Unabhängige Zeitung

Private Tageszeitung

Der geplante Bau eines AKW in Kasachstan soll per Referendum auf den Weg gebracht werden


Im Energieministerium Kasachstan hat man erklärt, dass in Astana öffentliche Anhörungen erfolgten, die den Zyklus der öffentlichen Diskussionen zur Frage nach dem Bau eines AKW beendeten. Zuvor hatten solche Veranstaltungen in allen Regionen des Landes stattgefunden. Im Herbst soll dazu ein Referendum erfolgen, hat die Regierung Kasachstans am 27. August beschlossen.

Die stellvertretende Direktorin des Departments für Atomenergie und Industrie im Energieministerium, Gulmira Mursalowa, betonte bei ihrem Auftritt während der Anhörungen, dass in Kasachstan 70 Prozent der Elektroenergie in Kohlekraftwerken erzeugt werden, von denen viele bereits ihre Ressourcen ausgeschöpft hätten. Dabei mache die alljährliche Zunahme des Stromverbrauchs im Land etwa drei Prozent aus. „Entsprechend den Ergebnissen des Jahres 2023 waren von den verbrauchten 115 Milliarden kWh über zwei Milliarden kWh planmäßig in Russland eingekauft worden. Um derartiges in der Zukunft zu vermeiden, müssen wir schon heute entsprechende Maßnahmen ergreifen. Gegenwärtig bauen viele Länder AKW“, unterstrich sie.

Seinerseits erinnerte der Generaldirektor des Unternehmens „Kasachische Atomkraftwerke“, Timur Shantikin, dass früher 13 unterschiedliche AKW-Projekte vorgeschlagen wurden, von denen vier ausgewählt wurden. Nach seinen Worten werde der Bau des Kraftwerks die Entwicklung der Wirtschaft des Landes fördern, aber auch die Schaffung neuer Arbeitsplätze. Dabei unterstreicht man im Energieministerium, dass für die Errichtung des Kernkraftwerks in Kasachstan maximal sichere Reaktoren der Generationen III und III+ vorgeschlagen würden, die passive und aktive Sicherheitssysteme besitzen, die sich erfolgreich ergänzen und gegenseitig ersetzen.

Insgesamt erfolgten die Anhörungen unter einer Aufsicht der Offiziellen, obgleich es nicht ohne für die Staatsbeamten kränkende Buhrufe aus dem Saal abging. Die hatte man unter anderem eines totalen Betrugs der Kasachstaner bezichtigt. Die Organisatoren hatten sich aber gut vorbereitet. Beispielsweise hatten Gruppen von Studenten nur die Auftritte zur Unterstützung des AKW-Baus mit Applaus bedacht. Und die radikalsten Gegner der Atomenergie hatte man überhaupt nicht in den Saal gelassen.

Nicht alle Treffen erfolgten so wohlbehalten. In Almaty hatte beispielsweise die Diskussion beinahe zu einer Massenschlägerei geführt. Anfangs hatte Mursalowa versucht, die Einwohner der früheren kasachischen Hauptstadt davon zu überzeugen, dass die Kernenergie helfen werde, mit der globalen Erwärmung fertig zu werden, und hatte sogar irgendwelche Zahlen als Beleg für die Richtigkeit ihrer Aussagen angeführt. Später aber löste die Staatsbeamtin eine kleine Handgreiflichkeit aus. Eine der Aktivistinnen, die gegen den Bau eines AKW auftrat, versuchte, ihr das Mikrofon wegzunehmen und neben ihr Platz zu nehmen. Als Antwort fing Mursalowa zu schreien an, dass dies ein Platz des Direktors sei.

Die Situation wurde noch mehr aufgeheizt, als Erlan Batyrbekow, der Generaldirektor des Nationalen Atomzentrums, von der Sicherheit der heutigen Kernreaktoren zu sprechen begann. Laut seinen Berechnungen könne sich eine Havarie einmal in zehn Millionen Jahren ereignen.

Die Menschen begannen zu fordern, dass man dem früheren Chef des Kasachstaner Unternehmens für das Management der Stromversorgungsnetze (KEGOC), Asset Naurysbajew, das Wort erteilt, der gegen den Bau eines AKW auftritt. „Das Energieministerium hat uns im Verlauf einer Stunde eine Agitationskampagne für ein Atomkraftwerk vorgestellt. Es gibt aber auch alternative Lösungen. Das, was man hier sagt, ist eine Lüge! Das, was man hinsichtlich eines Mangels an Gas sagt, ist Inkompetenz. Bei uns werden vier leistungsstarke Gaskraftwerke errichtet. Und wir haben eigenes Erdgas, das in Westkasachstan gefördert wird. Wir haben viel Gas. Und wir verarbeiten lediglich die Hälfte des Gases, die andere Hälfte pumpen wir blöderweise zurück in die Erde“, empörte sich Naurysbajew.

Nach seinen Worten müssten sich die Kasachstaner drei Fragen beantworten: Sind sie zu den Folgen einer Explosion des AKW bereit? Wollen sie die radioaktiven Abfälle den kommenden Generationen zurücklassen? Und soll Kasachstan von den Technologien des Landes abhängen, das das Kraftwerk errichten wird? „Einmal angenommen, dass das Kernkraftwerk 60 bis 80 Jahre arbeiten wird sowie drei, vier Generationen Elektroenergie erhalten werden. Dutzende und hunderte Generationen werden aber danach einen Berg von radioaktiven Abfällen erhalten, die man lagern muss. Flügel von Windkraftanlagen und Solarzellen kann man in der Wüste zurücklassen. Und mit ihnen wird nichts passieren. Sie stellen keine Gefahr für das Leben dar – im Unterschied zu den radioaktiven Abfällen“, unterstrich der frühere KEGOC-Chef.

Es sei daran erinnert, dass Kasachstans Präsident Qassym-Schomart Tokajew am 1. September 2023 erklärt hatte, dass eine Entscheidung über den Bau eines AKW bei einem Referendum gefällt werden sollte. Es wurde zugesagt, im nächsten Herbst ein Plebiszit zu organisieren. Tokajew selbst tritt für eine Entwicklung der Atom-Energetik ein, möchte aber nicht die gesamte Verantwortung übernehmen. Damit die Abstimmung keine unangenehmen Überraschungen beschert, führte das Energieministerium die Serie von öffentlichen Anhörungen durch, in deren Verlauf es versuchte, die AKW-Gegner vom Gegenteil zu überzeugen.