teilnehmer des Freitagtermins mit Wladimir Putin finden. Dies waren die Chefs beider Kammern der Föderalen Versammlung, der Leiter der Präsidialadministration und Schlüsselvertreter der Sicherheits- und Rechtsschutzorgane – natürlich inklusive des Sekretärs des Sicherheitsrates, Nikolaj Patruschew, und des stellvertretenden Vorsitzenden dieses Gremiums, Dmitrij Medwedjew. Ein Thema der Beratung ist nicht ausgewiesen worden.

Solch eine Personenliste zusammen mit dem Ausbleiben gar allgemeiner Worte über das Thema der Beratung gibt direkt einen Fingerzeig auf die am Vorabend erfolgte Reise des russischen Ex-Präsidenten in die Lugansker Volksrepublik. In seinem Telegram-Kanal berichtete er so darüber: „Im Auftrag des Präsidenten der Russischen Föderation habe ich eine Beratung durchgeführt, die erstrangigen Maßnahmen zur Gewährleistung der Sicherheit der Donbass-Republiken galt“. Der stellvertretende Vorsitzende des Sicherheitsrates informierte nicht nur über Treffen mit den Oberhäuptern der lediglich von Russland, Syrien und der KDVR anerkannten Gebilde, sondern zählte auch auf, mit wem er sich überhaupt in Lugansk beraten hatte. Dies waren Vertreter der Sicherheits- und Rechtsschutzorgane – der Generalstaatsanwalt der Russischen Föderation, Spitzenvertreter des Innenministeriums, des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB und des Untersuchungskomitees. Unter den zivilen Vertretern waren der 1. Stellvertreter der Präsidialadministration, Sergej Kirijenko, und der Bauminister der Russischen Föderation (alles in Moskau arbeitende Staatsbeamte, die auf Kosten von Steuergeldern nach Lugansk reisten und dort am Gesprächstisch saßen – Anmerkung der Redaktion).

Nach Aussagen Medwedjews wurde besonderes Augenmerk nicht nur dem Wiederaufbau der Donbass-Republiken DVR und LVR und sozialen Problemen deren Einwohner, sondern auch der Harmonisierung der Gesetzgebung der Republiken mit dem Rechtssystem Russlands geschenkt. Daher war die Präsenz von Valentina Matwijenko und Wjatscheslaw Wolodin bereits bei der Beratung mit Putin verständlicherweise eine obligatorische gewesen. Was aber den stellvertretenden Vorsitzenden des Sicherheitsrates angeht, so ist ihm scheinbar der politische Teil der Sonderoperation, die bereits den 173. Tag erlebt, übertragen worden, zu deren Ergebnis Referenda über den Beitritt einer Reihe von Regionen der Ukraine zur Russischen Föderation werden sollen. Für das Erreichen dieses Zieles der Neuziehung der Grenzen Russlands und der Ukraine nach Moskauer Vorstellungen sind jedoch auch gerade erhebliche Anstrengungen der Herrschenden im sozial-ökonomischen Bereich und auf dem Gebiet der Gewährleistung der Sicherheit erforderlich. Und dafür ist auch eine Anpassung der Gesetze an einheitliche Standards erforderlich. Um aber all diese Prozesse zu betreuen bzw. zu beaufsichtigen, verwandelt sich Medwedjew — allem nach zu urteilen — für das „neue Russland“ in eine Art von „Vize-Präsident“. Zumindest für einen gewissen Zeitraum und augenscheinlich vorerst nur dort.

Derweil behält sich der Präsident an sich die Funktionen eines Betreuers für die politischen Prozesses innerhalb des „alten Russlands“ vor. In der vergangenen Woche traf sich Putin zweimal online mit Leitern von Regionen, die am 11. September zu zeigen haben, dass sie es verdient haben, das Attribut „amtierender“ abzulegen. An die Adresse des Gouverneurs der Verwaltungsregion Kirow, Alexander Sokolow, und des Oberhaupts der Teilrepublik Mari El, Jurij Saizew, erklangen Wünsche für ein Gelingen und Erfolge, aber nicht bei den Wahlen, sondern bei der Arbeit zur Entwicklung der ihnen anvertrauten Territorien. Gewohnheitsgemäß zieht es Putin vor, den Anschein zu erwecken, dass die Wahlkampagnen für ihn ein rein technisches Prozedere seien.

Ja, aber mit dem Gouverneur des Verwaltungsgebietes Belgorod, Wjatscheslaw Gladkow, hatte der Präsident in der vergangenen Woche beschlossen, sich persönlich zu treffen. Formal war dies ein Bericht über die Ergebnisse der Entwicklung dieses Subjekts der Russischen Föderation. Das Staatsoberhaupt hatte aber selbst skizziert, dass gleichfalls vorgesehen sei, „Sicherheitsfragen zu erörtern“. Das Verwaltungsgebiet Belgorod grenzt an die Zone der der russischen Sonderoperation in der Ukraine. In den grenznahen Gebieten ist die Situation keine einfache. Es herrscht Unmut seitens der Menschen, die vor allem dank ihrer Wirtschaften leben. Und viele von ihnen haben jetzt keinen Zugang zu ihnen. In der offiziellen Pressemitteilung ist dieser Teil des Gesprächs von Putin mit Gladkow jedoch nicht ausgewiesen worden.

Was aber die Kampagne zur Abhaltung des Einheitswahltages am 11. September angeht, so ist sie in der letzten Woche fließend in die Phase einer großangelegten Agitationskampagne übergegangen. Der Wahlkampf erfolgt aber in einem moderateren Ton im Vergleich zu den vorangegangenen Jahren. Es wirkt sich in erster Linie gerade diese militärische Sonderoperation aus, aber auch der Referendumscharakter der Gouverneurswahlen, die dieses Mal das Schlüsselereignis sind. Die Wahl von Abgeordneten unterschiedlicher Ebene ist in diesem Jahr minimiert worden. Die außerparlamentarischen, nicht zum System gehörenden Parteien und oppositionellen Selbstläufer sind überall oder ganz und gar nicht zugelassen oder bereits vertrieben worden. Und die parlamentarischen Politstrukturen wollen scheinbar keine erheblichen Ressourcen für die Propagierung von Initiativen und Ideen ausgeben, die schon längst allen Wählern bekannt sind.