Die EU-Länder haben eine Obergrenze für die Gaspreise abgestimmt, die ab dem 15. Februar im Falle eines Übersteigens der Preisgrenze von 180 Euro je Megawattstunde Strom in Kraft gesetzt wird. Einige Länder der Europäischen Union stimmten gegen die Einführung eines Preisdeckels für Erdgas im kommenden Jahr. Westliche Agenturen bezeichnen die jetzigen Verhandlungen über ein Eingreifen in die marktwirtschaftlichen Mechanismen als „verzweifelte Anstrengungen“ hinsichtlich einer Abstimmung von Limits der Preise für Erdgas. Die Wirtschaft der Russischen Föderation wird der europäische Gaspreisdeckel nicht direkt beeinflussen, da der Abbruch der Gas-Beziehungen des Westens mit der Russischen Föderation faktisch bereits stattgefunden hat. Die Degradierung des Marktes in der EU kann jedoch die Skepsis hinsichtlich der Projekte in der Art eines türkischen Gas-Hubs verstärken. Vor einem Monat veröffentlichte die „NG“ Berechnungen russischer Wirtschaftsexperten, denen zufolge der Abbruch der Gas-Beziehungen mit Russland Europa eine Billion bis 1,7 Billionen Dollar kosten werde. Am vergangenen Sonntag nannte die Nachrichtenagentur Bloomberg genau solche eine Zahl für die Verluste der EU bei den Versuchen, das russische Erdgas zu ersetzen.
Der Verzicht der Europäer auf das kostengünstige russische Erdgas bedeutet einen langfristigen Verlust der Wettbewerbsfähigkeit der EU und eine Zuspitzung jener Energiekrise, die durch die mangelhaft durchdachte Realisierung der „grünen Politik“ in Europa provoziert wurde. Um die negativen Folgen der Stromverteuerung zu nivellieren, haben die europäischen Politiker entschieden, administrativ die Marktpreise für den Strom zu beschränken, der aus Erdgas erzeugt wird. Russlands Bürger der älteren Generation wissen, dass ein Administrieren von Preisen zu einem Mangel führt. Den Europäern steht jedoch augenscheinlich bevor, diese Gesetzmäßigkeit für sich aufs Neue zu begreifen.
„Der EU-Rat der Energieminister ist wahrscheinlich niemals so oft zusammenkommen. Jetzt ist dies aber berechtigt, wenn man die Energiekrise in Europa berücksichtigt. Die vorgeschlagene Beschränkung der Preise für Erdgas ist falsch, schädlich und gefährlich. Sie kann aber scheinbar doch eingeführt werden. Folglich wird es heute in Brüssel noch eine große Schlacht geben“hatte Ungarns Außenminister Péter Szijjártó auf Montag auf seiner Seite in einem der sozialen Netzwerke geschrieben.
Die Energieminister der EU-Länder vermochten bei ihrem Treffen in Brüssel am Montag eine Preisobergrenze für Erdgas abzustimmen, meldeten in den Abendstunden die Agenturen. Zuvor waren die Europäer dazu nicht in der Lage, unter anderem auch aufgrund der Position Ungarns. Dessen Außenminister Péter Szijjártó hatte an den Verhandlungen teilgenommen, da er in der ungarischen Regierung für die internationale Energiezusammenarbeit zuständig ist.
Den Versuch, ein Preislimit für Erdgas abzustimmen, bezeichnete Bloomberg als „verzweifelte Anstrengungen“ aufgrund der vorsichtigen Politik Deutschlands, der offenkundigen negativen Haltung Ungarns und der lobbyierenden Bemühungen Tschechiens. Die EU-Energieminister hatten den letzten Kompromissvorschlag, der von Tschechien unterbreitet worden war, gebilligt. Prag hatte vorgeschlagen, die Obergrenze für die Gaspreise bis auf 180 Euro je Megawattstunde Strom (1850 Euro je 1000 Kubikmeter Gas) zu verringern.
Ende November hatte die Europäische Kommission einen Preisdeckel von 275 Euro für eine Megawattstunde Strom vorgeschlagen, was etwa einem Preis für einen Kubikmeter Gas von drei Dollar entsprochen hatte.
Der Vorzug dieser angenommenen Obergrenze besteht darin, dass sie in keiner Weise die potenziellen Lieferungen von Gas nach Europa verstößt. Ein Teil der Europäer versuchte jedoch ein reales Preisdiktat zu erreichen, wenn auch mit dem Risiko einer Einschränkung der Lieferungen.
Die aktuellen Gaspreise in Europa entsprechen etwa 110 Euro für eine Megawattstunde und passen vollkommen in den Rahmen der von den Tschechen vorgeschlagenen Obergrenze. Die bevorstehende Kältewelle oder Störungen bei den Lieferungen können jedoch auch ein Ansteigen der Preise provozieren. Tschechiens Industrie- und Handelsminister Jozef Síkela erklärte, dass er „fest“ daran glaube, dass ein Deal möglich sei. Die Euro-Beamten betonen, dass das Preislimit zu einem zügelnden Faktor gegen extreme Preissprünge und zu keinem Instrument für eine ständige Preisregulierung werden solle. „Keiner wird etwas gegen geringe Preise einwenden. Wir müssen aber aufpassen, um keine negativen Folgen für unsere Bestrebungen nach Gutem auszulösen“, erklärte Robert Habeck, Vizekanzler und Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz der Bundesrepublik Deutschland. Deutschland und einige andere Länder hatten die Befürchtungen bekundet, dass die Preisobergrenze Europa für die Gaslieferungen zu einem weniger attraktiven machen könne. Gemäß dem Wortlaut des tschechischen Kompromissvorschlags dürfen Gasverträge mit einem Übersteigen des Preislimits nicht realisiert werden. Dabei sicherte die Europäische Kommission zu, unverzüglich die Geltung des Preisdeckels im Falle von Gefahren für die Sicherheit der Lieferungen auszusetzen.
Dennoch kann die vom Westen geplante einzuführende Praxis einer ständigen Überprüfung der Preisobergrenze für Erdöl auch in Bezug auf Erdgas angewandt werden. Und solch ein regelmäßiges Eingreifen kann die potenziellen Lieferanten beunruhigen.
Die Festlegung eines Preisdeckels für russisches Erdgas widerspreche den Gesetzen der Märkte und führe zu deren Destabilisierung, erklärte der Sonderbotschafter des russischen Außenministeriums Jurij Sentjurin. „Dies sind gegen die Marktwirtschaft gerichtete Instrumente. Meines Erachtens führt dies alles zu solch einer unangenehmen Folge wie eine Degradierung der Märkte“ sagte Sentjurin in einem Interview für die staatliche russische Nachrichtenagentur RIA Novosti.
Der Preis für eine Ersetzung des russischen Pipelinegases für Europa übersteigt erheblich die direkte Verluste der Russischen Föderation durch die Verringerung des Gasexports. Laut Berechnungen des Instituts für volkswirtschaftliche Prognostizierung der Russischen Akademie der Wissenschaften werde der Verzicht auf russisches Gas Europa eine Billion bis 1,7 Billionen Dollar bis zum Jahr 2025 kosten. Dies sei mindestens viermal mehr als die russischen Verluste. Und solch ein Verhältnis der Schäden veranlasst, dem Glauben zu schenken, dass eine Deindustrialisierung Europas ein wichtiges Ziel der US-amerikanischen Politik im Ukraine-Konflikt gewesen ist (siehe auch „NG“ vom 20.11.2022).
Der Verzicht auf russisches Erdgas kostete Europa bereits rund eine Billion Dollar, meldete am Sonntag die Nachrichtenagentur Bloomberg unter Verweis auf eigene Berechnungen. Diese Summe umfasst den Anstieg der Preise für Elektroenergie für die europäischen Unternehmen und für die Verbraucher. Dabei sei dies, wie die Agentur prognostiziert, nur der Anfang der schlimmsten Energiekrise der letzten Jahrzehnte. Nach der Winterperiode würden die Gasspeicher leer sei. Und es werde schwierig werden, sie unter den Bedingungen minimaler russischer Gaslieferung aufzufüllen.
Nach Einschätzung der Agentur werde die angespannte Situation mit den Lieferungen verflüssigten Erdgases nach Europa mindestens bis zum Jahr 2026 andauern, wenn Qatar und die USA ausreichend die Förderung von Kohlenwasserstoffen erhöhen können. „Das Wettrennen der EU zur Auffüllung der Erdgasreserven hat bereits begonnen“, zitiert die Nachrichtenagentur Bloomberg Worte des Analytikers aus der Bank Skandinaviska Enskilda Banken (SEB), Bjarne Schieldrop, der hinzufügte, dass die für die Verkäufer von Gas vorteilhafte Konjunktur im Verlauf von mindestens zwölf Monaten anhalten werde. Die Analytiker von Bloomberg sind der Auffassung, dass, wenn die Preise für Erdgas in der Europäischen Union erneut bis auf 210 Euro je Megawattstunde ansteigen, Europa anstelle einer Rezession ein drastischer wirtschaftlicher Einbruch erwarte.
Post Scriptum
Russlands Außenminister Sergej Lawrow kommentierte am Montagabend auf Bitten von Journalisten mit folgenden Worten die Entscheidung der EU-Energieminister: „(Ich habe – lt. der russischen Nachrichtenagentur Interfax) überhaupt keinerlei Reaktion (auf diese Information zum Gas-Preisdeckel – Interfax). Dies ist ihre persönliche Angelegenheit. Wenn es nicht mehr zu tun gibt (für die EU – Anmerkung der Redaktion) – bitte schön!“.